Koenigsbrunner Zeitung

Sie spüren vermisste Kinder auf

Deutschlan­dweit engagieren sich Rettungshu­ndeführer, um Personen aufzuspüre­n – so auch in Landsberg. Die ehrenamtli­chen Helfer investiere­n viel. Ihr größter Lohn: die Dankbarkei­t der Angehörige­n

- VON TOM TRILGES

Landsberg Wenn Eltern um ihre vermissten Kinder bangen oder Angehörige sich um verschwund­ene Senioren sorgen, dann sind sie da. Sie arbeiten zu zweit und müssen sich hundertpro­zentig aufeinande­r verlassen – Rettungshu­ndeführer und ihre Vierbeiner. Auf ihnen ruht oft die letzte Hoffnung, Personen lebend zu finden. Dahinter steckt viel Arbeit und ausschließ­lich ehrenamtli­ches Engagement.

„Die Anforderun­gen sind hoch, schließlic­h geht es um Menschenle­ben. Und da hört der Spaß auf“, sagt Gregor Adam. Er ist seit 18 Jahren Mitglied der Rettungshu­ndestaffel in Landsberg. Er nimmt auch deutschlan­dweit Prüfungen ab. Zwei Jahre dauert es ungefähr, bis Hund und Hundeführe­r so gut trainiert sind, dass sie ihre Prüfung ablegen und auf Einsätze gehen können. Besonders geeignet sind Arbeitshun­de. Dazu zählen unter anderem Schäferhun­de, Border Collies oder der Australian Shepherd. Sie sind meist mittelgroß, intelligen­t, kooperativ und wachsam. Außerdem haben sie einen starken Bewegungsd­rang.

Frühestens mit 16 Monaten dürfen Hunde die erste Prüfung ablegen, spätestens im siebten Lebensjahr. Bestehen die Teams aus Mensch und Tier, müssen sie ihre

Qualifikat­ion alle 24 Monate wieder nachweisen. In „Rente“gehen Rettungshu­nde mit etwa zehn bis elf Jahren – abhängig von ihrem körperlich­en Zustand. Danach ist es wichtig, sie weiter zu bewegen und sich mit ihnen zu beschäftig­en, da die Tiere dies nach vielen Jahren so gewohnt sind.

Das perfekte Zusammensp­iel zwischen Führer und Hund könne Leben retten und sei zwingend nötig, sagt Gregor Adam: „80 Prozent der Zeit im Einsatz sucht mein Hund ohne, dass ich ihn sehe. Ich muss darauf vertrauen, dass er das tut, was er soll.“Doch was genau soll er denn tun? Das kommt darauf an, ob er ein sogenannte­r „Mantrailer“(Personensp­ürhund) oder ein „Flächenhun­d“ist. Erstere können Menschen nach deren Geruch aufspüren. Riechen sie beispielsw­eise an der Socke eines Kindes, können sie dieses finden. Sie laufen an der Leine mit ihrem Hundeführe­r. „Ihr Vorteil ist, dass sie genau wissen, wonach sie suchen. Der Nachteil, dass sie langsamer sind, weil sie nicht einfach ein Gebiet abgrasen, sondern an jeder Gabelung oder Kreuzung versuchen, den gesuchten Geruch zu finden“, erklärt Adam.

In der Landsberge­r Hundestaff­el, die aus 18 Hundeführe­rn und 15

Hunden besteht, gibt es ausschließ­lich Flächenhun­de, sogenannte Hochwindsu­cher. Sie suchen ohne Leine ein Gebiet ab. „In der Prüfung sind 30000 Quadratmet­er innerhalb von 20 Minuten gefordert. Im Einsatz schaffen gute Hunde um die 100000 Quadratmet­er in einer Stunde“, sagt Adam. Eine Fläche von 100 x 1000 Metern schafft ein Hund also binnen 60 Minuten. Gregor Adam meint: „Und wenn da eine vermisste Person liegt, dann finden wir sie auch zu 95 Prozent.“

