Hoffnung auf den „PostCoronaBoom“
Nach dem massiven Wirtschaftseinbruch erwarten Volkswirte im neuen Jahr eine Rückkehr der Lebensfreude und ein starkes Wachstum. Doch bis dahin müssen viele Betriebe noch durch ein tiefes Tal gehen
Frankfurt am Main Die Gasthäuser haben geschlossen, Kinos und Fitnessstudios sind zu. Deutschlands Wirtschaft, so empfindet man es, stolpert durch den Corona-Herbst wie ein Spaziergänger durch dicken Nebel. Vielen Menschen geht es ähnlich. Wann ist die Pandemie zu Ende? Wird ein Impfstoff wirken? „Die Mächtigkeit einer globalen Pandemie wurde uns eindrücklich vor Augen geführt“, sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der genossenschaftlichen DZ-Bank, als er die Konjunktur- und Kapitalmarktaussichten des Instituts für das kommende Jahr vorstellte. Deutschland wird dieses Jahr mit einer Rezession abschließen. Aber die ersten Volkswirte sehen bereits hellere, klare Tage. Denn das kommende Jahr werde bestimmt von einem „PostCorona-Boom“, prognostiziert Bielmeier.
Die DZ-Bank erwartet nächstes Jahr „sehr kräftiges Wachstum“. Nach dem Herunterfahren der Wirtschaft im Frühjahr, aber auch mit dem zweiten Teil-Lockdown im Herbst hatten die Bürger weniger Gelegenheit, Geld auszugeben. Die Sparquote sei hoch gewesen, hat die DZ-Bank beobachtet. Das könnte sich ändern: „Nächstes Jahr wird das Geld wieder kräftiger ausgegeben werden“, erwartet Bielmeier. Dies sehe man aktuell in China. „Dort geben die Leute das Geld mit vollen Händen aus.“
Grund für Konjunktur-Optimismus: Sollte das Coronavirus nächstes Jahr in den Griff zu bekommen sein, erwarten die Experten eine „Rückkehr der Lebensfreude“, wie es Christian Kahler, der Chefstratege der DZ-Bank, nennt. Die Menschen könnten wieder Konzerte besuchen, in den Urlaub fahren, das Versäumte nachholen. „Nach allen Krisen der jüngeren Vergangenheit ist bisher ein Boom erfolgt“, sagt Kahler. Fast alle Regionen der Welt werden den DZ-Bank-Prognosen zufolge wachsen, Deutschland um 3 Prozent, China gar um knapp 9 Prozent. Der Aktienindex Dax könnte auf bis zu 14 000 Punkte steigen.
Durch die US-Wahl erwartet Chefvolkswirt Bielmeier zwar kein Ende der Handelsstreitigkeiten: „Der neue Präsident Joe Biden wird die Handelspolitik gegenüber China nicht so sehr ändern, das AmericaFirst-Denken wird weiter eine Rolle spielen.“Europas Zentralbanken werden aber an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten, die Zinsen bleiben niedrig, prognostiziert er. Das hilft der Wirtschaft.
Noch einen Tick positiver sind die Konjunktur-Erwartungen von Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud. Sie erwartet, dass sich die Staaten weiter wie eine „Nanny“verhalten: Sie lenken mit Ausgangssperren, Mundschutz-Regeln und anderem mehr das Verhalten der Menschen, stehen der Wirtschaft aber auch mit massiven Hilfen zur Seite. Damit könnte 2021 die Wirtschaft kräftig wachsen.
Sicher, es kann ganz anders kommen: Bleibt der Impfstoff aus, mutiert das Virus oder treten andere unvorhergesehene Ereignisse ein, dann könnte die Krise wie ein „Poltergeist“die Wirtschaft nochmals auf Talfahrt schicken, meint Traud. Umgekehrt könnte alles besser kommen und ein Digitalisierungsboom das wirtschaftliche Leben und die Aktienmärkte noch stärker beflügeln. Beide Szenarien stuft die Helaba aber als nicht sehr wahrscheinlich ein.
Bis zum Boom steht zunächst ein harter Winter ins Haus: Das nächste halbe Jahr werde wirtschaftlich noch „schwierig“, sagt DZ-BankExperte Bielmeier. Die CoronaPandemie hat viele Länder fest im Griff, die Gegenmaßnahmen könnten sogar noch restriktiver werden.
Tatsächlich ist man derzeit in Bayern vom Boom noch weit entfernt. „Die bayerische Wirtschaft befindet sich aufgrund der CoronaPandemie weiterhin in einer extrem schwierigen Lage“, sagte diese Woche Wolfram Hatz, Präsident der
Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, kurz vbw. Bleibe der TeilLockdown auf den November begrenzt, werde Bayerns Wirtschaft dieses Jahr um 6,5 Prozent schrumpfen. „Falls der Lockdown verlängert wird, ist mit einem Rückgang von 7 Prozent zu rechnen“, sagt Hatz.
Das hinterlässt am Arbeitsmarkt Spuren. Die Zahl der Arbeitslosen in Bayern wird dieses Jahr deutlich ansteigen – um rund 71200 auf rund 280000, davon geht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus. Die Arbeitslosenquote im Freistaat würde sich heuer um rund ein Drittel auf 3,7 Prozent erhöhen und auch nächstes Jahr noch zulegen. „Das bereitet uns Sorge“, sagt vbwHauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Er fordert, auf neue Belastungen der Wirtschaft zu verzichten und lehnt ein Recht auf Homeoffice oder Steuererhöhungen ab.
Getroffen hat die Corona-Krise auch viele Unternehmen in unserer Region. Die Commerzbank hat in Schwaben und Teilen Oberbayerns 50 Mittelständler zu den Folgen der Corona-Krise befragt. Davon sagte nur rund ein Drittel, dass sie die Krise nicht trifft. Ein weiteres Drittel ist betroffen, das letzte Drittel sehr stark, teilweise so sehr, dass die Existenz bedroht ist. Die schwäbischen Unternehmer schlagen sich leicht besser als es bundesweit der Fall ist. Für die Commerzbank ein Hinweis, dass sich Unternehmen in der Region etwas konservativer aufstellen oder mehr Rücklagen gebildet haben.
„Es gibt aber Branchen, die extrem stark leiden, darunter Gastronomie und Tourismus“, sagt Commerzbank-Niederlassungsleiter Stefan Rossmayer. „Geschwächte Branchen trifft der zweite Lockdown härter, wenn man zum Beispiel an einen Partyservice denkt“, fügt er an. Er rechnet zwar nicht mit einer großen Insolvenzwelle. Es sei aber möglich, dass einzelne Firmen in die Krise rutschen, wenn zum Jahresende die Erleichterungen im Insolvenzrecht auslaufen.
Die Erholung, sie wird also Zeit brauchen. „Das Vor-Krisen-Niveau werden wir insgesamt erst im Jahr 2022 erreichen, in manchen Branchen sogar später“, sagt vbw-Präsident Hatz.
Dichter Nebel ist so schnell nicht verschwunden.