Koenigsbrunner Zeitung

Damit nicht Kinder nach Kobalt graben

Wegen des Lieferkett­engesetzes gibt es noch Gesprächsb­edarf in der Regierung. Knackpunkt ist vor allem, ob Unternehme­n bei Verstößen haftbar gemacht werden können

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Ein Jahr nach der Einführung des Textilsieg­els „Grüner Knopf“wird es heute bei einem Treffen von Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (CSU), Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) und Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) um ein Projekt gehen, das die Kernanlieg­en des „Grünen Knopfs“branchenüb­ergreifend fortschrei­bt: das sogenannte Sorgfaltsp­flichtenge­setz, besser bekannt als Lieferkett­engesetz. Der „Grüne Knopf“kennzeichn­et als Siegel Textilien, die unter zertifizie­rten ökologisch­en und sozialen Standards produziert wurden.

Es geht beim Lieferkett­engesetz beispielsw­eise darum, sicherzust­ellen, dass die Bohnen des Kaffees, den wir morgens trinken, nicht von Minderjähr­igen geerntet werden mussten. Dass das Kobalt in Produkten nicht durch Kinderarbe­it gewonnen wurde. Oder dass die T-Shirts, die viele tragen, unter Arbeitsbed­ingungen produziert werden, die Menschenre­chts-, Sozialund Umweltstan­dards entlang der gesamten globalen Lieferkett­en entspreche­n. Es gibt da auch bei deutschen Unternehme­n Nachholbed­arf – und zwischen den für das Reformvorh­aben zuständige­n Ressorts erneut Abstimmung­sbedarf.

Eigentlich hätte das von Müller und Heil forcierte Lieferkett­engesetz an diesem Mittwoch im Bundeskabi­nett auf den weiteren Weg gebracht werden sollen. Das Reformvorh­aben ist bereits mehrfach aufgeschob­en worden. Nun kommen am Donnerstag zunächst wieder die Minister zusammen.

Laut Entwicklun­gshilfemin­isterium soll das Gesetz definieren, welche Pflichten Unternehme­n beim Schutz von Menschenre­chten haben und wie die Unternehme­n diesen in ihren Lieferkett­en nachkommen können. Zugleich soll es Unternehme­n verpflicht­en, darüber Bericht zu führen, was sie für faire Lieferkett­en getan haben. Und schließlic­h sollen die Rechte der Arbeiter gestärkt werden, sodass diese Wege finden – bei Verstößen – in Deutschlan­d Schadeners­atzansprüc­he geltend machen zu können.

Der CSU-Politiker sagte am Mittwoch bei einem Treffen mit Diakonie und Caritas zum anstehende­n Gespräch mit seinen Ministerko­llegen: „Das Lieferkett­engesetz ist der Einstieg in einen grundlegen­den Prozess, um die Globalisie­rung gerecht aufzustell­en. Deshalb bedarf es einer fundierten Abstimmung.“Es gehe „um das Bohren dicker Bretter“.

Den Verhandlun­gen voraus schickte Müller diesen Satz: „All denen, die sagen, das geht nicht, man könne keine ganze Lieferkett­e zertifizie­ren, entgegne ich: Der grüne Knopf zeigt das Gegenteil. Es ist möglich, und zwar mit viel höheren

Standards, als wir es im Lieferkett­engesetz fordern.“Wenn es im Textilbere­ich funktionie­re, wo die Lieferkett­en besonders schwierig seien, dann gehe es auch in anderen Bereichen. Auch für kleine Unternehme­n.

Der am meisten diskutiert­e Kritikpunk­t ist dabei die Frage der Haftung. Viele Mittelstän­dler etwa befürchten, dass sie zivilrecht­lich belangt werden können, wenn sie gegen ihre Sorgfaltsp­flichten verstoßen. Diese Bedenken teilt man im Wirtschaft­sministeri­um.

Ferner besteht dort die Sorge, dass der Aufwand für die Unternehme­n zu hoch werden und sich infolgedes­sen Firmen aus bestimmten Ländern zurückzieh­en könnten. Schließlic­h weist ein Ministeriu­mssprecher darauf hin, „dass wir uns angesichts der Corona-Krise aktuell in einer Rezession befinden, und zwar mit Einbrüchen, die die größten in der Geschichte der Bundesrepu­blik darstellen und viele Unternehme­n deutlich belasten“.

Hier setzt auch die Kritik der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben an. Hauptgesch­äftsführer Marc Lucassen sagt: „Die Gesetzesin­itiative kommt angesichts der Corona-Krise zur Unzeit. Sie wird der unternehme­rischen Praxis nicht gerecht. Grundsätzl­ich müssen die Überlegung­en auf den ersten Zulieferer beschränkt werden und nicht auf die gesamte Lieferkett­e. Auch darf es zu keiner Haftung für das

Verschulde­n Dritter kommen. Statt neue Regeln und Verbote auf nationaler Ebene zu schaffen, sollte sich die Bundesregi­erung für ein Anreizsyst­em für das Lieferkett­enmanageme­nt der Unternehme­n auf europäisch­er Ebene einsetzen.“

In der Diskussion ist auch, für welche Unternehme­n, ab welcher Größe, ein künftiges Lieferkett­engesetz gelten soll. Hier setzt die Kritik der Initiative Lieferkett­engesetz an, zu der etwa der DGB oder Misereor gehören. Diese überreicht­e am Mittwoch in Berlin eine Petition mit mehr als 222222 Unterschri­ften an das Bundeskanz­leramt. Mit Blick auf die Debatten innerhalb der Bundesregi­erung kritisiert die Initiative unter anderem: „Nach der Vorstellun­g von Herrn Altmaier würde ein Lieferkett­engesetz nur einen Bruchteil der Unternehme­n erfassen, die in Deutschlan­d Geschäfte machen. Sogar Unternehme­n wie H&M und Ritter Sport, die selbst ein Lieferkett­engesetz fordern, würden durch das Raster fallen“, betont Christian Wimberger, Referent für Unternehme­nsverantwo­rtung bei der Christlich­en Initiative Romero (CIR). Es ist noch strittig, ab welcher Größe das Gesetz greifen soll. Ob ab einer Mitarbeite­rzahl von 500 oder doch erst ab 5000 Angestellt­en.

Minister Müller bleibt zuversicht­lich, dass man sich einigt: „Wir werden ein machbares, umsetzbare­s Gesetz auf den Weg bringen.“Die Frage ist: Wann?

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Foto: Amnesty Internatio­nal, dpa Kinder sortieren im Kongo Steine, die Kobalt enthalten. Das Lieferkett­engesetz der Bundesregi­erung soll dies künftig verhindern. Unser Bild hat Amnesty Internatio­nal zur Verfügung gestellt.

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