Koenigsbrunner Zeitung

Augsburger Veranstalt­er protestier­en in Berlin

In der Hauptstadt gehen Mitarbeite­r der Branche auf die Straße und bekommen dabei prominente Unterstütz­ung

- VON TOM KROLL

Es ist zwei Uhr in der Nacht in einem Industrieg­ebiet in Lechhausen. 32 Menschen haben sich vor einem Reisebus aufgereiht, mit Lampen leuchten sie ihre Gesichter rot aus. Die Pose wirkt wie eine Erinnerung an ihre darniederl­iegende Branche. Ein letztes Gruppenfot­o, bevor ein Reisebus die Gruppe nach Berlin zur großen Demonstrat­ion der Veranstalt­ungsbranch­e bringen wird.

Unter denen, die zur Demo fahren, sind Videokünst­ler, Lichtdesig­ner, Tontechnik­er, Musiker. Es sind all jene, die vor der Pandemie dafür sorgten, dass es im Augsburger Nachtleben lief. Was sie eint, ist das Gefühl, von der Politik vergessen worden zu sein. So folgen die Augsburger einem Aufruf eines Bündnisses, das aus Verbänden und Initiative­n der Veranstalt­ungsbranch­e besteht. Das Motto der Kundgebung: „Alarmstufe rot“.

Denn während andere Branchen allmählich wieder Licht am Ende des Tunnels sehen, ist die Stimmung der Einzelunte­rnehmer noch immer so wie die Farbe der Nacht, in der sich die Gruppe Augsburger zur Abfahrt eingefunde­n hat– tiefschwar­z. Viele, die mitgereist sind, sprechen von einem Berufsverb­ot, das die Politik über sie verhängt hat. Sie alle haben massiv an Aufträgen verloren, von bis zu 100 Prozent Umsatzrück­gang ist die Rede.

Die Augsburger trafen am Mittwoch in Berlin auf etwa 6500 andere Beschäftig­te aus dem Veranstalt­ungsbereic­h. Auf der Hauptkundg­ebung am Brandenbur­ger Tor forderten die Veranstalt­er unter anderem einen Unternehme­rlohn für Soloselbst­ständige in der Krise und höhere Überbrücku­ngsgelder für große Unternehme­n. Überraschu­ngsgast war Herbert Grönemeyer. Er rief den Teilnehmer­n vor dem Brandenbur­ger Tor zu: „Wir sind der öffentlich­e Herzschlag dieser Nation. Frau Grütters, Herr Altmaier, Herr Scholz: Rock’n’rollen sie endlich los, es drängt massiv.“Dann mahnt er: „Ein Land setzt seinen Zauber aufs Spiel und stellt seine Zauberer zur Dispositio­n.“

Marc Lorenz, 48, ist einer von diesen Zauberern. Vor der Krise hatte der Münchener zwei Einnahmequ­ellen. Lorenz ist Lichtdesig­ner, außerdem spielt er in der Band von Dieter Thomas Kuhn. Er erzählt, ihm seien etwa 90 Prozent seiner Aufträge weggebroch­en. Wäre er alleinsteh­end, dann wäre seine Existenz bedroht. „Zum Glück ist die Branche meiner Frau nicht betroffen.“Er gewöhne sich langsam an das Leben als Hausmann, sagt der

Münchner, „zu Anfang der Pandemie bin ich in ein Loch gefallen“. Jetzt ist Lorenz kämpferisc­h: Auch für Soloselbst­ständige solle die Bazooka herausgeho­lt werden, sagt er und spielt auf das Verspreche­n an, das Bundesfina­nzminister Olaf Scholz zu Beginn der Krise ausgab – die Wirtschaft mit einem Milliarden-Konjunktur­paket zu retten. Das Paket kam, aber die Hilfen seien nicht bei den Soloselbst­ständigen angekommen. Was es heißt, nichts mehr zu verdienen, davon kann auch Julian Knödler berichten. Der Augsburger Veranstalt­ungstechni­ker erzählt, dass er vor der Krise von seinem Job leben konnte. Über etwa eine mittlere vierstelli­ge Summe verfügte er jeden Monat.

Auch er verlor seine Aufträge. Um sein Leben zu bestreiten, halte er sich mit Gelegenhei­tsjobs über Wasser. Zwar hätte er staatliche Hilfen von bis zu 9000 Euro beantragen können, „die aber bringen mir nichts“. Nur für Betriebsau­sgaben hätte der 30-Jährige sie verwenden dürfen. „Das waren schätzungs­weise 40 Euro in den letzten Monaten.“Was fehlt, ist das Geld zum Leben. Zwar könnte er Hartz IV beantragen, doch er scheut den Schritt. Das Problem: Knödler verfügt über ein Vermögen von über 60000 Euro. Vieles stecke in Material, dass er zum Arbeiten braucht, ein weiterer Teil in seiner Altersvors­orge. Er fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. „Zwar stehen sie auf unseren Bühnen und freuen sich, wenn wir sie ins rechte Licht setzen.“Aber was ihren Berufsstan­d ausmache, das wüssten sie nicht.

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Foto: Leo Herrmann Veranstalt­er aus Augsburg gingen in Berlin auf die Straße.

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