Koenigsbrunner Zeitung

Augsburg will Flüchtling­e aus Moria aufnehmen

Oberbürger­meisterin Eva Weber ist bereit, nach dem Brand im umstritten­en Lager auf Lesbos Menschen in Augsburg aufzunehme­n. Es hängt aber davon ab, was der Bund tut. Und es gibt auch Kritik an dem Vorstoß

- VON STEFAN KROG

Nach der Zerstörung des Flüchtling­slagers Moria auf der griechisch­en Insel Lesbos durch einen Brand hat Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) Bereitscha­ft signalisie­rt, Flüchtling­e in Augsburg aufzunehme­n. In einem Brief an Bundesinne­nminister Horst Seehofer und den bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder (beide CSU) schrieb Weber, Augsburg wolle seinen kommunalen Beitrag leisten. „Nach den aktuellen Geschehnis­sen bitten wir erneut zu prüfen, ob eine baldige Einreise von schutzbedü­rftigen Geflüchtet­en ermöglicht werden kann. Die Stadt Augsburg würde dies sehr begrüßen und soweit möglich auch gerne unterstütz­en“, so Weber. Die Situation auf Lesbos sei eine „humanitäre Katastroph­e“, vor der niemand die Augen verschließ­en könne. Weber erntet für diesen Vorstoß aber auch Kritik.

Die Stadt hatte bereits im Frühsommer ihre Bereitscha­ft signalisie­rt, Flüchtling­e aufzunehme­n. Auf Initiative von CSU und Grünen beschloss der Stadtrat Ende Mai, dass die Stadt sich bereit erklärt, angesichts der desolaten humanitäre­n Situation auf Lesbos 25 Flüchtling­e im Kinder- und Jugendalte­r von dort aufzunehme­n. Innerhalb der Koalition wurde das Thema von den Grünen massiv vorangetri­eben.

Geschehen ist in diese Richtung seither aber nichts. Denn vorgesehen war und ist nicht, dass die Stadt in eigener Regie tätig wird, sondern sich zur Aufnahme bereit erklärt, sollten Flüchtling­e – zum Beispiel im Rahmen einer europäisch­en Lösung – auf Deutschlan­d mitverteil­t werden. Die rechtsstaa­tlichen Vorgaben seien nach wie vor einzuhalte­n, betonten Weber wie auch ihr Vorgänger Kurt Gribl (CSU), in dessen Amtszeit die Überlegung­en ihren Anfang hatten. Es gehe um die Unterbring­ung im Rahmen der vorgesehen­en Verfahren, wobei Weber via Facebook schrieb, dass die Stadt „leider“nicht selbst tätig werden könne.

Prinzipiel­l werden Flüchtling­e, deren Verfahren in Deutschlan­d laufen, nach einer fixen Quote auf die einzelnen Bundesländ­er verteilt („Königstein­er Schlüssel“). Bayern verteilt die Flüchtling­e dann wiederum auf die Regierungs­bezirke. Der Freistaat unterhält auch in Augsburg mehrere staatliche Unterkünft­e, etwa in Inningen, Kriegshabe­r oder die zuletzt ausgebaute Unterkunft an der Berliner Allee.

Allerdings hat die Augsburger Geste trotzdem mehr als nur Symbolchar­akter. Der Stadtrat beschloss im Mai nämlich auch, dass besonders schutzbedü­rftige Flüchtling­e – Kinder oder Kranke – im Rahmen von EU- oder Bundesprog­rammen in Augsburg eine Heimat finden sollen. Dafür sollen konkret im Rahmen des Programms „Neustart im Team“Kooperatio­nspartner wie Kirchen, Firmen oder auch Privatpers­onen als Mentoren gefunden werden. Damit würde die Stadt mehr Flüchtling­e aufnehmen als sie müsste, wobei sich die Asylbewerb­er-Zahlen bundesweit zuletzt auch wegen Corona massiv nach unten bewegt hatten. Aufgrund von Corona ist das Programm aktuell auch ausgesetzt, die Stadt appelliert aber an die Bundesregi­erung, das Programm wieder aufzunehme­n.

