Augsburg will Flüchtlinge aus Moria aufnehmen
Oberbürgermeisterin Eva Weber ist bereit, nach dem Brand im umstrittenen Lager auf Lesbos Menschen in Augsburg aufzunehmen. Es hängt aber davon ab, was der Bund tut. Und es gibt auch Kritik an dem Vorstoß
Nach der Zerstörung des Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos durch einen Brand hat Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) Bereitschaft signalisiert, Flüchtlinge in Augsburg aufzunehmen. In einem Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer und den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (beide CSU) schrieb Weber, Augsburg wolle seinen kommunalen Beitrag leisten. „Nach den aktuellen Geschehnissen bitten wir erneut zu prüfen, ob eine baldige Einreise von schutzbedürftigen Geflüchteten ermöglicht werden kann. Die Stadt Augsburg würde dies sehr begrüßen und soweit möglich auch gerne unterstützen“, so Weber. Die Situation auf Lesbos sei eine „humanitäre Katastrophe“, vor der niemand die Augen verschließen könne. Weber erntet für diesen Vorstoß aber auch Kritik.
Die Stadt hatte bereits im Frühsommer ihre Bereitschaft signalisiert, Flüchtlinge aufzunehmen. Auf Initiative von CSU und Grünen beschloss der Stadtrat Ende Mai, dass die Stadt sich bereit erklärt, angesichts der desolaten humanitären Situation auf Lesbos 25 Flüchtlinge im Kinder- und Jugendalter von dort aufzunehmen. Innerhalb der Koalition wurde das Thema von den Grünen massiv vorangetrieben.
Geschehen ist in diese Richtung seither aber nichts. Denn vorgesehen war und ist nicht, dass die Stadt in eigener Regie tätig wird, sondern sich zur Aufnahme bereit erklärt, sollten Flüchtlinge – zum Beispiel im Rahmen einer europäischen Lösung – auf Deutschland mitverteilt werden. Die rechtsstaatlichen Vorgaben seien nach wie vor einzuhalten, betonten Weber wie auch ihr Vorgänger Kurt Gribl (CSU), in dessen Amtszeit die Überlegungen ihren Anfang hatten. Es gehe um die Unterbringung im Rahmen der vorgesehenen Verfahren, wobei Weber via Facebook schrieb, dass die Stadt „leider“nicht selbst tätig werden könne.
Prinzipiell werden Flüchtlinge, deren Verfahren in Deutschland laufen, nach einer fixen Quote auf die einzelnen Bundesländer verteilt („Königsteiner Schlüssel“). Bayern verteilt die Flüchtlinge dann wiederum auf die Regierungsbezirke. Der Freistaat unterhält auch in Augsburg mehrere staatliche Unterkünfte, etwa in Inningen, Kriegshaber oder die zuletzt ausgebaute Unterkunft an der Berliner Allee.
Allerdings hat die Augsburger Geste trotzdem mehr als nur Symbolcharakter. Der Stadtrat beschloss im Mai nämlich auch, dass besonders schutzbedürftige Flüchtlinge – Kinder oder Kranke – im Rahmen von EU- oder Bundesprogrammen in Augsburg eine Heimat finden sollen. Dafür sollen konkret im Rahmen des Programms „Neustart im Team“Kooperationspartner wie Kirchen, Firmen oder auch Privatpersonen als Mentoren gefunden werden. Damit würde die Stadt mehr Flüchtlinge aufnehmen als sie müsste, wobei sich die Asylbewerber-Zahlen bundesweit zuletzt auch wegen Corona massiv nach unten bewegt hatten. Aufgrund von Corona ist das Programm aktuell auch ausgesetzt, die Stadt appelliert aber an die Bundesregierung, das Programm wieder aufzunehmen.
