Zum Schulstart wird es in vielen Trams eng
An den Schulen gelten strenge Corona- und Abstandsregeln, doch wie ist das im öffentlichen Nahverkehr? Am Dienstag waren die Straßenbahnen phasenweise sehr voll. Was die Schüler sagen und die Stadtwerke planen
Schlagartig füllt sich der Königsplatz am Dienstag ab 7.15 Uhr. Kinder und Jugendliche treffen sich an den Bahnsteigen, um in Straßenbahnen zu ihren Schulen auszuschwärmen. Die meisten tragen Masken. Wegen der Corona-Pandemie haben sich viele lange nicht gesehen. Manche umarmen sich vor Freude. Etliche Jungen und Mädchen sagen, sie hätten keine Angst vor Corona. Aber als es in den Trams eng wird, gibt es auch Bedenken.
Drei Männer und Frauen verfolgen die Situation am Kö ab 7 Uhr aufmerksam. Hier und am Rathausplatz zählen die Mitarbeiter der Stadtwerke (SWA) die Fahrgäste. Das werden sie auch die nächsten beiden Wochen täglich tun. Vonseiten der Stadtwerke will man die aktuelle Situation beobachten, analysieren und darauf reagieren.
Die Mitarbeiter machen Schüler und Berufspendler auf zusätzliche Fahrzeuge aufmerksam, um die Situation in Trams und Bussen zu entzerren. Auch mit Lautsprecherdurchsagen wird darauf hingewiesen. Im Vorfeld hatten Eltern Bedenken geäußert, dass es mit dem Schulbeginn in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu dicht gedrängt werden könnte und ihre Kinder so einer Gesundheitsgefahr ausgesetzt seien. An diesem trubeligen Morgen werden manche in ihren Befürchtungen noch bestätigt werden.
Zwar kehren die Stadtwerke auch nach dem Ende der Sommerferien aufgrund der gesunkenen Fahrgastzahlen vorerst nicht zum Fünf-Minuten-Takt zurück. Doch auf den Schulbeginn hat der Betrieb reagiert. Zwischen 6.30 und 9 Uhr sowie 11 und 14 Uhr würden die Straßenbahnen nicht nur von 7,5 auf sechs oder fünf Minuten verdichtet, sondern teilweise sogar auf drei Minuten, sagt SWA-Sprecher Jürgen Fergg. Zusätzlich würden Busse eingesetzt. „Wir fahren also dichter als im Fünf-Minuten-Takt – und das ohne Studenten und noch in einer Situation, in der sich viele weiter im Homeoffice oder in Kurzarbeit befinden.“
Es ist kurz vor halb acht Uhr, bald beginnt für viele der Unterricht. Doch die 13-jährige Leonie und ihr jüngerer Bruder lassen eine Straßenbahn durchfahren. Sie war ihnen zu voll, die Geschwister warten lieber auf die nächste. Sie hoffen, dass darin weniger Menschen fahren. „Ich habe schon Angst, dass man sich in Tram anstecken kann, wenn es so dicht gedrängt ist“, sagt Leonie.
Angesichts derartiger Befürchtungen verweist man bei den Stadtwerken gerne auf eine Studie des Robert-Koch-Instituts, wonach in öffentlichen Verkehrsmitteln angeblich kaum Ansteckungen mit dem Coronavirus nachgewiesen werden. Doch die Maskenpflicht sei wichtig, betont Stadtwerkesprecher Fergg. „Denn an Haltestellen, in Bahnen und Bussen kann der Mindestabstand nicht immer eingehalten werden.“Das merkt man an diesem Morgen des ersten Schultages deutlich. Das Zeitfenster, in dem es in den Straßenbahnen eng wird, ist relativ kurz, aber knackig.
