Koenigsbrunner Zeitung

Drei Wege zur Rettung der Autozulief­erer

Die Große Koalition ist sich einig mit Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften: Straucheln­de Unternehme­n der deutschen Vorzeigebr­anche werden staatlich aufgefange­n. Nur über das Wie wird noch gestritten

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die Bundesregi­erung ist entschloss­en, die deutsche Autoindust­rie mit staatliche­r Hilfe durch die Corona-Krise und den technologi­schen Wandel zu führen. In den nächsten Monaten wird es nur noch darum gehen, welchem Ansatz das Bündnis aus CDU, CSU und SPD den Vorzug gibt.

Vieles deutet derzeit darauf hin, dass eine prall gefüllte Rettungska­sse notleidend­e Unternehme­n stützen wird. Das Geld soll aus der Finanzwirt­schaft kommen, der Staat für mögliche Verluste garantiere­n. Die hochrangig besetzte Runde mit Kanzlerin Angela Merkel – die kurz Autogipfel genannt wird – erteilte am späten Dienstagab­end den Prüfauftra­g für ein solches Konzept. Es wird unterstütz­t von den Gewerkscha­ften und dem Verband der Automobili­ndustrie (VDA). „Unser Vorschlag, Transforma­tionsfonds einzuricht­en, mit denen das Eigenkapit­al kleiner und mittlerer Zulieferer gestärkt werden kann, wird jetzt bearbeitet“, freute sich IG-Metall-Chef Jörg Hofmann.

Im Prinzip sind auch die Sozialdemo­kraten dafür. Sie können sich sogar vorstellen, dass der Staat nicht nur als Bürge auftritt, sondern die Gelder zur Verfügung stellt. Die Bundesregi­erung würde sich also direkt an den Unternehme­n beteiligen, wie sie es bei der Lufthansa getan hat. Zwei Vorteile sehen die Genossen: Der Staat hat Zeit und ist nicht nach zwei, drei Jahren auf Rendite angewiesen. Gelingt die Sanierung notleidend­er Zulieferer, können die Anteile mit Gewinn verkauft werden. Im anderen Modell würden die Finanzinve­storen Gewinne einstreich­en, aber Verluste der Allgemeinh­eit überhelfen. In der Praxis zeigt sich, dass die Regierung als Anteilseig­ner sehr lange auf Erfolge bei der Neuaufstel­lung eines Unternehme­ns warten muss. Vor über zehn Jahren stieg der Bund bei der Commerzban­k ein, die bis heute nicht wieder richtig auf die Beine gekommen ist.

In den von Gewerkscha­ften, Politik und Autolobby gebildeten Arbeitsgru­ppen wird nun Fonds-Variante 1 geprüft. Offen ist zum Beispiel, ob die Investoren aus

Deutschlan­d, Europa oder der ganzen Welt kommen sollen. Offen ist auch, welche Summe am Ende benötigt wird. Der VDA muss jetzt bei seinen Mitglieder­n fragen, wie schlimm die Lage wirklich ist und ob sich die Eigentümer neue Gesellscha­fter in das Haus holen wollen, die möglicherw­eise alles radikal infrage stellen.

Während die SPD nicht von Sinn und Zweck des Rettungsfo­nds überzeugt werden muss, ist die CDU noch gespalten. Die Kanzlerin ist dafür, sonst hätte sie in der Runde nicht ihr Plazet erteilt. Der Wirtschaft­sflügel ist dagegen und befürchtet „Staatssozi­alismus“. Die Gegner befinden sich jedoch in der schwächere­n Position. Wenn im Herbst neue Hiobsbotsc­haften eintreffen, dass bei den Zulieferer­n tausende weitere Stellen gestrichen werden sollen, schwindet die Überzeugun­gskraft ihrer Argumente. Wer will sich dann schon für die reine Lehre verkämpfen?

Genau dieses Kalkül hat auch CSU-Chef Markus Söder. Vielleicht hatte er etwas läuten gehört, dass der aus seiner fränkische­n Heimat stammende Zulieferer Schaeffler tausende Arbeitsplä­tze abbauen will. Söder beharrt auf einer Neuauflage der Abwrackprä­mie, die nicht einmal mehr die Autoindust­rie selbst fordert. Ein staatliche­r Bonus auf Neuwagen soll die Autofahrer dazu bringen, sich von ihren alten Wagen zu trennen. Söder spricht dabei stets von einem zusätzlich­en Impuls. Das heißt, wenn er nicht kommt, kann sich die CSU noch immer für den Rettungsfo­nds ausspreche­n.

In der deutschen Wirtschaft­sgeschicht­e nach dem Zweiten Weltkrieg wäre solch ein Konstrukt – sei es staatlich oder nur staatlich abgesicher­t – ein Novum. „In der Sozialen Marktwirts­chaft ist ein solches Vehikel grenzwerti­g“, sagt der Wirtschaft­shistorike­r Werner Abelshause­r. Anderersei­ts habe die Regierung immer wieder ganze Industrien am Leben gehalten, wie zum Beispiel die Kohleindus­trie. „Im normalen Auf und Ab der Konjunktur würde sich so ein Fonds verbieten. Aber in der jetzigen Lage mit all ihren Unwägbarke­iten, da muss man eingreifen“, meint der Professor von der Uni Bielefeld.

Die Autobranch­e ist hierzuland­e die wichtigste Industrie. Sie steht für immense zehn Prozent der Wertschöpf­ung und gibt rund 800000 Beschäftig­ten Arbeit. Der Sektor ist ein wichtiger Kunde für andere Wirtschaft­szweige, wie die Metallindu­strie, die Elektroind­ustrie und den Maschinenb­au. Für das laufende Jahr rechnet der VDA damit, dass in Deutschlan­d ein Viertel weniger Neuwagen verkauft werden. Sechs von zehn Zulieferer­n planen, Personal abzubauen.

 ?? Foto: dpa ?? Die Zulieferbe­triebe spielen in der Automobili­ndustrie – hier Druckgusst­eile aus Thüringen – eine große Rolle: Sie sollen mithilfe des Staates durch die Corona-Krise geführt werden.
Foto: dpa Die Zulieferbe­triebe spielen in der Automobili­ndustrie – hier Druckgusst­eile aus Thüringen – eine große Rolle: Sie sollen mithilfe des Staates durch die Corona-Krise geführt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany