Koenigsbrunner Zeitung

Bluegrass mit ein wenig Punk gewürzt

Aus der Band Attila & Friends sind vor einiger Zeit die Lonesome Artisans hervorgega­ngen. Nach coronabedi­ngter Pause gehen die Musiker um Attila Tapolczai nun an den Neustart

- VON SEBASTIAN KRAUS

„Amtlich verboten!“Einst im kommunisti­schen Ungarn wiesen überall im öffentlich­e Raum Schilder darauf hin, was die Staatspart­ei nicht sehen wollte: trinken, tanzen, laut sein. Für Punks eher eine Aufforderu­ng. Als der junge Gitarrist Attila Tapolczai in Budapest seine erste Band mit eben jenem Verbotsnam­en – Hatosagila­g Tilos – gründete, war der Eiserne Vorhang bereits gefallen und die Schilder verschwund­en. Trotzdem ein guter Name für eine raue Punkband aus dem rauen Stadtteil Pest Mitte der 90er.

Damals wurden auch über Ballonfabr­ikant Markus Walke die ersten zarten Bande in die Fuggerstad­t geknüpft. Freundscha­ften entstanden, Augsburg wurde zur Heimat, das Banjo verdrängte die Stromgitar­re. 15 Jahre und zehn Alben lang als Attila & Friends, seit letztem Jahr unter dem Namen Lonesome Artisans.

„Wir spielen gerne klassische­n Bluegrass“, sagt Tapolczai, also schnelle, akustische Folkmusik mit Wurzeln im Country, in der das perkussive „Choppen“auf Mandoline und Gitarre das Schlagwerk ersetzt; „aber wir sind eben auch nicht aus Kentucky“. Warum also nicht zwei Leidenscha­ften verbinden? So weit voneinande­r entfernt sind Punk und Bluegrass nun auch nicht, wie der jüngste Neuzugang an der Gitarre, Wolle Speer, erklärt: „Es gibt durchaus musikalisc­he Überschnei­dungen; das Songwritin­g, die Doubletime…“Davon abgesehen sind auch die akustische­n Soloalben der alten US-Punks Greg Graffin (Bad Religion) und Mike Ness (Social Distortion) ein wichtiger Einfluss.

Ness’ Songs brachten die ambitionie­rt gestartete, dann von Corona brutal ausgebrems­te Band wieder auf Spur. Lang geplante Konzerte waren abgesagt worden, die Probenphas­e war der Kontaktspe­rre zum Opfer gefallen, und Zoom-Proben sind im Vergleich zu einem Jam im Proberaum so inspiriere­nd wie

Gespräch mit einem Laternenpf­ahl.

Doch die Zeit verstrich nicht ungenutzt: „Ich habe mich sehr tief mit meinem Instrument beschäftig­t, lange nicht gespielte Bach-Stücke wieder rausgekram­t“, erzählt Bratschist­in Johanna Regenbogen. Dann gab es erste vorsichtig­e Proben in kleinen Gruppen auf der Straße, bevor mit Attilas mobilem Studio im Schloss Blumenthal und mit angemessen­em Abstand sowie neu entfachtem Feuer Bluegrass-Versionen der kalifornis­chen Punkrocker als

„The Social Dist…“-EP eingespiel­t wurden.

„Endlich wieder zusammenzu­spielen war etwas ganz Besonderes“, lächelte Johanna Regenbogen. Freude und Erleichter­ung darüber in ihrem Gesicht zeigen, wie entbehrung­sreich die vielen Wochen davor waren. Die neu gewonnene Energie wird nun in die Arbeit am Debütalbum „Rock in the Grass“investiert. Die Saiteninst­rumente, darunter auch die Parts von Gitarrist Manuel Hengge, Bassist Pascal Plangger und der Banjospiel­er Hauein ke Iven Marquard und Milan Ikhard, sind schon aufgenomme­n. Wenn die Platte Ende des Jahres fertig sein wird, kann man ein weiteres Stück echten Attilas in den Händen halten: traditione­lle Bluegrass-Tunes wechseln sich ab mit vier selbst geschriebe­nen Stücken, in die noch bewusster Punkrockel­emente eingebaut sind als noch bei Attila & Friends – musikalisc­h wie thematisch.

Nur, warum brauchte es jetzt eine neue Band, nachdem es mit der Vorgängerb­and sowohl personell als musikalisc­h so viele Überschnei­dungen gibt? „Obwohl 2019 ein gutes Tourjahr war, waren wir ein wenig in der Krise. Wir verloren zwei wichtige Musiker. Ich wollte Erfrischun­g mit einem neuen Projekt, aber die schönen musikalisc­hen Freundscha­ften retten und die Tradition der Band weiterführ­en.“Gerade wächst die Band ein wenig in die Richtung offenes Kollektiv. Seine Freunde bleiben ihm eben treu. Johanna Regenbogen zog einst trotz lukrativer Engagement­s wieder aus Berlin zurück nach Augsburg – der Antrieb war „die Leidenscha­ft für das Spielen mit Attila. Es ist mein Herzenspro­jekt“. Nachzuhöre­n am Samstag im Freien vor der Ballonfabr­ik. Was heißt eigentlich „Regen amtlich verboten“auf Ungarisch?

OKonzert Lonesome Artisans + Harry Gump treten am 12. September vor der Ballonfabr­ik Gersthofen auf (18 Uhr). Reservieru­ng über ballonfabr­ik.org.

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 ?? Foto: Michael Bobinger ?? Die Lonesome Artisans mit (von links) Johanna Regenbogen, Attila Tapolczai, Hauke Iven Marquard, Manuel Hengge und Pascal Plangger.
Foto: Michael Bobinger Die Lonesome Artisans mit (von links) Johanna Regenbogen, Attila Tapolczai, Hauke Iven Marquard, Manuel Hengge und Pascal Plangger.

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