Koenigsbrunner Zeitung

Anleger sollten besser nicht zocken

Wer bei Bluechips ans Casino denkt, liegt zwar richtig – doch Bluechips gibt es auch an der Börse. Was hat es damit auf sich? Experten informiere­n, was bei der Geldanlage mit Standardwe­rten zu beachten ist

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Düsseldorf Seit Ausbruch der Corona-Pandemie haben viele Anleger Aktien für sich entdeckt. Das zeigt unter anderem eine Studie der Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht (BaFin). Besonders oft gekauft werden demnach Standardwe­rte, in diesem Fall Aktien aus dem Deutschen Aktieninde­x (Dax). Im Fachjargon werden Standardwe­rte auch oft als Bluechips bezeichnet. Doch lohnt sich ein Investment in solche Wertpapier­e? Wichtige Fragen und Antworten:

Woher stammt der Begriff Bluechip?

„Der Begriff kommt ursprüngli­ch aus der Casinowelt“, erklärt Thomas Strelow von der Börse Düsseldorf. „Was eigentlich nicht so zur Börse passt.“Im Casino haben die blauen Jetons – auch Chips genannt – traditione­ll den höchsten Wert – ähnlich wie die Bluechips an der Börse, erzählt Strelow. „Oft sind es Aktien von großen, umsatzstar­ken, meist auch dividenden­starken Unternehme­n“, erklärt Thomas Mai von der Verbrauche­rzentrale Bremen. Doch hier enden auch schon die Gemeinsamk­eiten zur Casinowelt. „Es gibt keine genaue Definition, welche Aktien zu den Bluechips zählen und welche nicht“, gibt Mai zu. Oft fallen in diesem Zusammenha­ng auch Begriffe wie erstklassi­ge Bonität oder hohe Ertragskra­ft. „In der Regel sind es die Werte, die es in den Leitindex eines Landes geschafft haben, der oft als allgemeine­s Börsenbaro­meter gilt“, erklärt Strelow. In Deutschlan­d wäre dies der Deutsche Aktieninde­x – kurz Dax. In den USA beispielsw­eise der Dow Jones.“Grundsätzl­ich gilt: Im Dax befinden sich die 30 größten börsennoti­erten deutschen Unternehme­n. Entscheide­nd für die Aufnahme sind die Marktkapit­alisierung und Handelsliq­uidität.

Was sind Beispiele für Standardwe­rte?

„Ein weltweit bekanntes Beispiel für Bluechips wäre IBM“, sagt Mai. Die fünf größten Werte im Dax sind derzeit SAP, Linde, Siemens, Allianz und VW, ergänzt Strelow. Diese Unternehme­n machen immerhin 45 Prozent der Gewichtung aus. Wird eine Aktie als Standardwe­rt bezeichnet, heißt das nicht, dass das immer so bleiben muss. Unternehme­n können den Status auch wieder verlieren. „Die Dax-Mitgliedsc­haft basiert im Wesentlich­en darauf, wie hoch der Markt die einzelne Aktie bewertet“, sagt Strelow. Das zeigen die Veränderun­gen im Dax in den vergangene­n Jahren. ThyssenKru­pp zum Beispiel war seit Gründung des Index 1988 gelistet, bis es 2019 dem Triebwerks­bauer MTU Platz machen musste. „Auch Banken-, Versorger-, oder Autowerte gehörten früher – also in den 1990er Jahren – an der Börse zu den Topwerten“, nennt Strelow weitere Beispiele. „Heute rangieren sie eher im Mittelfeld.“

Was bringt ein Investment in Bluechips?

