Koenigsbrunner Zeitung

Türsteher als Corona-Tester

In Testzentre­n wird offenbar auch Personal ohne medizinisc­he Qualifikat­ion eingesetzt. Die Rede ist von „katastroph­alen Zuständen“. Insider befürchten schwerwieg­ende Konsequenz­en

- VON MAX KRAMER

München Sind Sie freundlich und offen? Arbeiten Sie gewissenha­ft? Haben Sie keine Berührungs­ängste und sprechen gut Deutsch? Ja? Dann erfüllen Sie laut einem von vielen Online-Stellenang­eboten alle Anforderun­gen, um in einem bayerische­n Corona-Testzentru­m zu arbeiten. Medizinisc­he Vorkenntni­sse sind erwünscht, das schon. Zwingend erforderli­ch scheinen sie aber nicht zu sein, zumindest nicht immer. Medienund Insiderber­ichte deuten darauf hin, dass viele Mitarbeite­r in den Testzentre­n kein jahrelang geschultes Fachperson­al sind, sondern von Berufs wegen Türsteher, Bühnentech­niker oder Studenten.

Dass es schwierig würde, ausreichen­d qualifizie­rtes Personal für Teststatio­nen zu finden, davor hatte das Bayerische Rote Kreuz bereits zu Beginn der Massentest­s und noch vor der Übergabe an private Unternehme­n gewarnt. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) verlangt in seinen Vergabeunt­erlagen als Mindestanf­orderung nur, die Mitarbeite­r müssten von einem Arzt geschult werden. Art und Dauer einer solchen Schulung lässt das LGL offen.

Gegenüber der Süddeutsch­en Zeitung berichtet eine Person mit Einin die Abläufe am Münchener Flughafen von „katastroph­alen Zuständen“. Die Schulung dauere „gute zehn Minuten“, danach dürften die neuen Mitarbeite­r Daten erheben, aber auch Abstriche machen. Überforder­te Neulinge müssten teils ganze Flugzeuge mit Abstrichen versorgen, mit den Stäbchen würde danach „herumgefuc­htelt“.

Abläufe in den bayerische­n Testzentre­n stehen schon länger in der Kritik. Über 40 000 Reiserückk­ehrer warteten Anfang August tagelang vergeblich auf ein Ergebnis, 900 von ihnen waren positiv getestet. In der vergangene­n Woche wurde bekannt, dass weitere 10000 Ergebnisse, vorwiegend von Flughäfen, zu spät übermittel­t wurden. Jetzt gibt es – auch aus den Reihen von Landräten und Hilfsorgan­isationen – immer mehr Anzeichen für eine mangelnde Ausbildung der Mitarbeite­r.

Ein Experte einer Hilfsorgan­isation, der namentlich nicht genannt werden möchte, zeigt sich besorgt. Er erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Ein aussagekrä­ftiger Abstrich erfordert handwerkli­ches Geschick und eine medizinisc­he Ausbildung, die über einen Erste-HilfeKurs weit hinausgeht. Wenn beides nicht gegeben ist, bezweifle ich die Qualität der Tests.“Eine kurze Schulung reiche nicht. Zuverlässi­ge

Abstriche würden bei den Getesteten normalerwe­ise einen Würgereiz auslösen. „Mitarbeite­r ohne Praxis schrecken davor aber oft zurück, weil sie sich der Konsequenz­en ihres Handelns nicht bewusst sind. So kann es schnell zu falsch negativen Testergebn­issen kommen.“

Ein weiteres Problem sei, dass sich Mitarbeite­r in den Teststatio­nen auch leichter selbst ansteckten. „Selbst Vollprofis können sich nicht immer hundertpro­zentig schützen. Die Gefahr ist bei jemandem, der zum ersten Mal in einen Schutzanzu­g schlüpft, deutlich größer.“Mitte August war bekannt geworden, dass sich ein Mitarbeite­r der Teststatio­n an der A3 bei Passau infiziert hatte. Wo und wie, ist unklar.

Wie viele ungelernte Quereinste­iger in den Testzentre­n arbeiten, dazu halten sich die Betreiberf­irmen und das LGL bedeckt. Ecolog, für Tests an den Flughäfen zuständig, erklärt auf Anfrage lediglich, man verfolge einen profession­ellen Rekrutieru­ngsprozess und wähle Mitarbeite­r „auf Grundlage spezifisch­er Anforderun­gsprofile aus“. Mitarbeite­r, die Proben entnehmen, würden von eiblick nem Arzt vor Ort geschult und dann unter ärztlicher Leitung arbeiten. Wie und wie lange die Mitarbeite­r geschult werden, ließ Ecolog offen. Die Firma, die Teststatio­nen an Raststätte­n und Bahnhöfen betreibt, Eurofins, gibt keine näheren Auskünfte zur Situation an den Teststatio­nen und verweist an das LGL.

Dort weist man jede Verantwort­ung von sich. Die Betreiber seien dazu verpflicht­et, ausreichen­d Ärzte „und fachkundig­es bzw. durch einen Arzt eingewiese­nes Personal“für die Abnahme einzusetze­n. Auch für die Einhaltung der arbeitsrec­htlichen Vorgaben seien die Betreiber zuständig. Die Verantwort­ung für die korrekte Durchführu­ng des Abstrichs liege bei der ärztlichen Fachaufsic­ht vor Ort. Jedoch, schränkt das LGL ein: „Grundsätzl­ich kann bei Abstrichen für Sars-CoV-2 Untersuchu­ngen nie ausgeschlo­ssen werden, dass die Qualität des Abstriches für eine Laborunter­suchung unzureiche­nd ist.“Dies gelte auch, wenn Ärzte diesen durchführt­en. Die bisherigen, unangekünd­igten Kontrollen der Testzentre­n haben nach LGL-Angaben keine Auffälligk­eiten ergeben. Wie intensiv Mitarbeite­r dort geschult werden? „Details zu den Schulungen der Mitarbeite­nden seitens des zuständige­n Betreibers wären dort einzuholen.“

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Mund auf, Stäbchen rein, fertig ist der Corona-Test? Ganz so einfach ist es nicht. Damit sie zuverlässi­ge Abstriche nehmen können, müssen die Mitarbeite­r in den Testzentre­n geschult werden. Nun mehren sich die Zweifel daran, dass dies immer in ausreichen­dem Maß geschieht.
Foto: Sven Hoppe, dpa Mund auf, Stäbchen rein, fertig ist der Corona-Test? Ganz so einfach ist es nicht. Damit sie zuverlässi­ge Abstriche nehmen können, müssen die Mitarbeite­r in den Testzentre­n geschult werden. Nun mehren sich die Zweifel daran, dass dies immer in ausreichen­dem Maß geschieht.

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