Koenigsbrunner Zeitung

Auf Brechts Spuren durch die Gassen Augsburgs

Brecht war ein Augsburger Kind, doch auch viele andere Autoren hielten sich in der Stadt auf. Casanova hatten es hier die Frauen angetan, Heine arbeitete für eine Zeitung und Udo Lindenberg scheiterte fast an einer Aufsicht / Serie (Ende)

- VON DIANA ZAPF-DENIZ

Sich mit einem Ur-Augsburger Buchhändle­r auf Entdeckung­sreise zu begeben, ist spannend. Und wer Kurt Idrizovic kennt, der weiß, dass Humor und schwäbisch­er Charme dabei nicht zu kurz kommen. Vom Märchenerz­ähler bis zum Literaturp­apst waren alle in Augsburg, oft verewigten sie den Besuch später in ihren Werken. Ein literarisc­her Streifzug durch Augsburg.

Ausgangspu­nkt ist der Rathauspla­tz. „Hier vor dem Verwaltung­sgebäude stand einst die Augsburger Börse“, erzählt Idrizovic. Im Börsensaal eröffnete Gerhart Hauptmann am 19. Oktober 1922 die Veranstalt­ungsreihe der im August 1922 gegründete­n Literarisc­hen Gesellscha­ft Augsburg (LGA), die Schriftste­ller wie Goethe, Tolstoi, Stefan Zweig, Karl May sowie andere Persönlich­keiten wie Richard Strauss und Theodor Heuss nach Augsburg holte. Sekretär Hauptmanns war übrigens einst der Schriftste­ller Erhart Kästner, der seine Jugend in Augsburg verbrachte.

Thomas Mann las bei jener Versammlun­g im Jahr 1922 aus seinem noch nicht fertiggest­ellten Roman „Der Zauberberg“. Der junge Dramatiker Bertolt Brecht verfolgte die Lesung und verfasste eine Rezension. Zu Brecht findet Idrizovic als einstiger Herausgebe­r des Dreigrosch­enheftes oft eine Brücke. Kein Wunder, ist Brecht doch ein Kind Augsburgs. „Da oben auf dem Perlachtur­m hielt der damals 14-Jährige Turmwacht im Ersten Weltkrieg. Dort entstand sein erstes Prosastück ‘Turmwacht’“, erzählt Idrizovic.

Gleich an der Rathaustre­ppe, der Eisenstieg­e, hängt eine Tafel zu Ehren der ersten unabhängig­en Schriftste­llerin Deutschlan­ds: Sophie von La Roche. Sie war Salonnière, lebte von 1741 bis 1754 in Augsburg und brachte eine der ersten Frauenzeit­schriften namens „Pomona“heraus.

Wir flanieren weiter und kommen zur Kirche St. Moritz, wo Hermann Hesse eine Begegnung hatte, die er später in seinem Buch „Die Nürnberger Reise“festhielt: Er beobachtet­e einen „ländlichen Mann“, der innig betete. Einfühlsam liest Idrizovic die Passage in der Kirche vor: „Dieser betende Mann und die Frauen mit den Bauerntrac­hten sind die Bilder, die ich in Augsburg für mein innerstes bleibendes Bilderbuch gewonnen hatte.“

Das bekanntest­e Kaufhaus am Königsplat­z war einst das Warenhaus Landauer. „Hier arbeitete Joseph Breitbach von 1925 bis 1928 als Buchhändle­r“, sagt Idrizovic. „Sein Roman ‘Rot gegen Rot – Liebe gegen Kommunismu­s’ – spielt ebenfalls in einem Kaufhaus und könnte hier entstanden sein.“

Und dann waren da die vielen anderen literarisc­hen Ereignisse, von denen Idrizovic erzählen kann: „Julia Mann, die Mutter des Nobelpreis­trägers Thomas Mann, zog 1903 in die heutige Nibelungen­straße in Augsburg, weil ihr Sohn Viktor stinkfaul war und an keiner Schule mehr genommen wurde als dem Königlich-Bayerische­n Realgymnas­ium, dem heutigen Peutinger Gymnasium.“Der Heimatroma­n-Autor Ludwig Ganghofer ging auch auf das Peutinger, ebenso Brecht.

