Koenigsbrunner Zeitung

Tiere ohne Vorwissen halten? In Deutschlan­d geht’s

Während andere Länder festlegen, welche Arten Privatpers­onen besitzen dürfen und welche Qualifikat­ion sie dafür benötigen, gibt es hierzuland­e kaum entspreche­nde Regeln. Der Tierschutz­bund kritisiert das scharf

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Augsburg Kobras im Wohnzimmer sind in Deutschlan­d genauso Realität wie das Aussetzen von Schildkröt­en. Tierheime sind voll mit Wildtieren, die verzweifel­te Besitzer bei ihnen abgeliefer­t haben. Da drängt sich der Eindruck auf, dass so mancher mit einer artgerecht­en Haltung reichlich überforder­t ist. Doch wie kann das sein? Prüft niemand, ob Tierbesitz­er überhaupt in der Lage sind, sich gut um ihr Haustier zu kümmern?

Tatsächlic­h ist in diesen Fällen kein sogenannte­r Sachkundeh­inweis notwendig. Diesen brauchen laut Paragraf 11 des Tierschutz­gesetzes nur „gewerbsmäß­ige Tierhalter“. Das sind Leute, die Tiere halten, um damit über längere Zeit Geld zu verdienen. Gemeint sind unter anderem Mitarbeite­r in Tierheimen, Betreiber von Hundepensi­onen, VerHierzul­ande mittler von Tieren aus dem Ausland oder Züchter. Sie müssen beim Veterinära­mt einen Nachweis erbringen, dass sie zum Umgang mit den Tieren in der Lage sind. Dieses fordert in der Regel ein Konzept, die Angabe der gehaltenen Tierart, die Anzahl der Tiere und einen Sachkunden­achweis – anerkannt werden zum Beispiel eine Berufsausb­ildung in dem Bereich, ein Fachgesprä­ch mit dem amtlichen Tierarzt oder eine von der obersten Landesbehö­rde als gleichwert­ig anerkannte Sachkundep­rüfung. Wer allerdings daheim Reptilien oder andere Wildtiere hält, braucht keinen Nachweis.

Das kritisiert der Deutsche Tierschutz­bund auf Anfrage der Augsburger Allgemeine­n scharf: „Ein Sachkunden­achweis, den alle interessie­rten Halter ablegen müssten, bevor sie sich eine neue Tierart anschaffen, würde bewirken, dass viele Heimtiere besser gehalten werden. Spontankäu­fe würden vermieden und langfristi­g käme es zu einer Entlastung der Tierheime.“

In Deutschlan­d darf man ohne Auflagen Wildtiere halten.

ist nur für wenige Arten und nur in einigen Bundesländ­ern eine Ausnahmege­nehmigung zur privaten Tierhaltun­g gefordert. Nach Meinung des Deutschen Tierschutz­bundes sind Exoten aber grundsätzl­ich nicht für eine private Haltung geeignet – eine Kobra im Wohnzimmer hält die Organisati­on also selbst bei entspreche­nder Sachkunde des Besitzers für unverantwo­rtbar. In Belgien und den Niederland­en ist anders als in Deutschlan­d auf „Positivlis­ten“festgelegt, welche Arten Privatpers­onen halten dürfen. Die Folgen der fehlenden Regelungen hierzuland­e: Tierheime können wegen der großen Zahl an abgegebene­n Tieren kaum noch eine artgerecht­e Haltung garantiere­n.

Als weiteres Beispiel, in dem ein Sachkunden­achweis dringend geboten sei, nennt der Tierschutz­bund Pferdestal­lbesitzer. Auch sie sind derzeit nicht verpflicht­et, ihre Eignung zu dokumentie­ren. Mängel bestünden ebenso im Zoofachhan­del: Es gibt in Deutschlan­d keine anerkannte Ausbildung in dem Bereich. Einzig die Erlaubnis der zuständige­n Behörde ist erforderli­ch. Für Verkaufspe­rsonal reicht es dazu aus, wenn im Betrieb selber eine Unterricht­ung stattfinde­t. Nur eine Person aus einem Geschäft muss ihr Wissen der Behörde nachweisen.

Erschweren­d kommt hinzu, dass den Veterinärä­mtern offenbar Ressourcen fehlen. Der Deutsche Tierschutz­bund teilt mit: „Aufgrund von Personalma­ngel und chronische­r Überlastun­g der Behörden können Kontrollen nicht immer flächendec­kend und in engen Zeitabstän­den stattfinde­n.“

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Foto: Arno Burgi, dpa

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