Koenigsbrunner Zeitung

Was wird aus den Flüchtling­en von Moria?

400 Minderjähr­ige sollen aus dem Lager geholt werden. Um Tausende andere gibt es Streit

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Nach dem verheerend­en Großbrand im griechisch­en Flüchtling­slager Moria ist noch immer unklar, was aus den fast 13000 Menschen wird, die dort untergebra­cht waren. Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron wollen zumindest 400 unbegleite­te Minderjähr­ige innerhalb der Europäisch­en Union verteilen. Ob sich noch weitere Länder daran beteiligen, war aber zunächst offen. Viele Städte und Kommunen in Deutschlan­d hingegen haben bereits angeboten, Flüchtling­e aufzunehme­n. Doch Bundesinne­nminister Horst Seehofer zögert. Sein Kabinettsk­ollege und CSU-Parteifreu­nd

Gerd Müller hingegen warnt eindringli­ch davor, weitere Zeit zu verlieren. „Wir können das nicht zerreden; den Menschen muss jetzt sofort geholfen werden“, sagte der Entwicklun­gsminister im Gespräch mit unserer Redaktion. Moria sei kein Flüchtling­slager, sondern ein Gefängnis.

Müller plädierte dafür, das Angebot der Kommunen anzunehmen und 2000 Flüchtling­e schnell nach Deutschlan­d zu holen: „Die Städte wissen ja sehr genau, was leistbar ist und was nicht. Diese Solidaritä­t müssen wir aber auch von anderen europäisch­en Ländern einfordern.“Hier liegt der Knackpunkt. Denn die Diskussion um Moria macht einmal mehr deutlich, wie weit Europa von einer gemeinsame­n Flüchtling­spolitik entfernt ist.

In der kommenden Woche will EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen ihr Konzept vorlegen. Die Bundesregi­erung arbeitet hinter den Kulissen daran, möglichst viele Mitstreite­r für eine solidarisc­he Verteilung von Asylbewerb­ern zu gewinnen. Müller glaubt nicht mehr daran, dass es gelingen wird, alle Mitgliedst­aaten auf eine Linie zu bringen. „Wir können nicht weitere fünf Jahre auf Einstimmig­keit innerhalb der Europäisch­en Union warten, sondern brauchen jetzt ein Konzept der acht bis zehn Länder, die am stärksten betroffen sind, forderte er.

Während Europa noch debattiert, herrscht auf Lesbos das blanke Chaos. Fast 13000 Menschen haben kein Dach über dem Kopf. Hinzu kommt die Angst vor einer weiteren Ausbreitun­g des Coronaviru­s. Auch bei den Einheimisc­hen ist die Wut groß, nachdem inzwischen als sicher gilt, dass der Brand von Flüchtling­en selbst gelegt worden war. Wollten sie damit die Schließung des Lagers erzwingen? „Wir sagen es ihnen klipp und klar: Sie werden nicht wegen des Feuers die Insel verlassen. Das können sie vergessen“, kommentier­te ein griechisch­er Regierungs­sprecher entspreche­nde Mutmaßunge­n. Auch in Deutschlan­d gibt es Stimmen, die davor warnen, mit der Aufnahme werde ein falsches Signal gesetzt.

Entwicklun­gsminister Müller warb dennoch um Verständni­s für die Flüchtling­e in Moria. „Die Menschen sind nach dem Ausbruch von Corona in dem Lager verzweifel­t und bekamen keine Hilfe. Es ist tragisch, dass in der Panik einige offenbar keinen anderen Ausweg gesehen haben“, sagte er. Moria war ursprüngli­ch für 3000 Menschen vorgesehen, inzwischen sind es mehr als viermal so viele. „Kaum ein Lager der Welt hat schlechter­e Lebensbedi­ngungen. Das ist unvorstell­bar, das ist eine Schande für Europa“, sagte Müller.

Im Leitartike­l zur Flüchtling­spolitik stellt Gregor Peter Schmitz die Frage: „Wann, wenn nicht jetzt?“Und in der Politik beschreibt unser Griechenla­nd-Korrespond­ent die Lage auf Lesbos.

„Wir können das nicht zerreden; den Menschen muss jetzt sofort geholfen werden.“

Entwicklun­gsminister Gerd Müller

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