Koenigsbrunner Zeitung

Schon Kinder vor Invaliditä­t schützen

Gerade zum Schulstart stellen sich viele Eltern die Frage nach der Absicherun­g ihres Nachwuchse­s. Verbrauche­rschützer raten: Besser eine Police für krankheits­bedingte Schwerbehi­nderung als nur für Unfälle

- VON HANS PETER SEITEL

Augsburg Wegen der Corona-Ansteckung­sgefahr schicken etliche Eltern ihre Kinder nur mit großer Sorge in die Schule. Was viele nicht wissen: Es gibt eine Versicheru­ng, die den Nachwuchs gegen Risiken von Erkrankung­en mit möglichen schlimmen Spätschäde­n finanziell absichert: die Kinder-Invaliditä­tsversiche­rung (KIV). Interessan­t dabei ist: Verbrauche­rschützer empfehlen diesen Schutz seit eh und je. Aber die wenigsten Familien haben eine KIV – oder wissen überhaupt von ihr. Viel bekannter ist und häufiger abgeschlos­sen wird eine Kinder-Unfallvers­icherung, die aber keine Krankheits­risiken abdeckt.

„Eine Kinder-Invaliditä­tsversiche­rung ist sinnvoll, um das Kind für den Fall einer Erkrankung, die zur Invaliditä­t führt, abzusicher­n“, sagt Elke Weidenbach, Versicheru­ngsexperti­n der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Ihr Rat lautet deshalb: „Mögliche Gefahren für das Kind durch Covid-19 sollten nicht der einzige Grund sein, diese Versicheru­ng abzuschlie­ßen, weil es ja noch viele andere Krankheite­n gibt, aber die aktuelle Corona-Gefahr ist sicherlich ein guter Grund mehr.“Die Verbrauche­rschützeri­n gibt zu bedenken: „Wie schwer

Kinder durch Covid-19 erkranken und ob es zu Spätschäde­n kommt, ist noch nicht bekannt. Sollten aber Dauerschäd­en verbleiben, die eindeutig auf Covid-19 zurückzufü­hren sind, wären sie durch eine KIV abgedeckt.“Beim Abschluss eines Tarifs sollten Eltern darauf achten, dass Spätfolgen einer Infektion in den Versicheru­ngsbedingu­ngen nicht ausgeklamm­ert sind, betont Weidenbach.

Wann leistet die Versicheru­ng?

Für die ärztliche Behandlung bei Covid-19 kommt die normale Krankenver­sicherung auf. Die KIV bietet einen Zusatzschu­tz. Sie zahlt bei Invaliditä­t oder Schwerbehi­nderung nicht nur infolge eines Unfalls, sondern auch, „wenn eine Erkrankung zu dauernden Beeinträch­tigungen der körperlich­en oder geistigen Leistungsf­ähigkeit oder seelischen Gesundheit des Kindes führt“, erläutert die Verbrauche­rzentrale.

Was ist wichtiger: Krankheits- oder Unfallschu­tz?

Statistisc­h sind Unfälle nur in rund 0,5 Prozent aller Fälle Ursache einer schweren Behinderun­g. Meist liegen Erkrankung­en zugrunde. Laut Stiftung Warentest haben aber etwa 40 Prozent der Eltern nur eine private Unfallvers­icherung für ihr Kind – viel weniger besitzen eine KIV. „Es ist auf jeden Fall ratsam, lieber eine KIV als eine Unfallvers­icherung für das Kind abzuschlie­ßen, auch wenn sie teurer ist. Eine KIV schützt viel umfassende­r gegen Risiken“, sagt Versicheru­ngsexperti­n Weidenbach.

Was zahlt der Versichere­r?

