Augsburger Veranstalter protestieren in Berlin
In der Hauptstadt gehen Mitarbeiter der Branche auf die Straße und bekommen dabei prominente Unterstützung
Es ist zwei Uhr in der Nacht in einem Industriegebiet in Lechhausen. 32 Menschen haben sich vor einem Reisebus aufgereiht, mit Lampen leuchten sie ihre Gesichter rot aus. Die Pose wirkt wie eine Erinnerung an ihre darniederliegende Branche. Ein letztes Gruppenfoto, bevor ein Reisebus die Gruppe nach Berlin zur großen Demonstration der Veranstaltungsbranche bringen wird.
Unter denen, die zur Demo fahren, sind Videokünstler, Lichtdesigner, Tontechniker, Musiker. Es sind all jene, die vor der Pandemie dafür sorgten, dass es im Augsburger Nachtleben lief. Was sie eint, ist das Gefühl, von der Politik vergessen worden zu sein. So folgen die Augsburger einem Aufruf eines Bündnisses, das aus Verbänden und Initiativen der Veranstaltungsbranche besteht. Das Motto der Kundgebung: „Alarmstufe rot“.
Denn während andere Branchen allmählich wieder Licht am Ende des Tunnels sehen, ist die Stimmung der Einzelunternehmer noch immer so wie die Farbe der Nacht, in der sich die Gruppe Augsburger zur Abfahrt eingefunden hat– tiefschwarz. Viele, die mitgereist sind, sprechen von einem Berufsverbot, das die Politik über sie verhängt hat. Sie alle haben massiv an Aufträgen verloren, von bis zu 100 Prozent Umsatzrückgang ist die Rede.
Die Augsburger trafen am Mittwoch in Berlin auf etwa 6500 andere Beschäftigte aus dem Veranstaltungsbereich. Auf der Hauptkundgebung am Brandenburger Tor forderten die Veranstalter unter anderem einen Unternehmerlohn für Soloselbstständige in der Krise und höhere Überbrückungsgelder für große Unternehmen. Überraschungsgast war Herbert Grönemeyer. Er rief den Teilnehmern vor dem Brandenburger Tor zu: „Wir sind der öffentliche Herzschlag dieser Nation. Frau Grütters, Herr Altmaier, Herr Scholz: Rock’n’rollen sie endlich los, es drängt massiv.“Dann mahnt er: „Ein Land setzt seinen Zauber aufs Spiel und stellt seine Zauberer zur Disposition.“
Marc Lorenz, 48, ist einer von diesen Zauberern. Vor der Krise hatte der Münchener zwei Einnahmequellen. Lorenz ist Lichtdesigner, außerdem spielt er in der Band von Dieter Thomas Kuhn. Er erzählt, ihm seien etwa 90 Prozent seiner Aufträge weggebrochen. Wäre er alleinstehend, dann wäre seine Existenz bedroht. „Zum Glück ist die Branche meiner Frau nicht betroffen.“Er gewöhne sich langsam an das Leben als Hausmann, sagt der
Münchner, „zu Anfang der Pandemie bin ich in ein Loch gefallen“. Jetzt ist Lorenz kämpferisch: Auch für Soloselbstständige solle die Bazooka herausgeholt werden, sagt er und spielt auf das Versprechen an, das Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu Beginn der Krise ausgab – die Wirtschaft mit einem Milliarden-Konjunkturpaket zu retten. Das Paket kam, aber die Hilfen seien nicht bei den Soloselbstständigen angekommen. Was es heißt, nichts mehr zu verdienen, davon kann auch Julian Knödler berichten. Der Augsburger Veranstaltungstechniker erzählt, dass er vor der Krise von seinem Job leben konnte. Über etwa eine mittlere vierstellige Summe verfügte er jeden Monat.
Auch er verlor seine Aufträge. Um sein Leben zu bestreiten, halte er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Zwar hätte er staatliche Hilfen von bis zu 9000 Euro beantragen können, „die aber bringen mir nichts“. Nur für Betriebsausgaben hätte der 30-Jährige sie verwenden dürfen. „Das waren schätzungsweise 40 Euro in den letzten Monaten.“Was fehlt, ist das Geld zum Leben. Zwar könnte er Hartz IV beantragen, doch er scheut den Schritt. Das Problem: Knödler verfügt über ein Vermögen von über 60000 Euro. Vieles stecke in Material, dass er zum Arbeiten braucht, ein weiterer Teil in seiner Altersvorsorge. Er fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. „Zwar stehen sie auf unseren Bühnen und freuen sich, wenn wir sie ins rechte Licht setzen.“Aber was ihren Berufsstand ausmache, das wüssten sie nicht.