Als die Straßenbahn der Linie 2 gegen 7.30 Uhr am Königsplatz startet und Richtung Rathausplatz rattert, muss man nicht befürchten, bei einer plötzlichen Bremsung umzufallen, so dicht gedrängt geht es in den Gängen der Wagen zu. Die Kinder und Jugendlichen sind auf dem Weg zum Maria-Ward-Gymnasium und zur Realschule in der Frauentorstraße, manche müssen zum Unin die Berufsschule in der Jesuitengasse. Eine Frau, die sich im Gedränge noch einen Sitzplatz ergattert hat, scheint missgestimmt. „Es sind mir zu viele Kinder hier“, bemerkt sie hinter ihrer Maske. Auch Hilde Djilves ist entgeistert.
„Ich finde es unmöglich, dass die Straßenbahn so überfüllt ist“, sagt die Mutter. Eine Woche lang wolle sie morgens nun ihren zehnjährigen Sohn Fernando in der Straßenbahn begleiten, um sich die Situation anzuschauen. „Dann entscheiden wir, ob er auf eine andere Art in die Schule kommen kann.“In der nächsten Zeit sei es mit dem Fahrrad ja noch machbar. Djilves jedenfalls wünscht sich, dass noch mehr Straßenbahnen eingesetzt werden. Dabei wird auf dieser Strecke an diesem Morgen schon der Fünf-Minuten-Takt eingehalten. Eigentlich ist es wie immer zur Schulzeit – doch dieses Mal fährt die Angst vor Corona mit.
Die Stadtwerke sehen es als Problem, dass viele Schulen nahezu gleichzeitig anfangen. „Es ist schwierig, wenn die Schüler zeitder gleich in eine Straßenbahn wollen und die nächste aber nur zur Hälfte oder weniger voll ist“, sagt Jürgen Fergg. Man hoffe auf einen Lerneffekt der Fahrgäste in den nächsten Tagen. Knackpunkte seien die Linie 2 zur Frauentorstraße und die Linie 4 zum Fugger- und PeutingerGymnasium. Auf der Linie 2 wurden zum Fünf-Minuten-Takt am Morgen zusätzlich drei Trams eingesetzt, die Linie 4 wurde mit Bussen unterstützt. Wie Fergg berichtet, wurde es am Dienstagmorgen in fünf Straßenbahnen enger. In einem Combino, in den 250 Fahrgäste passen, seien 120 gezählt worden, in drei bis vier anderen rund hundert. In Folgesituationen saßen aber nur 34 bis 40 Fahrgäste.
Fahren lässt sich an diesem ersten Schultag Karina – mit dem Auto zur Berufsschule in die Jesuitengasse. Vor dem Institut hält ein Auto nach dem anderen. Diese Situation ist an anderen Schulen ähnlich. Karina sagt, sie versuche in Zeiten von Corona die öffentlichen Verkehrsmittel zu vermeiden. „Ich habe zwar keine Angst, mich anzustecken. Ich glauterricht be eh nicht so an Corona“, meint die 21-Jährige. „Aber ich mag die Stimmung mit den Masken gerade nicht. Das ist unangenehm und macht einen schon fast depressiv.“
Eine knappe Stunde hält der Trubel am Königsplatz an, dann leert sich die größte Haltestelle Augsburgs wieder. Es ist kurz nach 8 Uhr, die meisten Kinder sitzen in der Stadt verteilt in ihren Klassenzimmern. Um den 17-jährigen Max Chapmann, der am Bahnsteig auf die Linie 3 wartet, ist es fast schon einsam. Um diese Linie zu entlasten, starten Fach-und Berufsoberschule sowie die Berufsschulen unterschiedlich früh. „Für mich beginnt die FOS erst um 9 Uhr“, erzählt der 17-Jährige. Darüber sei er froh. „Es würde mich stören, wenn es in der Straßenbahn sehr voll wäre. Ich komme vom Land, ich bin so viele Menschen nicht gewöhnt.“
»Kommentar
»Erster Schultag Wie dieser besondere Tag in einer ersten und einer fünften Klasse in Augsburg ablief, lesen Sie im Innenteil.