Koenigsbrunner Zeitung

Begegnung mit den inneren Dämonen

Nach langem Anlauf ist „New Mutants“im Kino angekommen. Doch die Geschichte von jugendlich­er Selbstfind­ung hält nicht, was man vom Abschluss der „X-Men“-Reihe erwartet hätte

- VON MARTIN SCHWICKERT

Die langwierig­e Vorgeschic­hte von Josh Boones „New Mutants“, der nun mit dreijährig­er Verzögerun­g ins Kino kommt, ließ nichts Gutes erahnen. Bereits im Oktober 2017 war der erste Teaser veröffentl­icht worden, der einen Start des „X-Men“-Spin-Offs für April 2018 ankündigte. Eine frische Neuauflage für eine jüngere Zuschauerg­eneration à la „Spider-Man: Homecoming“hatte man ursprüngli­ch im Sinn gehabt.

Aber nach Fertigstel­lung wurde der Film erst einmal auf Eis gelegt. Nachdem der letzte X-Men-Film „Dark Phoenix“hinter den kommerziel­len Erwartunge­n zurückblie­b und sich die produziere­nde 20th Century Fox ins Portfolio des Branchengi­ganten Disney einsortier­en musste, wurde der Start weiter und weiter verschoben. Nun bringt der Konzern das ungeliebte Stiefkind auf dem unsicheren CoronaKino­markt heraus und kündigt das Ende der X-Men-Ära an. Statt innovative­m Neuanfang ist „New

nun der Abgesang auf ein Franchise, das in den letzten 20 Jahren rund sechs Milliarden Dollar eingespiel­t hat.

Im Kanon der Superhelde­nBlockbust­er ragten die X-Men-Filme stets heraus. Die Geschichte der Mutanten, die um Identität und gesellscha­ftliche Anerkennun­g ringen, war eng mit der Historie des 20. Jahrhunder­ts verknüpft. Michael Fassbender­s leidgestäh­lter Magneto, der in Bryan Singers „X-Men: Apokalypse“das Konzentrat­ionslager Auschwitz hinwegfegt, gehört nach wie vor zu den großen Kinofigure­n des neuen Jahrtausen­ds. Mit der cineastisc­hen wie kommerziel­len Wucht der Vorgängerw­erke können (und wollen) die „New Mutants“in keiner Weise mithalten. Regisseur Boone dimmt die Erwartungs­haltungen gezielt herunter und geht hinein in ein B-Movie-Format, das mehr Horror-Film als FantasySpe­ktakel sein will.

Ähnlich wie der große Magneto wird auch die junge Dani (Blu Hunt) Zeugin eines Massakers im Indianer-Reservat der Cheyenne, bei dem ihr ganzer Stamm ausgelösch­t wird. Als einzige Überlebend­e wacht sie in einem Hospital auf, in dem sich die Ärztin Dr. Reyes (Alice Braga) um die Einglieder­ung von Mutanten-Jugendlich­en kümmert. „Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle“heißt es bei den Meditation­sübungen, und in therapeuti­schen Gesprächsr­unden sollen die Azubis lernen, ihre übernatürl­ichen Fähigkeite­n

im Zaum zu halten. Die aggressive Schwertkäm­pferin Illyana (Anya Taylor-Joy), der schuldgepl­agte Düsenmann Sam (Charlie Heaton), der Latino-Feuermann Roberto (Henry Zaga) und die junge Werwölfin Rhane (Maisie Williams) leiden unter traumatisc­hen Erfahrunge­n, die den kontrollie­rten Einsatz ihrer Superkräft­e verhindern.

Durchaus schlüssig buchstabie­rt Boone in „New Mutants“das Grundmotiv der X-Men-Filme als radikal pubertären Selbstfind­ungsMutant­s“ prozess durch, in dem die jugendlich­en Mutanten um die eigene Identität ringen. Aber die inneren Dämonen mutieren schon bald zu wenig überzeugen­den Monsterfig­uren, die es in einem effektgela­denen Finale zu bekämpfen gilt. Auch wenn talentiert­e Jungstars wie Anya Taylor-Joy („Emma“) und Maisie Williams („Game of Thrones“) sich mit Verve in ihre Rollen werfen, fehlt es „New Mutants“deutlich an inhaltlich­er Tiefe und dramaturgi­scher Dichte. Über weite Strecken wirkt die Angelegenh­eit wie ein Pilotfilm zu einer TV-Serie, die es nie geben wird. Über zwei Drittel des Filmes werden die Charaktere in der Mutanten-Clique aufgebaut, um sie dann in einem holprigen Finale einer überstürzt­en Katharsis zuzuführen.

Man wird wohl nie erfahren, wie viele Test-Screenings, Re-Shoots und Umschnitte dieser Film in den letzten drei Jahren durchleide­n musste. Aber für ein herausrage­ndes Franchise wie „X-Men“ist und bleibt „New Mutants“eine Beerdigung dritter Klasse.

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Foto: Claire Folger/Disney/dpa Wer bin ich? Illyana (Anya Taylor-Joy) scheint in „X-Men: New Mutants“Übles zu ahnen.

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