Vergiftete Stimmung in Moskau
Der Kreml wirft der Bundesregierung Desinformation vor
Moskau Vor zwei Jahren hatte das russische Außenministerium schon einmal den deutschen Botschafter in Moskau zum Gespräch geladen. Eine Protestnote hatte Rüdiger von Fritsch, mittlerweile in Pension, damals bekommen, Diplomatenausweisungen folgten. Mit Géza Andreas von Geyr betrat an diesem Mittwoch zwar ein neuer Botschafter den Stalin’schen Koloss im Zuckerbäckerstil unweit der Moskwa. Der Anlass aber war der gleiche wie damals: Nowitschok.
In geheimen Laboren der Sowjetunion entwickelt, vergiftet der Nervenkampfstoff bis heute Menschen. Das jüngste Opfer ist der KremlKritiker Alexej Nawalny, der vor drei Wochen an Bord eines Flugzeuges von Sibirien nach Moskau zusammengebrochen war und mittlerweile in der Berliner Charité behandelt wird. Der Fall vergiftet auch die deutsch-russischen Beziehungen. Die Kanzlerin reagierte mit ihrer Forderung, Russland müsse den „Anschlag auf Nawalny aufklären“, so deutlich wie selten zuvor.
Außenminister Sergej Lawrow warf der Bundesregierung bei ihrer Kritik an Moskau einen „absolut inakzeptablen Ton“vor. Der „Patient“, wie der Kreml den Oppositionspolitiker nennt, um den Namen Nawalny nicht zu gebrauchen, so als gäbe es ohne Namen auch keinen Menschen und damit auch kein Problem, ist längst zu einem deutschen Fall geworden.
Der Kreml gibt sich empört. Berlin sei es, das bluffe, Berlin sei es, das einen „unkonstruktiven Ansatz“pflege und „bremse“. Moskau dagegen suche den Dialog, während Deutschland eine immer „hysterischer werdende Desinformationskampagne“fahre. Es sind bekannte Verhaltensmuster Russlands: Den Verdacht von sich ablenken und weiter das geliebte Narrativ pflegen, der Westen habe sich gegen Russland verschworen.
Hatten russische Ärzte nicht gesagt, weder in Nawalnys Blut noch in seinem Urin seien Spuren von Giften gefunden worden? Wie komme das Labor der deutschen Bundeswehr dazu zu behaupten, Nawalny sei „zweifellos“mit einem Stoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden? Dieser müsse ihm also auf dem Weg nach Deutschland verabreicht worden sein.
In Russland mag diese Art der Propaganda noch verfangen. Doch der Westen bleibt hart. „Wir müssen sie bei dem packen, was ihnen am wichtigsten ist: nämlich beim Geld, beim Geldverdienen. Dort muss Europa jetzt Flagge zeigen und das System Putin dann auch in die Knie zwingen“, sagte der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber. Und die Bundesregierung? Die ließ über eine Sprecherin ausrichten: „Wir bleiben dabei, an die russische Seite zu appellieren, Informationen zu liefern.“