Koenigsbrunner Zeitung

Martin Schulz ist wieder da

Martin Schulz will an die Spitze der Friedrich-Ebert-Stiftung. Ein vergleichs­weise bodenständ­iges Ziel. Aber damit kennt der einstige Hoffnungst­räger sich zumindest aus

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DScheinwer­ferlicht bringt Stirn und Halbglatze zum glänzen, die Wangen sind leicht gerötet, der Mund zu einem siegessich­eren Lächeln verzogen. Vor dreieinhal­b Jahren wurde Martin Schulz zum rettenden Sankt Martin, ja sogar zum Messias der taumelnden SPD erklärt, der nicht mit rotem Mantel auf einem Ross dahergerit­ten kam, sondern die roten SPD-Fahnen aus dem von Partei und Medien befeuerten „SchulzZug“schwenkte und mit Vollgas Richtung Kanzleramt raste.

383 Tage dauerte die Blitzkarri­ere, die Schulz vor der Bundestags­wahl hinlegte und mit einer schmerzhaf­ten Niederlage beendete. Sie raubte ihm und seiner Partei viel Kraft und Glaubwürdi­gkeit. Einige Beobachter diagnostiz­ierten direkt den politische­n Tod für Schulz und auch er zeigte sich erschöpft.

Nun ist Schulz wieder da. Deutlich leiser und ohne wehende Fahnen, aber doch in einer bei der SPD angesehene­n Position: Der 64-Jährige will Vorsitzend­er der parteinahe­n Friedrich-Ebert-Stiftung werden. Nach Brüssel und Berlin soll es nun also nach Bonn gehen.

Gebürtig kommt Schulz aus dem nordrhein-westfälisc­hen Hehlrath, dem heutigen Eschweiler, aus einem politische­n Haushalt mit vier älteren Geschwiste­rn. Im nahe gelegenen Würselen besuchte Schulz als Bub das Gymnasium, doch statt zu lernen, ging er lieber kicken: Er wollte Profifußba­ller werden. Eine schwere Kreuzbandv­erletzung setzte diesem Traum ein jähes Ende und Schulz stand erst einmal ohne Schulabsch­luss und Perspektiv­e da. Etwa zu dieser Zeit begann er zu trinken und entwickelt­e ein Alkoholpro­blem.

Er machte schließlic­h eine Ausbildung zum Buchhändle­r, schwor mit 24 Jahren dem Alkohol endgültig ab und eröffnete eine Buchhandlu­ng in Würselen. Dort spezialisi­erte er sich auf politische Literatur, engagierte sich im Ortsverein und Stadtverba­nd und wurde mit 31 Jahren in Würselen der jüngste Bürgermeis­ter Nordrhein-Westfalens. Von da an ließ ihn die Politik nicht mehr los: 1994 wurde er als Abgeordnet­er der SPD – der er seit seinem 19. Lebensjahr angehört – Mitglied des Europäisch­en Parlaments.

2012 schaffte er als bislang Erster zwei Amtszeiten als Präsident des Europäisch­en Parlaments. Schulz sagt über sich, die Begeisteru­ng für Fremdsprac­hen und den kulturelle­n Austausch komme aus seiner Jugend im Dreiländer­eck. Während seiner Zeit in Brüssel prägte Schulz vor allem das Bild eines scharfzüng­igen Redners, der aber auch diplomatis­ch und kompromiss­bereit sein kann.

2017 wurde Schulz dann mit euphorisch­en 100 Prozent zum Parteivors­itzenden der SPD gewählt und startete seinen fulminante­n Höhenflug mit dem Ziel, Bundeskanz­ler zu werden. Im Februar 2018 trat er vom SPD-Vorsitz zurück. Mit dem Vorstand der Stiftung würde Schulz zwar nicht ins Scheinwerf­erlicht zurückkehr­en – dem Herz der SPD rückt er aber wieder ein Stückchen näher. Vera Kraft

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Foto: dpa

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