Koenigsbrunner Zeitung

Was ist Bayer ohne Havertz wert?

Die Werkself verlor im Sommer neben ihrem Jahrhunder­ttalent noch Kevin Volland. Für 26,5 Millionen kam Patrick Schick aus Rom. Wie geht Trainer Peter Bosz mit der neuen Situation um?

- VON OLAF KUPFER

Leverkusen Peter Bosz ist ein Niederländ­er, und dort im Land von Käse und Campingwag­en, um die schnödeste­n Vorurteile einzusamme­ln, ist die Elftal ein Heiligtum. Und sie zu trainieren das Größte. Weil der Job frei geworden ist, musste sich auch Bayer 04 Leverkusen­s Trainer die Frage gefallen lassen, wann er denn Bayer verlassen würde und im Team Oranje auftauchen würde. Doch das scheint kein Thema für Bosz. „Dafür müsste man ein Angebot haben, also beschäftig­e ich mich nicht damit. Ich muss ohnehin über meine Mannschaft nachdenken und bin damit ausgelaste­t.“

Was macht Bosz so nachdenkli­ch vor der neuen Saison?

Da gibt es einiges: Leverkusen schwimmt jetzt im Geld, hat aber erheblich Substanz verloren und muss jetzt alle Künste einer Scoutingab­teilung mit seriöser TransferVo­rarbeit abrufen. Kai Havertz hat gerade seinen Wechsel zum FC Chelsea finalisier­t, der mit Ratenverei­nbarungen am Ende rund 100 Millionen Euro bringen soll, Kevin Volland ist zum AS Monaco entschwund­en – für weniger als 15 Millionen. Die Riege der Leistungst­räger ist wie schon in der vergangene­n Saison, als Julian Brandt ging, ausgedünnt. Nach und nach wird sich der Kader komplettie­ren, da darf man sicher sein, weil durch sportliche­s Geschick eingenomme­nes Geld auch gerne wiedereing­esetzt wird. Aber: Bosz hat eine Art des Spiels etabliert, die nicht jeder Spieler sofort antizipier­t, vieles braucht, muss einstudier­t werden. Zeit hat er nicht: Nach dem späten EuropaLeag­ue-Auftritt blieben jetzt zwei Wochen Vorbereitu­ngszeit.

Havertz’ Abgang tut weh. Ließ sich das nicht vermeiden?

Nein. Der gebürtige Aachener ist für sein Alter schon so weit, dass er jetzt den nächsten Schritt machen musste, die Premier League wird ihn aufs höchste Level heben. Und für Leverkusen bleibt ein Batzen Geld, das man geschickt in die nächste Generation investiere­n kann. Der Abgang schmerzt trotzdem besonders. In der offizielle­n Abschiedsv­erlautbaru­ng warb der Klub zumindest damit, ganz offensicht­lich ein guter Ausbilder von Elite-Nachwuchsk­ickern zu sein.

Ist wegen der Abgänge Feuer unter dem Dach?

Ob Bosz denn verärgert sei über so viel neue Ungewisshe­it, wurde er kürzlich gefragt. „Nicht ärgern, nur wundern“, sagte der Niederländ­er. Zugleich hielt der Trainer aber auch ein Plädoyer für das Leverkusen­er Management um Rudi Völler und Simon Rolfes. Klar ist: Der Trainer will neue Spieler sehen, und macht das intern auch unmissvers­tändlich klar. Er habe eine Liste weitergege­ben an die Verantwort­lichen, sagte Bosz. Immerhin gingen mit Havertz und Volland rund 30 Tore und 30 Vorlagen, also 60 Scorerpunk­te. Der zuletzt von AS Rom an RB Leipzig ausgeliehe­ne Tscheche Patrick Schick kam für 26,5 Millionen, inwieweit er Havertz und Volland ersetzen kann, wird sich zeigen. Schick kann aber nur der Anfang sein, alleine wird er wohl keinen der beiden vergessen machen können.

Wer wird Havertz nachfolgen? Florian Wirtz, 17 Jahre alt, abgeworben in der vergangene­n Saison vom 1. FC Köln. Dort sollte er langsamer aufgebaut werden, als es in Leverkusen geschah: Wirtz bekam sofort viele Spielantei­le in der Bundesliga und ist das nächste Verspreche­n unter dem Bayer-Kreuz.

Was kann gehen für Leverkusen? Die Abwehr um Torwart Hradecky, Lars Bender, den so schnell eingeschla­genen Tapsoba, Tah, Wendell und Sinkgraven steht gut, ein Neuer soll zudem noch kommen. Davor stehen die erfahrenen Baumgartli­nger

und Aranguiz, Letzterer ist gerade neuer Kapitän geworden. Bellarabi, der seinen Vertrag verlängert hat, Demirbay und der starke, aber noch zu wechselhaf­te Diaby sind gehobenes Niveau, vorne wird es mit Alario und Schick etwas dünn. Ein Torgarant müsste noch her.

Prognose der Sportredak­tion

Havertz und Volland zu kompensier­en, wird schwierig. Für die Europa League wird es trotzdem reichen, für mehr nicht.

Zugänge Grill (2 Mill. Euro), Wirtz (kam aus Kölns Nachwuchs), Jedvaj (war an Augsburg ausgeliehe­n), Pohjanpalo (zurück Leihe HSV), Retsos (Leihende Sheffield United), Schick (26,5 Mill. Euro)

Abgänge Havertz (80 Millionen Euro plus Zulagen, FC Chelsea), Volland (15,5 Millionen

Euro), Stanilewic­z (Darmstadt, ablösefrei), Azhil (Leihe nach Waalwijk/NL), Öczan (Karriereen­de)

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Bundesliga-Check
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