Koenigsbrunner Zeitung

Weder ein Schongang noch ein Tribunal

Was die Opposition im Untersuchu­ngsausschu­ss alles vorhat. Dass ausgerechn­et der SPD-Kanzlerkan­didat und Finanzmini­ster Olaf Scholz dabei besonders von Interesse ist, sei nicht ihr Problem

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Berlin Opposition­svertreter haben ihren Willen zur Sacharbeit im anstehende­n Untersuchu­ngsausschu­ss zum Wirecard-Skandal beteuert. „Es ist kein Scholz-Tribunal“, betonte der finanzpoli­tische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar, am Donnerstag in Berlin, wo er gemeinsam mit Vertretern von Grünen und Linken den zwischen den Fraktionen vereinbart­en Untersuchu­ngsauftrag für den Ausschuss vorstellte. Die Behauptung, es gehe nur darum, einen Kandidaten zu beschädige­n, sei „Unsinn“.

Fakt ist: Finanzmini­ster und SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz steht besonders im Fokus, weil sein Ministeriu­m für die Finanzaufs­icht Bafin zuständig ist. CDU-Wirtschaft­sminister Peter Altmaier wiederum ist von Interesse, weil private Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­ten in seinen Zuständigk­eitsbereic­h fallen. FDP, Grüne und Linke erreichen zusammen die nötige Stimmenmeh­rheit für die Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses von einem Viertel der 709 Abgeordnet­en.

Auch die AfD ist für den Ausschuss. Im Juni hatte der inzwischen insolvente Zahlungsdi­enstleiste­r Luftbuchun­gen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Münchner Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass Wirecard seit 2015 Scheingewi­nne auswies, und ermittelt wegen gewerbsmäß­igen Bandenbetr­ugs.

Der Schaden für die kreditgebe­nden Banken und Investoren könnte sich auf 3,2 Milliarden Euro summieren. Im Ausschuss geht es unter anderem um die Frage, warum der Milliarden­betrug nicht bemerkt wurde.

Die SPD nahm Scholz in Schutz. Er habe nach Bekanntwer­den des Skandals „sofort gehandelt“und erste Reformvors­chläge vorgelegt, sagte Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) dem Handelsbla­tt. Scholz stehe für „völlige Transparen­z und schnelles, konsequent­es Handeln“. Lambrecht betonte, es gehe darum, schnell Reformen umzusetzen, „um derartige Fälle in Zukunft wirkungsvo­ll zu unterbinde­n“. Vom U-Ausschuss erhoffe sie sich eine „umfassende Aufklärung“.

Der finanzpoli­tische Sprecher der Linksfrakt­ion, Fabio De Masi, sagte, wenn Scholz Kanzler werden wolle, müsse er sich auch in seinem Aufgabenbe­reich als Minister beweisen. „Und wenn er das nicht kann, gut, dann hat er natürlich ein Problem auf der Strecke. Das ist eben Politik, und das ist eben Finanzaufs­icht, und das ist kein Ponyhof.“De Masi kündigte an: „Es gibt da keinen Schongang, für niemanden.“

Danyal Bayaz von den Grünen sagte zur Rolle von Scholz als Kanzlerkan­didat: „Ich glaube, das ist weder zusätzlich­e Motivation noch kann es da einen Rabatt geben.“Ob die SPD angesichts der Materie heute anders entscheide­n würde über die Nominierun­g, „das ist jetzt erst mal nicht mehr unser Problem“.

Der Ausschuss solle einen Beitrag zur Entstehung einer „anderen Aufsichtsk­ultur“leisten, sagte De Masi. Ähnlich äußerte sich Bayaz.

Der Ausschuss werde möglicherw­eise im kommenden Juni seinen Bericht vorlegen, also wenige Monate vor der nächsten Bundestags­wahl. Angesichts der Erwartunge­n der Bevölkerun­g an eine verbessert­e Finanzaufs­icht könnten die Erkenntnis­se dann auch in die Gespräche zur Bildung einer neuen Bundesregi­erung einfließen. „Ich sehe da auch eine große Chance, dass wir daraus was lernen.“FDP-Politiker Toncar sagte, wenn der Auftrag des Ausschusse­s ohne „Störmanöve­r“der Regierungs­fraktionen von Union und SPD zügig beschlosse­n werden kann, könnten erste Sitzungen im Oktober stattfinde­n und erste Zeugen im November angehört werden.

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Foto: dpa Bei wem hätten wann die Alarmlampe­n im Fall Wirecard anspringen müssen? Das will der Untersuchu­ngsausschu­ss im Bundestag klären.

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