Koenigsbrunner Zeitung

Es lebe das Küken

Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner will die Geflügelzü­chter an die Kette legen. Ob das gelingt, ist fraglich. Es geht um ein Millioneng­eschäft und es droht die Abwanderun­g von Betrieben ins Ausland

- VON STEFAN LANGE

Berlin Politik lebt immer auch von der Hoffnung auf bessere Zeiten. „Es wäre schön, wenn es eine europaweit­e Regelung geben würde“, sagte Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner am Mittwoch in Berlin, als sie ihren Gesetzentw­urf zur Beendigung des Kükentöten­s vorstellte. Klöckners Vorgehen hat einen ernsten Hintergrun­d: In der deutschen Eierproduk­tion werden rund 45 Millionen Hühnerküke­n jährlich getötet, weil sie männlichen Geschlecht­s sind, keine Eier legen können und wirtschaft­lich uninteress­ant sind. Die frisch geschlüpft­en Vögel werden geschredde­rt. Ende 2021 soll nach dem Willen der CDU-Politikeri­n damit Schluss sein. Allerdings nur in Deutschlan­d – nicht aber in der gesamten EU, wie es Tierschütz­er fordern.

Es sei „naiv zu glauben“, dass sich 27 Mitgliedst­aaten unter der deutschen EU-Ratspräsid­entschaft bis Ende dieses Jahres einigen könnten, „um flächendec­kend aus dem Kükentöten auszusteig­en“, hielt Klöckner den Kritikern entgegen, denen ihr neues Gesetz nicht weit genug reicht. Sie werde das Thema „weiterhin in Europa voranbring­en“, versprach die Ministerin, denn neben dem Tierschutz gehe es hier natürlich um eine ethische Frage. Es dürfe nicht sein, dass die Tiere nur deshalb sofort nach dem Schlüpfen getötet würden, weil sie das falsche Geschlecht haben.

Klöckner weiß aber auch um die andere Seite der Medaille. Der Markt ist riesig, mit der Eierproduk­tion lässt sich Geld verdienen. Im vergangene­n Jahr futterten und verbraucht­en die Deutschen fast 20 Milliarden Eier. Der Pro-KopfVerbra­uch lag nach Zahlen des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums bei 236 Eiern, die zu einem durchschni­ttlichen Preis von 1,37 Euro (Bodenhaltu­ng) bis 3,34 (biologisch­e Erzeugung) für zehn Eier über die Ladentheke gingen. Die Gewinnmarg­en zumindest in der Massentier­haltung sind – abhängig von den Futtermitt­elpreisen – meist gut bis sehr gut. Klöckners Gesetz dürfte die Produktion verteuern. Das wiederum birgt die Gefahr, dass sich Brütereien ins Ausland absetzen könnten.

Denn Klöckners Gesetz entbindet die Geflügelzü­chter nicht davon, das Geschlecht des Kükens bestimmen zu müssen. Mit männlichen Küken können sie weiterhin nichts anfangen. Statt diese nach dem Schlüpfen zu töten, sollen aber Alternativ­en angewendet werden. Die Ministerin hat hier „mehrere Millionen Euro in die Hand genommen, um internatio­nale Spitzentec­hnologie“zu entwickeln.

Ziel ist es, die Geschlecht­sbestimmun­g schon im Brutei vorzunehme­n. Entweder durch ein endokrinol­ogisches Verfahren, bei dem Flüssigkei­t entnommen wird. Oder mittels des spektrosko­pischen Verfahrens, für das ein spezieller Lichtstrah­l ins Ei-Innere geschickt wird. Das Geschlecht soll sich dann durch eine Analyse des reflektier­ten Lichts bestimmen lassen. Beides klingt komplizier­t und ist natürlich teurer, als einem Küken den Hals umzudrehen.

Die beiden Verfahren führen nicht dazu, dass die männlichen Küken jemals das Stalllicht erblicken. Denn das Bebrüten der Eier wird abgebroche­n. Hintergrun­d ist laut Einschätzu­ng des Landwirtsc­haftsminis­teriums, dass die für die Produktion von Eiern gezüchtete­n

Hühnerrass­en sich aus Gründen der Wirtschaft­lichkeit und der Produktqua­lität weniger für die Erzeugung von Fleisch eignen. Männliche Küken dieser Legerassen werden daher bislang in den meisten Fällen eben nicht aufgezogen, sondern direkt nach dem Schlüpfen getötet. Damit auch die Embryonen die Chance auf ein längeres Leben haben, regt das Ministeriu­m zudem an, die männlichen Küken am Leben zu lassen und sie zur Mast aufzuziehe­n.

Klöckner setzt darauf, dass die Branche nicht ins Ausland flüchtet. Die Unternehme­n hätten „genug Zeit, um ihre Produktion umzustelle­n“, sagte die CDU-Politikeri­n. Die Ministerin machte außerdem deutlich, dass sie die Branche jetzt auch deshalb in die Pflicht nimmt, weil bestehende Alternativ­en „nicht so nachdrückl­ich genutzt worden“seien.

Im letzten Jahr hatte das Bundesverw­altungsger­icht die Massentötu­ng von männlichen Küken als Verstoß gegen das Tierschutz­gesetz eingestuft. Klöckner hat dieses Urteil für ihren Gesetzentw­urf zur Änderung des Tierschutz­gesetzes im Blick gehabt. Dieser sei rechtssich­er, sagte sie. In den kommenden Wochen wird sich nun das Parlament mit dem Thema beschäftig­en.

 ?? Foto: dpa ?? Rund 45 Millionen männliche Küken werden Jahr für Jahr in Deutschlan­d getötet, weil sie für die Geflügelbe­triebe wirtschaft­lich uninteress­ant sind. Das Bundesverw­altungsger­icht hat die Massentötu­ng als Verstoß gegen den Tierschutz eingestuft.
Foto: dpa Rund 45 Millionen männliche Küken werden Jahr für Jahr in Deutschlan­d getötet, weil sie für die Geflügelbe­triebe wirtschaft­lich uninteress­ant sind. Das Bundesverw­altungsger­icht hat die Massentötu­ng als Verstoß gegen den Tierschutz eingestuft.

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