Sollte Bayern in Absprache mit dem Bund Flüchtlinge aufnehmen, kämen diese in staatliche oder dezentrale städtische Unterkünfte. Was die staatlichen Gemeinschaftsunterkünfte betrifft, sind diese derzeit relativ voll. In den Augsburger Einrichtungen gibt es rechnerisch Platz für 999 Menschen, so die Regierung von Schwaben. Aktuell leben dort 711 Personen, sodass 288 Plätze nicht belegt sind. Allerdings seien faktisch nicht alle Plätze belegbar. Mitunter seien Zimmer nicht voll belegbar, weil Bewohner erkranken oder eine Familie dort wohnt, oder sie fallen wegen Renovierungsmaßnahmen vorübergehend ganz weg. Hinzu komme, dass man coronabedingt gehalten sei, Unterkünfte möglichst nicht voll auszulasten, um den Infektionsschutz sicherzustellen, so Pressesprecher Karl-Heinz Meyer.
Augsburgs Sozialreferent Martin Schenkelberg (CDU) erklärte am Donnerstag auf Anfrage, dass in den dezentralen städtischen Unterkünften aktuell um die 70 Plätze verfügbar sind. Die genaue Zahl sei abhängig von der Familienkonstellation, in der Flüchtlinge untergebracht werden müssen. Insgesamt hat die Stadt in ihren Unterkünften, die übers ganze Stadtgebiet verteilt sind, derzeit 867 Menschen untergebracht. Nach dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle vor einigen Jahren waren es mehr als 1000 Personen, inzwischen sei der Bestand an Unterkünften aber reduziert worden. Auch hier gelte, dass man coronabeetwa dingt nicht an die Grenzen der Kapazitäten gehe. Was minderjährige Flüchtlinge betrifft, die ohne Eltern unterwegs sind, gibt es in Augsburger Einrichtungen aktuell um die 15 freie Plätze, so Schenkelberg.
Webers Ankündigung sorgte auf ihrer Facebook-Seite für erhitzte Diskussionen. Neben Zustimmung gab es auch eine Reihe von ablehnenden Kommentaren, mitunter mit roher Wortwahl. Die ablehnenden Kommentare beziehen sich unter anderem darauf, dass das Feuer in Moria womöglich von einigen Bewohnern selbst gelegt worden war. Dafür gibt es Anhaltspunkte.
Politisch hatten sich dem Vorhaben, sich zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit zu erklären, im Stadtrat im Mai alle Parteien mit Ausnahme der AfD angeschlossen. Die Sozialfraktion aus SPD/Linke forderte damals, Augsburg zur „sicheren Hafenstadt“zu erklären, wobei dieser Titel eher symbolischen Charakter hat. Die Grünen hatten dies im Wahlkampf auch gefordert, die CSU abgelehnt.
Der seither als Kompromiss vorgeschlagene Augsburger Weg – von der Regierungskoalition als „Augsburger Dreiklang“bezeichnet – sieht vor, dass Augsburg neben der gesetzlich vorgegebenen Aufnahme von Flüchtlingen auch Entwicklungszusammenarbeit zur Bekämpfung von Fluchtursachen fördert und besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen humanitäre Hilfe, etwas durch Aufnahme, leistet.
Am Donnerstag erneuerten SPD und Linke ihre Forderung nach einem entschiedenerem Vorgehen der Stadt. Um mehr Druck auf die Bundesregierung zu machen, damit diese Moria-Flüchtlinge aufnimmt, solle Augsburg versuchen, eine „Koalition der Willigen“unter den deutschen Städten zu schmieden, die Flüchtlinge aufnehmen wollen. „Bisher schummeln wir uns um unsere Verantwortung herum und verabschieden wohlklingende Beschlüsse. Diese ändern de facto nichts an den Umständen. Sie lassen die Menschen auf der Flucht alleine“, sagt der Fraktionsvorsitzender Florian Freund (SPD). Die bisherigen Beschlüsse wie auch Webers jetzige Ankündigungen seien „Nebelkerzen“, da man sich hinter dem Bund verstecken könne. Solange dieser nichts tue, müsse Augsburg auch nichts tun, sagt Stadträtin Christine Wilholm (Linke).