Eine höchst ungewöhnliche Karriere
Sigurd Emme kam 1982 als Bratschist zu den Augsburger Philharmonikern. Fast 40 Jahre später verlässt er das Haus als langjähriger Orchestergeschäftsführer. An seiner Haltung zerbrachen auch Freundschaften
Was gäbe es nicht alles zu erzählen und was bleibt am Ende von einem Berufsleben? Geschichten produziert ein Berufsleben im Theater mehr, als man sich ausdenken kann. Wer wie Sigurd Emme fast 40 Jahre am Haus beschäftigt ist, hat Intendanten und Generalmusikdirektoren kommen und gehen gesehen. Jetzt ist er es, der mit 66 Jahren Abschied nimmt. Seine Nachfolgerin als Orchestergeschäftsführerin hat er noch einen Monat eingearbeitet, dann ist Schluss.
Was bleibt da? Bei Emme Zufriedenheit. „Ich würde nichts anders machen“, sagt er und denkt vor allem an die einschneidende Entscheidung in seinem Berufsleben. Als Bratschist war er 1982 nach Augsburg gekommen. Aber dann, nach 23 Jahren als Berufsmusiker, wollte Emme nicht mehr einer von vielen im Orchester sein. „Ich wollte Verantwortung übernehmen.“Zuvor war er schon ein paar Jahre im Orchestervorstand gewesen, aber noch als Musiker. Als sein Vorgänger als Orchestergeschäftsführer das Haus verließ, bewarb sich Emme, bekam den Zuschlag und legte sein Instrument zur Seite.
Das Publikum sah ihn nicht mehr in den Sinfoniekonzerten auf der Bühne, vielmehr erfüllte Emme dahinter eine wichtige Funktion für das Orchester – von den Dienstplänen bis zur Organisation von Gastspielreisen, etwa nach Mallorca. Es sei von Vorteil gewesen, dass er das Orchester als Musiker so gut gekannt habe, sagt Emme. „Aber es sind auch Freundschaften zerbrochen.“Denn eines wollte er als Orchestergeschäftsführer immer tun: Alle gleich behandeln und niemanden bevorzugen, vor allem nicht seine Frau Beate Emme, ebenfalls eine Bratscherin, mit der er viele Jahre gemeinsam gespielt hat. Beide stammen sie aus Bremen, hatten sich schon kurz am Konservatorium dort kennengelernt, sich dann beide im gleichen Jahr in Augsburg beworben und sind auch beide engagiert worden. Jahre später erst hat es dann zwischen beiden gefunkt.
15 Jahre lang organisierte Emme den Alltag des Orchesters. Ohne groß nachdenken zu müssen, sind die Zahlen ihm präsent: 24 Geigen, 8 Bratschen, 6 Celli, 5 Kontrabässe, 3
Flöten, 3 Oboen, 2 halbe und 2 ganze Klarinetten, 3 Fagotte, 5 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, eine Harfe, eine Pauke, 2 Schlagzeuger, also 71 Musiker zusammengenommen. Zu Emme kamen sie manchmal auch, wenn es persönliche Probleme und Lebenskrisen gab, Momente, in denen er ganz gefordert war.
Als das Staatstheater in den frühen 1990er Jahren eine Saison in die Kongresshalle ausweichen musste, weil die Bühnentechnik erneuert wurde, war er noch Orchestermusiker. Als die Kongresshalle während der Sanierungsarbeiten als Spielstätte fürs Orchester ausfiel, musste Emme einen Ersatzort mitsuchen. Statt der Reischleschen Wirtschaftsschule wurde es die Stadthalle Gersthofen, die als Ausweichquartier diente. Für den frisch nach Augsburg berufenen Dirk Kaftan suchte er ungewöhnliche Spielstätten. „Ich habe nach einer Fabrikhalle geschaut“, erzählt Emme. Auslöser für eine höchst gewinnbringende Liaison der Augsburger Philharmoniker. Denn aus den ersten Konzerten bei MAN entstand eine dauerhafte Partnerschaft, von ihrem Großsponsor profitieren die Philharmoniker und das Augsburger Publikum bis heute.
Generalmusikdirektor Domonkos Héja bezeichnet die Zusammenarbeit mit Emme als sehr gut. „Als ich hergekommen bin, habe ich vier, fünf Monate bei ihm gewohnt“, erinnert sich Héja. Weder Héja noch Emme hätten gedacht, dass es so lange dauert, bis Héja für sich und seine Familie etwas Passendes findet. „Das hat nicht nur ein Arbeitsverhältnis, sondern auch eine Freundschaft begründet“, sagt Héja und lobt die große Zuverlässigkeit und Unterstützung von Emme. „Er ist der Motor des Orchesters.“
Ein Musiker, der Emme schon seit Studienzeiten kennt, lobt ihn ebenfalls sehr. Der Werdegang vom Bratschisten zum Orchestergeschäftsführer gehöre laut Cellist René Correa zu den sehr ungewöhnlichen. Die Rolle, die Emme zu erfüllen hatte, sei eine sehr schwierige gewesen. „Er saß ständig zwischen Intendanz und Orchester“, sagt Correa, da könne man es nicht jedem recht machen. „Emme war ein sehr guter Diplomat.“
Sein Instrument spielt Emme schon viele Jahre nicht mehr. Ob er jetzt im Ruhestand wieder zur Bratsche greife, könne er noch nicht sagen. Dafür aber, dass er sich in Fischach als Senioren- und Behindertenbeauftragter der Gemeinde einbringen werde. Außerdem sei er Vereinsvorsitzender der Musikschule Fischach. Und dann habe er in Zukunft auch mehr Zeit für seine drei Enkelkinder und natürlich auch für seine Frau Beate Emme.