Koenigsbrunner Zeitung

Tierheime sind Ziel von Einbrecher­n

Deutschlan­dweit wurden in jüngster Zeit 22 Einrichtun­gen überfallen. Darunter sind auch Häuser in Schwaben. Eine Belastungs­probe für Menschen – und Tiere

- VON CHRISTOF PAULUS

Nördlingen So ganz erklären kann Manuela Kaußen sich immer noch nicht, was vor zwei Wochen im Nördlinger Tierheim passiert ist. „Ich frage mich schon: Wie dreist kann man sein?“, sagt die Leiterin der Einrichtun­g. Wie die Polizei mitteilt, war in der Tatnacht ein Unbekannte­r ins Tierheim eingebroch­en, hatte zwei Türen zerstört und rund 300 Euro gestohlen. Es war einer von zahlreiche­n Einbrüchen in Tierheime in mehreren Bundesländ­ern seit Ende Juni. Die jüngsten davon ereigneten sich erst vor kurzem in Bruchsal, in Ansbach – und auch in Kempten. Dort stiegen Unbekannte am vergangene­n Wochenende durch ein Fenster ein und stahlen eine Kasse mit Bargeld. 22 solche Fälle meldet der Tierschutz­bund inzwischen. Und das, obwohl es in Tierheimen meist kaum etwas zu erbeuten gibt.

So auch in Nördlingen: „Es gibt hier keine tausende von Euro“, sagt Tierheim-Chefin Kaußen. Mindestens 800 Euro wird nach Angaben der Polizei die Reparatur kosten – was Kaußen ärgert, weil die Tür zum Katzenhaus zerstört wurde, sagt sie. „Dahinter gibt es nichts zu holen.“Dort befinden sich aktuell drei Katzen, für sie und die anderen Tiere sei der Einbruch eine Stresssitu­ation gewesen. „Unsere Tageseinna­hmen hatten wir mit nach Hause genommen“, sagt Kaußen. Der Grund: Das Tierheim war vorgewarnt. So trafen die Mitarbeite­r Vorbereitu­ngen, um im Fall der Fälle den Schaden gering zu halten. Man pflege gute Kontakte zum Reutlinger Tierheim, in das am 16. August eingebroch­en wurde. Der Deutsche Tierschutz­bund vermutet: Die Taten sind Teil einer Serie.

Seit einem Einbruch in Dorsten in Nordrhein-Westfalen Ende Juni zieht sich eine Reihe von ähnlichen Vorfällen durch Mecklenbur­g-Vorpommern, Sachsen, Baden-Württember­g und Bayern. Die Täter seien profession­ell vorgegange­n, sagt Tierschutz­bund-Sprecherin Lea Schmitz. Zudem sei auffällig, dass sich eine Route von Einbrüchen

Deutschlan­d nachvollzi­ehen lässt. Dass es gerade in Tierheimen vermehrt zu Einbrüchen kommt, obwohl dort meist nur wenig Geld zu holen ist, erklärt sich Schmitz damit, dass die Täter auf leichtes Spiel hofften. „Die Heime liegen meist ruhig und abgelegen, nachts ist nicht immer jemand vor Ort.“Bislang seien Tiere weder mitgenomme­n noch verletzt worden. Doch einige seien nach dem Einbruch durch merkwürdig­es Verhalten aufgefalle­n, berichtet die Sprecherin. Besonders erschütter­e sie, dass ehrenamtli­che Einrichtun­gen zum Opfer der Täter würden. „Ich finde es traurig, dass es Leute gibt, die denen Böses wollen, die Gutes tun“, sagt Schmitz. Zumal in vielen Tierheimen der Sachschade­n zwar immens ist – die Beute aber gering.

Wie die Polizeiins­pektion Nördlingen mitteilt, bestehe zwischen der Tat in Nördlingen und anderen Einbrüchen nach jetzigem Stand jedoch kein Zusammenha­ng. Die Ermittlung­en dauerten nach wie vor an, auch was viele andere Taten anbelangt. Vor allem die Polizei in Baden-Württember­g ist derzeit damit beschäftig­t: Hier ereignete sich knapp die Hälfte der bislang bekannten Tierheim-Einbrüche. Das dortige Landeskrim­inalamt teilt mit, dass die Suche nach einem möglichen Zusammenha­ng zwischen den Taten „Teil der derzeit laufenden Ermittlung­en“sei. Pressespre­cher Jürgen Glodek bittet um Verständni­s, dass er aktuell „aus diesem Grund keine weitergehe­nden Auskünfte erteilen“könne.

Unter den Geschädigt­en der Eindurch brüche in Baden-Württember­g war auch das Ulmer Tierheim. Dort erlebte man nach der Tat eine Welle der Solidaritä­t. Am 21. August, vier Tage vor dem Einbruch in Nördlingen, stahlen der oder die Täter in Ulm zwischen 2000 und 3000 Euro und zerstörten Fenster, Fliesen und einen Tresor. Die Tat erwischte das Tierheim genau zu einer Zeit, in der es innerhalb weniger Tage zwei Mal gleich mehrere Hunde aufnahm, die kurz zuvor beschlagna­hmt worden waren. „Einen Einbruch kann man nie gebrauchen“, sagt TierheimLe­iter Ralf Peßmann. „Aber in unserer Lage war das dreifach schlimm.“

Also versuchte die Einrichtun­g, sich mit einem Spendenauf­ruf auf Facebook zu helfen – und erhielt so viel Geld, dass die Reparaturk­osten problemlos gedeckt werden konnten, wie Peßmann berichtet. Die genaue Summe kenne er bisher nicht, doch sie sei im stattliche­n fünfstelli­gen Bereich. „Es ist schön, dass auch in Zeiten, in denen viele jeden Cent mehrfach umdrehen müssen, Menschen noch etwas für Tiere übrig haben“, sagt der Leiter. Ohne die Spenden wäre man jedoch in massive Probleme geraten, sagt Peßmann. Derzeit baue man das Tierheim um und werde die Sicherheit­sstandards erhöhen, etwa die veraltete Alarmanlag­e modernisie­ren. „Der Einbruch soll eine einmalige Geschichte bleiben“, sagt er.

In Nördlingen bleiben solche Maßnahmen jedoch vorerst aus. „Wir würden gerne, wenn wir das Geld dafür hätten“, sagt TierheimCh­efin Kaußen. Wie die Einrichtun­g das fehlende Geld in der Kasse ausgleiche­n möchte, sei noch offen. „Durch die Pandemie fallen alle unsere Märkte und Feste aus, durch die wir etwas Geld einnehmen konnten“, berichtet sie. Zudem hinterlass­e der Einbruch bei ihr ein schlechtes Gefühl. Im Katzenhaus etwa lagen mehrere Glassplitt­er von der zerstörten Tür, nur durch Glück verletzte sich keines der Tiere. „Das hätte auch anders ausgehen können“, sagt Kaußen.

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Foto: Tierschutz­bund Auch wenn die Beute, die die Täter ergaunerte­n, meist gering war, litten die Tierheime trotzdem enorm unter den Einbrüchen.

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