Tierheime sind Ziel von Einbrechern
Deutschlandweit wurden in jüngster Zeit 22 Einrichtungen überfallen. Darunter sind auch Häuser in Schwaben. Eine Belastungsprobe für Menschen – und Tiere
Nördlingen So ganz erklären kann Manuela Kaußen sich immer noch nicht, was vor zwei Wochen im Nördlinger Tierheim passiert ist. „Ich frage mich schon: Wie dreist kann man sein?“, sagt die Leiterin der Einrichtung. Wie die Polizei mitteilt, war in der Tatnacht ein Unbekannter ins Tierheim eingebrochen, hatte zwei Türen zerstört und rund 300 Euro gestohlen. Es war einer von zahlreichen Einbrüchen in Tierheime in mehreren Bundesländern seit Ende Juni. Die jüngsten davon ereigneten sich erst vor kurzem in Bruchsal, in Ansbach – und auch in Kempten. Dort stiegen Unbekannte am vergangenen Wochenende durch ein Fenster ein und stahlen eine Kasse mit Bargeld. 22 solche Fälle meldet der Tierschutzbund inzwischen. Und das, obwohl es in Tierheimen meist kaum etwas zu erbeuten gibt.
So auch in Nördlingen: „Es gibt hier keine tausende von Euro“, sagt Tierheim-Chefin Kaußen. Mindestens 800 Euro wird nach Angaben der Polizei die Reparatur kosten – was Kaußen ärgert, weil die Tür zum Katzenhaus zerstört wurde, sagt sie. „Dahinter gibt es nichts zu holen.“Dort befinden sich aktuell drei Katzen, für sie und die anderen Tiere sei der Einbruch eine Stresssituation gewesen. „Unsere Tageseinnahmen hatten wir mit nach Hause genommen“, sagt Kaußen. Der Grund: Das Tierheim war vorgewarnt. So trafen die Mitarbeiter Vorbereitungen, um im Fall der Fälle den Schaden gering zu halten. Man pflege gute Kontakte zum Reutlinger Tierheim, in das am 16. August eingebrochen wurde. Der Deutsche Tierschutzbund vermutet: Die Taten sind Teil einer Serie.
Seit einem Einbruch in Dorsten in Nordrhein-Westfalen Ende Juni zieht sich eine Reihe von ähnlichen Vorfällen durch Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern. Die Täter seien professionell vorgegangen, sagt Tierschutzbund-Sprecherin Lea Schmitz. Zudem sei auffällig, dass sich eine Route von Einbrüchen
Deutschland nachvollziehen lässt. Dass es gerade in Tierheimen vermehrt zu Einbrüchen kommt, obwohl dort meist nur wenig Geld zu holen ist, erklärt sich Schmitz damit, dass die Täter auf leichtes Spiel hofften. „Die Heime liegen meist ruhig und abgelegen, nachts ist nicht immer jemand vor Ort.“Bislang seien Tiere weder mitgenommen noch verletzt worden. Doch einige seien nach dem Einbruch durch merkwürdiges Verhalten aufgefallen, berichtet die Sprecherin. Besonders erschüttere sie, dass ehrenamtliche Einrichtungen zum Opfer der Täter würden. „Ich finde es traurig, dass es Leute gibt, die denen Böses wollen, die Gutes tun“, sagt Schmitz. Zumal in vielen Tierheimen der Sachschaden zwar immens ist – die Beute aber gering.
Wie die Polizeiinspektion Nördlingen mitteilt, bestehe zwischen der Tat in Nördlingen und anderen Einbrüchen nach jetzigem Stand jedoch kein Zusammenhang. Die Ermittlungen dauerten nach wie vor an, auch was viele andere Taten anbelangt. Vor allem die Polizei in Baden-Württemberg ist derzeit damit beschäftigt: Hier ereignete sich knapp die Hälfte der bislang bekannten Tierheim-Einbrüche. Das dortige Landeskriminalamt teilt mit, dass die Suche nach einem möglichen Zusammenhang zwischen den Taten „Teil der derzeit laufenden Ermittlungen“sei. Pressesprecher Jürgen Glodek bittet um Verständnis, dass er aktuell „aus diesem Grund keine weitergehenden Auskünfte erteilen“könne.
Unter den Geschädigten der Eindurch brüche in Baden-Württemberg war auch das Ulmer Tierheim. Dort erlebte man nach der Tat eine Welle der Solidarität. Am 21. August, vier Tage vor dem Einbruch in Nördlingen, stahlen der oder die Täter in Ulm zwischen 2000 und 3000 Euro und zerstörten Fenster, Fliesen und einen Tresor. Die Tat erwischte das Tierheim genau zu einer Zeit, in der es innerhalb weniger Tage zwei Mal gleich mehrere Hunde aufnahm, die kurz zuvor beschlagnahmt worden waren. „Einen Einbruch kann man nie gebrauchen“, sagt TierheimLeiter Ralf Peßmann. „Aber in unserer Lage war das dreifach schlimm.“
Also versuchte die Einrichtung, sich mit einem Spendenaufruf auf Facebook zu helfen – und erhielt so viel Geld, dass die Reparaturkosten problemlos gedeckt werden konnten, wie Peßmann berichtet. Die genaue Summe kenne er bisher nicht, doch sie sei im stattlichen fünfstelligen Bereich. „Es ist schön, dass auch in Zeiten, in denen viele jeden Cent mehrfach umdrehen müssen, Menschen noch etwas für Tiere übrig haben“, sagt der Leiter. Ohne die Spenden wäre man jedoch in massive Probleme geraten, sagt Peßmann. Derzeit baue man das Tierheim um und werde die Sicherheitsstandards erhöhen, etwa die veraltete Alarmanlage modernisieren. „Der Einbruch soll eine einmalige Geschichte bleiben“, sagt er.
In Nördlingen bleiben solche Maßnahmen jedoch vorerst aus. „Wir würden gerne, wenn wir das Geld dafür hätten“, sagt TierheimChefin Kaußen. Wie die Einrichtung das fehlende Geld in der Kasse ausgleichen möchte, sei noch offen. „Durch die Pandemie fallen alle unsere Märkte und Feste aus, durch die wir etwas Geld einnehmen konnten“, berichtet sie. Zudem hinterlasse der Einbruch bei ihr ein schlechtes Gefühl. Im Katzenhaus etwa lagen mehrere Glassplitter von der zerstörten Tür, nur durch Glück verletzte sich keines der Tiere. „Das hätte auch anders ausgehen können“, sagt Kaußen.