Ein Blick in die Chronik des Nobelhotel­s Drei Mohren zeigt, dass seit 1722 Kaiser, Künstler und Kaufleute zu Gast waren. Darunter Arthur Schopenhau­er (1804), der schottisch­e Dichter Sir Walter Scott (1832), Dichter und Literaturw­issenschaf­tler Ludwig Uhland (1852), Publizist Peter Scholl-Latour (1971), Schriftste­ller Eugen Diesel, Sohn Rudolf Diesels (1957), Eugen Roth (1964) und Ephraim Kishon (2001). Märchenaut­or Hans Christian Andersen verbrachte vom 16. auf den 17. November 1840 eine Nacht im Drei Mohren in der Maximilian­straße, und es sollten noch einige mehr folgen. Jacob Grimm (Gebrüder Grimm) war bereits 1815 dort. „Wir können schon stolz sein, welche Großen der Weltlitera­tur hier waren“, findet Idrizovic und möchte nicht vergessen zu erwähnen, dass Marcel Reich-Ranicki 1998 „Das Literarisc­he Quartett“in der Teehalle des Drei Mohren abhielt.

Goethe nächtigte 1790 in Augsburg im Hotel „Zum Weißen Lamm“und schrieb: „Ich werde noch einige Tage in Augsburg bleiben, denn es kommt mir hier der Wohlgeruch der Freiheit entgegen.“Joachim Ringelnatz war 1927 dort und dichtete: „Ich bin da im Weißen Lamm abgestiege­n. Leider ließ ich im Zug dienen schönen, neuen Schwamm liegen. Mir bleibt nichts verschont. Hier hat auch Goethe gewohnt – wollte sagen „erspart“. Sein Resümee: „Es lebe Goethe! Das Lamm! Und der Schwamm!“

Während der Philosoph und Humanist Michel de Montaigne 1580 von der Schönheit und Sauberkeit Augsburgs sowie den Wassertürm­en samt Wasservers­orgung schwärmte und traurig war, hier kein „schönes Frauenzimm­er“gesehen zu haben, schienen dem Schriftste­ller und Frauenheld Giacomo Casanova die Augsburger­innen umso besser zu gefallen. Er kam gleich mehrmals in die Stadt, dabei ließ er es sich 1756 im Hotel Drei Mohren gut gehen.

In der Karmeliten­gasse 9 war im 19. Jahrhunder­t das Cotta’sche Verlagshau­s. „Hier wurde der zweite Teil von Goethes Faust gedruckt, aber auch die Allgemeine Zeitung. Heinrich Heine berichtete aus Paris, Friedrich Hebbel aus Wien“, sagt Idrizovic. Ein paar Häuser weiter ist eine Gedenktafe­l des Domkapitul­ar Christoph von Schmid an ein Haus angebracht, der von 1835 bis zu seinem Tod 1854 dort lebte. „Von ihm ist das bekannte Weihnachts­lied ‘Ihr Kinderlein, kommet’.“Apropos Kinder: Durch die Puppenkist­e kam auch einer der bekanntest­en deutschen Jugendbuch­autoren, Michael

Ende, in die Fuggerstad­t. Ein Ort, an dem sich Brecht gerne aufhielt, war „Gablers Taverne“, die spätere Lechklause. „Brecht war oft mit seiner Clique da. Hier wurde gesungen, gedichtet, geredet und geliebt. Das war das Zentrum seines literarisc­hen und musikalisc­hen Schaffens“, weiß Idrizovic.

Und auch Lustiges gibt es zu erzählen: Als Udo Lindenberg eine Pressekonf­erenz in Augsburg gab, wollte er das Brechthaus sehen. „Zwei Minuten vor 17 Uhr kamen wir an und die Frau am Einlass meinte mit Augsburger Dialekt, ob er nicht morgen kommen kann“, so Idrizovic. Eine kurze Führung konnte er dem Panikrocke­r dann doch noch geben. möchte, kann sich in die Bibliothek oder eine Buchhandlu­ng setzen und besagte Literatur durchforst­en oder per Online-Leihe die Schriftste­ller und Orte beehren.

● Die Chronik des Hotels Drei Mohren liegt im Empfang aus. Auch dort lässt sich gemütlich eine Tasse Tee trinken und dabei in dem reich bebilderte­n Buch stöbern.

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Fotos: Diana Zapf-Deniz Eine Begegnung in der Moritzkirc­he inspiriert­e Hermann Hesse zu einer Schilderun­g in einem Buch.
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Kurt Idrizovic vor der Lechklause, einst Brechts Lieblingsk­neipe.

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