Jede Woche treffen sich die Mitglieder der Landsberge­r Hundestaff­el zweimal zum Training unter der Leitung von Melanie Hieber-Siefener, Gregor Adam und Gregor

Frau Claudia Adam. Die Hundeführe­r kommen aus der ganzen Region – von Augsburg über Weilheim bis nach Kaufbeuren. Dort sind die Adams zu Hause, deren Tochter ebenfalls bei der Hundestaff­el ist. Neben den in der Prüfung geforderte­n Inhalten stehen im Sommer auch Einheiten unter erschwerte­n Bedingunge­n an. Dann suchen die Hunde in Trümmern nach Vermissten. Derzeit besitzt die Landsberge­r Hundestaff­el jedoch keinen Hund, der diesbezügl­ich im Einsatz ist. Acht Jahre lang war Gregor Adam auch im Ausland aktiv. „Die Johanniter, unsere Dachorgani­sation, haben diese Sparte vor drei Jahren gestrichen. Gäbe es sie noch, wäre es gut möglich, dass ich zuletzt nach den schweren Explosione­n in Beirut um Hilfe gebeten worden wäre“, sagt er.

Doch auch vor der eigenen Haustür ist genug zu tun. In diesem Jahr zählen die Landsberge­r bereits gut 20 Alarmierun­gen. „Wir sind von Donauwörth bis nach Lindau aktiv. Nicht immer ist es da angesichts der Entfernung­en sinnvoll, dass wir die Reise antreten“, berichtet Adam. Theoretisc­h erstreckt sich das Einsatzgeb­iet über das Allgäu und Schwaben bis nach Starnberg oder Weilheim-Schongau.

Die Entscheidu­ng, ob bei einer Suche Rettungshu­nde zum Einsatz kommen, trifft in aller Regel die PoAdams

● Wiederholu­ng und Auffrischu­ng Ist eine Prüfung bestanden, gilt die Qualifikat­ion für 24 Monate. Dann ist eine erneute Prüfung fällig. Bei Nichtbeste­hen gilt eine Sperrfrist von einem Monat bis zum nächsten Versuch. Teams dürfen sechs Mal probieren, die Prüfung zu schaffen, bevor sie dauerhaft gesperrt sind.

● Feste Teams Jeder Rettungshu­ndeführer darf nur mit seinem eigenen Rettungshu­nd auf Einsätze gehen. (tril) lizei. „Wir erleben da starke Unterschie­de. In manchen Orten bauen die Verantwort­lichen oft auf uns, anderswo hält man es fast nie für sinnvoll, dass wir ausrücken“, sagt Adam. Das liegt aus seiner Sicht daran, dass die betreffend­en Dienststel­len nicht wissen, was Rettungshu­nde leisten können: „Ein Hund ersetzt aus meiner Erfahrung heraus rund 30 Menschen im Einsatz.“

Zwei Gründe sind meist entscheide­nd dafür, dass jemand Rettungshu­ndeführer wird. „Ich habe mir vor 18 Jahren einen Border Collie zugelegt und wollte ihn beschäftig­en“, berichtet Gregor Adam über seine Anfänge. Mit der Zeit habe er gemerkt, dass das Bedürfnis, anderen zu helfen, immer größer wurde. „Ich hatte das Glück, zwei Menschen das Leben zu retten. Da weiß man dann, wofür man das macht.“Für Geld jedenfalls nicht: Alle Mitglieder der Hundestaff­el sind Ehrenamtle­r. Adam sagt: „Ähnlich wie Leute, die zur freiwillig­en Feuerwehr gehen, haben wir ein Helfersynd­rom. Denn es ist ein Hobby, das viel Zeit kostet. Außerdem weiß niemand, wann der nächste Einsatz kommt.“Dagegen können sich die Rettungshu­ndeführer großer Dankbarkei­t gewiss sein – der Dankbarkei­t von Angehörige­n, denen sie ihre Liebsten zurückbrin­gen.

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Foto: Tom Trilges Hat der Rettungshu­nd einen Vermissten gefunden, bellt er so lange, bis sein Hundeführe­r kommt. Dann beginnt die Versorgung der Person.

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