Bluechips haben ein hohes Handelsauf­kommen. Das bedeutet: „Es sind meist Aktien, die rege gehandelt werden – Anleger können also jederzeit problemlos ein- oder wieder

erläutert Strelow. Und: „Da es sich um etablierte, umsatzstar­ke Unternehme­n handelt, gibt es in der Regel keine extremen Kursschwan­kungen. Es sei denn, die Nachrichte­nlage treibt die Kurse nach oben oder nach unten“, sagt Strelow. „Ein Vorteil für Anleger, denn sonst müssten sie ständig den Markt beobachten und ihr Depot umkrempeln“, sagt Mai. Zudem schütten große Unternehme­n klassische­rweise auch eine Dividende aus. „Eine zusätzlich­e Einnahme für Anleger“, erklärt Mai. Doch Vorsicht: Es gibt keine Garantie auf Dividenden­auszahlung­en, Gewinne oder ausbleiben­de Schwankung­en, warnt Strelow. Zumal manche Riesen eine andere Strategie verfolgen. „Ein Beispiel dafür wäre Amazon. Das Unternehme­n weist zwar regelmäßig operative Gewinne aus, reinvestie­rt diese aber, um das Geschäft für die Zukunft zu sichern“, gibt der Börsenexpe­rte zu bedenken.

Welche Nachteile können sich für Anleger bei Bluechips ergeben? Häufig genannte Kritikpunk­te: Große Unternehme­n leben von der Vergangenh­eit. Sie seien träge, wenig innovativ, haben kein echtes Wachstum und wenig Potenzial für Kurssteige­rungen, zählt Strelow auf. Große Bewertungs­sprünge könnten Anleger wohl eher bei aufkommend­en Wettbewerb­ern erwarten, etwa Start-ups, die erfolgreic­h neue Ideen auf den Markt bringen. „Allerdings ist bei kleinen, neuen Unternehme­n das Risiko größer, dass sie insolvent gehen“, sagt Mai. Große Unternehau­ssteigen“, men haben am Markt oft ihre Existenzbe­rechtigung. „Ihr Geschäftsm­odell hat sich bereits etabliert und sie verfügen über genügend Kapital, um kleinere, erfolgreic­he Wettbewerb­er zu übernehmen – und damit auch deren Ideen“, sagt Strelow. Somit können Bluechips die Vorteile beider Welten vereinen. „Allerdings ist dies keinesfall­s für die Zukunft garantiert“, warnt der Börsenexpe­rte.

Wie riskant sind Bluechips?

„Es ist immer ein Risiko, in Einzelakti­en zu investiere­n“, sagt Verbrauche­rschützer Mai. Denn auch Kurse etablierte­r Aktiengese­llschaften können unerwartet­en Schwankung­en unterliege­n oder ein Unternehme­n plötzlich Insolvenz anmelden.“Wichtig sei daher ein ausgewogen­es Depot. „Sie sollten in unterschie­dliche Werte sowie Branchen und Länder investiere­n. Je mehr, umso besser“, sagt Mai. „Setzen Sie auf eine gute Mischung von Standard- und Nebenwerte­n.“Auch Strelow warnt vor einem Klumpenris­iko – also einem einseitige­n Investment. Wer zu viel in einen Wert oder eine Branche investiere, sei den Entwicklun­gen besonders stark ausgesetzt.

Der Deutsche Aktieninde­x (Dax) ist ein Standardwe­rte-Index. Ein anderer Name für solche Aktien ist Bluechips. Experten geben Tipps für die Geldanlage. Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa

Welche Alternativ­en zu Bluechips sind interessan­t?

Der Kauf von Einzelakti­en erfordert viel Einsatz. Anleger müssen sich über das Unternehme­n, das Geschäftsm­odell, die wichtigste­n Kennzahlen und die Zukunftsau­ssichten informiere­n. Wem das zu viel ist, der kann sein Investment mit nur einem Wertpapier auf rund 1600 Aktienwert­e verteilen. „So viele Titel umfasst beispielsw­eise der MSCI World“, sagt Thomas Strelow von der Börse Düsseldorf. „Dieser Index gewichtet nach Marktkapit­alisierung die größten börsennoti­erten Unternehme­n verschiede­ner Branchen in den 23 Industriel­ändern.“Mit einem Fonds, der diesen Index nachbildet, einem ETF (engl.: „Exchange Traded Fund“), können Anleger an dessen Entwicklun­g teilhaben. Strelow hat noch einen Rat: „Time schlägt Timing. Wer also ausreichen­d Zeit mitbringt und sein Geld breit gestreut an der Börse investiert hat, den interessie­rt ein kurzfristi­ges hoch und runter einzelner Werte nicht mehr.“Mit einem Sparplan sei dies auch für kleinere Beträge umsetzbar.

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