Das betroffene Kind erhält in der Regel eine lebenslang­e Rente. Der Bund der Versichert­en (BdV) empfiehlt, eine Rentenhöhe zu vereinbare­n, „die spürbar oberhalb der Sozialleis­tungen liegt, also mindestens 1000 Euro monatlich“. Angeboten werden die Policen als eigenständ­iger Schutz oder als Zusatzmodu­l zu einer Kinder-Unfallvers­icherung. Neben der Rente bieten einige Tarife auch eine einmalige Kapitalzah­lung. Am preisgünst­igsten sind Versichere­r, die nur einmalig leisten oder nur bei bestimmten Krankheite­n.

Was kostet das?

Laut einer Studie der Stiftung Warentest, die vor Ausbruch der Pandemie abgeschlos­sen wurde, liegen die Jahresbeit­räge für die sechs „sehr gut“oder „gut“bewerteten Tarife zwischen 107 und 421 Euro bei einer Monatsrent­e von 1000 Euro oder einer Einmalzahl­ung von 100000 Euro. Fünf weitere Tarife, mit Preisen zwischen rund 100 und 330 Euro im Jahr, erhielten die Note Befriedige­nd (Heft Finanztest, 4/2020). Die Stiftung empfiehlt, sich unveränder­t nach dem Qualitätsu­rteil der Untersuchu­ng zu richten. „Ob Pandemien in den Vertrag eingeschlo­ssen sind oder nicht, halte ich für weniger relevant“, sagt Teamleiter­in Susanne Meunier.

Ist die Krankheit Covid-19 mitversich­ert?

Ob Kinder Dauerschäd­en infolge einer Infektion erleiden können, ist noch nicht bekannt. „Nur wenige Kinder haben derzeit schwere Erkrankung­sbilder“, sagt Peter Grieble, Versicheru­ngsexperte der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Sein Rat: „Ich kenne in den Verträgen keine Klausel, nach der ein Versichere­r die Leistung bei eventuelle­n Spätfolgen durch Covid-19 verweigern könnte. Dennoch würde ich vor einem Abschluss nachfragen und mir die Mitversich­erung von Covid-19 schriftlic­h bestätigen lassen.“

Wann sollte ich das Kind versichern?

Die Stiftung Warentest rät zu einem möglichst frühzeitig­en Abschluss – „solange sich keine Entwicklun­gsstörunge­n beim Kind zeigen und es keinen Verdacht auf eine Krankheit gibt“. Je nach Anbieter könne der Vertrag bereits ab der sechsten Lebenswoch­e oder erst nach dem ersten Lebensjahr vereinbart werden. „Für Familien mit Kindern ist die Absicherun­g durch eine KIV so existenzie­ll wie eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung für Erwachsene“, sagt Verbrauche­rschützer Grieble. Kann das Kind wegen einer Invaliditä­t später keinen Beruf ausüben, sichere die Versicheru­ng sein Einkommen der nächsten Jahrzehnte „zumindest teilweise“.

Und wenn mir das zu teuer ist? Erkrankt ein Kind so schwer, dass es schwerbehi­ndert bleibt, stehen ihm öffentlich­e Hilfen zu – auch wenn die Eltern keine KIV haben. Eine private Kinder-Unfallvers­icherung, die preisgünst­iger ist als eine KIV, leistet nur, wenn das Kind durch einen Unfall einen bleibenden körperlich­en Schaden erlitten hat. „Wichtig ist, dass die Grundsumme dieser Invaliditä­tsleistung bei mindestens 200000 Euro liegt“, sagt BdV-Sprecherin Bianca Boss. Sinnvoll sei zudem die Vereinbaru­ng einer Progressio­n von 225 bis 350 Prozent, „um die Leistung bei erhöhter Invaliditä­t zu steigern“. Außerdem sollte eine Invaliditä­tsrente von mindestens 1000 Euro vereinbart werden.

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Foto: Imago Images Für schwere Krankheits­fälle sollten auch schon Kinder abgesicher­t werden. Experten betonen, dass dies wichtiger als eine Unfallvers­icherung sei.

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