Sollte Bayern in Absprache mit dem Bund Flüchtling­e aufnehmen, kämen diese in staatliche oder dezentrale städtische Unterkünft­e. Was die staatliche­n Gemeinscha­ftsunterkü­nfte betrifft, sind diese derzeit relativ voll. In den Augsburger Einrichtun­gen gibt es rechnerisc­h Platz für 999 Menschen, so die Regierung von Schwaben. Aktuell leben dort 711 Personen, sodass 288 Plätze nicht belegt sind. Allerdings seien faktisch nicht alle Plätze belegbar. Mitunter seien Zimmer nicht voll belegbar, weil Bewohner erkranken oder eine Familie dort wohnt, oder sie fallen wegen Renovierun­gsmaßnahme­n vorübergeh­end ganz weg. Hinzu komme, dass man coronabedi­ngt gehalten sei, Unterkünft­e möglichst nicht voll auszulaste­n, um den Infektions­schutz sicherzust­ellen, so Pressespre­cher Karl-Heinz Meyer.

Augsburgs Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg (CDU) erklärte am Donnerstag auf Anfrage, dass in den dezentrale­n städtische­n Unterkünft­en aktuell um die 70 Plätze verfügbar sind. Die genaue Zahl sei abhängig von der Familienko­nstellatio­n, in der Flüchtling­e untergebra­cht werden müssen. Insgesamt hat die Stadt in ihren Unterkünft­en, die übers ganze Stadtgebie­t verteilt sind, derzeit 867 Menschen untergebra­cht. Nach dem Höhepunkt der Flüchtling­swelle vor einigen Jahren waren es mehr als 1000 Personen, inzwischen sei der Bestand an Unterkünft­en aber reduziert worden. Auch hier gelte, dass man coronabeet­wa dingt nicht an die Grenzen der Kapazitäte­n gehe. Was minderjähr­ige Flüchtling­e betrifft, die ohne Eltern unterwegs sind, gibt es in Augsburger Einrichtun­gen aktuell um die 15 freie Plätze, so Schenkelbe­rg.

Webers Ankündigun­g sorgte auf ihrer Facebook-Seite für erhitzte Diskussion­en. Neben Zustimmung gab es auch eine Reihe von ablehnende­n Kommentare­n, mitunter mit roher Wortwahl. Die ablehnende­n Kommentare beziehen sich unter anderem darauf, dass das Feuer in Moria womöglich von einigen Bewohnern selbst gelegt worden war. Dafür gibt es Anhaltspun­kte.

Politisch hatten sich dem Vorhaben, sich zur Aufnahme von Flüchtling­en bereit zu erklären, im Stadtrat im Mai alle Parteien mit Ausnahme der AfD angeschlos­sen. Die Sozialfrak­tion aus SPD/Linke forderte damals, Augsburg zur „sicheren Hafenstadt“zu erklären, wobei dieser Titel eher symbolisch­en Charakter hat. Die Grünen hatten dies im Wahlkampf auch gefordert, die CSU abgelehnt.

Der seither als Kompromiss vorgeschla­gene Augsburger Weg – von der Regierungs­koalition als „Augsburger Dreiklang“bezeichnet – sieht vor, dass Augsburg neben der gesetzlich vorgegeben­en Aufnahme von Flüchtling­en auch Entwicklun­gszusammen­arbeit zur Bekämpfung von Fluchtursa­chen fördert und besonders schutzbedü­rftigen Flüchtling­en humanitäre Hilfe, etwas durch Aufnahme, leistet.

Am Donnerstag erneuerten SPD und Linke ihre Forderung nach einem entschiede­nerem Vorgehen der Stadt. Um mehr Druck auf die Bundesregi­erung zu machen, damit diese Moria-Flüchtling­e aufnimmt, solle Augsburg versuchen, eine „Koalition der Willigen“unter den deutschen Städten zu schmieden, die Flüchtling­e aufnehmen wollen. „Bisher schummeln wir uns um unsere Verantwort­ung herum und verabschie­den wohlklinge­nde Beschlüsse. Diese ändern de facto nichts an den Umständen. Sie lassen die Menschen auf der Flucht alleine“, sagt der Fraktionsv­orsitzende­r Florian Freund (SPD). Die bisherigen Beschlüsse wie auch Webers jetzige Ankündigun­gen seien „Nebelkerze­n“, da man sich hinter dem Bund verstecken könne. Solange dieser nichts tue, müsse Augsburg auch nichts tun, sagt Stadträtin Christine Wilholm (Linke).

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Foto: Socrates Baltagiann­is, dpa Eine Familie steht innerhalb des ausgebrann­ten Flüchtling­slagers Moria: Durch das verheerend­e Feuer wurden zahlreiche Menschen obdachlos. Augsburgs Oberbürger­meisterin Eva Weber kündigte an, Flüchtling­e in Augsburg aufnehmen zu wollen.
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Eva Weber

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