Wie Corona den Musikunterricht ausbremst
Die verschärften Regeln treffen einzelne Lehrer und ganze Schulen. Die Verantwortlichen betrachten Online-Angebote nur als Notlösung, die das gemeinsame Musizieren nicht ersetzen kann
Am Freitag durfte Kristina Dumont ihre Geigenschüler noch unterrichten. Die nächsten Wochen wird es in ihrem Übungsraum sehr still werden, auch ihre Stunden außer Haus fallen aus. Die verschärften CoronaRegeln, die die Schließung von Einrichtungen wie Fahr- oder Musikschulen beinhalten, treffen die 39-Jährige sehr. Dabei geht es der Augsburgerin in erster Linie gar nicht um den wirtschaftlichen Aspekt, sondern um das psychologische Moment – für beide Seiten. „Für uns Musiker ist nach dem Wegfall der Konzerte nur noch der Unterricht geblieben. Und auch für viele unsere Schüler waren die Stunden das letzte Stück Normalität, nachdem andere Aktivitäten etwa in Sportvereinen schon länger nicht mehr möglich sind.“
Nach dem kompletten Lockdown im Frühjahr begann Dumont wieder mit ihren Schüler zu arbeiten – mit einem umfangreichen Hygienekonzept, wie sie betont. Weil sie fast ausschließlich Einzelunterricht gibt, wähnte sie sich auf der sicheren Seite, bis am Dienstag zunächst die Stadt Augsburg die neuen Beschränkungen bekannt gab. Diese gelten jetzt auch bayernweit als Teil der sogenannten Hotspot-Strategie, die bei einem Inzidenzwert von 200 Corona-Infektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen in Kraft tritt. Die Möglichkeit, anstelle von Präsenzunterricht auf Online-Stunden zurückzugreifen, kann Dumont nur sehr begrenzt wahrnehmen. Das gehe nur mit einem begrenzten Schülerkreis. Wie sehr Kinder unter den momentanen Bedingungen leiden, erlebt die dreifache Mutter gerade auch in ihrer eigenen Familie. „Meine Tochter, die sich auf den Jugend-Musiziert-Regionalwettbewerb im Januar in der Ensemblewertung beworben hat, darf und kann nun nicht mehr mit ihrem Duopartner gemeinsam üben. Eine Teilnahme unter diesen Bedingungen steht in den Sternen.“
Bereits die erste Corona-Welle hat die Arbeit in der Sing- und Musikschule Mozartstadt Augsburg (Summa) mit ihren rund 2100 Schülern umgekrempelt. Seither gebe es keine Angebote mehr in großen Gruppen, sondern nur noch Einzeloder Kleingruppenunterricht, sagt Leiter Karl Höldrich. Aus dieser Situation heraus seien auch weitere Unterrichtsformen wie Online-Betreuung per Videotelefonie oder Arbeiten mit Video- und Audiodateien entstanden. „Die Kollegen haben hier eine große Kreativität an den Tag gelegt.“In welchem Maß in den nächsten Wochen wieder auf digitale Angebote zurückgegriffen werde, hänge von vielen Faktoren ab. Dazu zähle neben den technischen Voraussetzungen auch die Affinität von Lehrkräften und Schülern für diese Unterrichtsformen. „Bei unseren Seniorenangeboten werden Notensätze beispielsweise eher mit der Post verschickt“, sagt Höldrich. Der Schulleiter sieht die digitalen Angebote als „Überbrückung“, nicht als vollwertigen Ersatz. „Bei all unserem Tun setzen wir in erster Linie auf die Präsenz und die persönliche Begegnung.“
Ähnliche Worte sind von Stefan Steinemann, dem Leiter der Augsburger Domsingknaben, zu hören. Auch wenn man in den vergangenen Monaten in digitaler Hinsicht viel gelernt habe, seien diese Unterrichtsformen extrem aufwendig – bei einem geringen Ergebnis.
Am Freitag konnte der Domkapellmeister noch nicht sagen, ob der Präsenzunterricht in den nächsten Wochen komplett heruntergefahren werden müsse und welche Bestimmungen für die Nachmittagsbetreuung gälten. „Wie wir jetzt erfahren haben, zählen wir nicht zu den Musikschulen.“Während diese nun keinen Präsenzunterricht mehr anbieten dürften, sei Musikunterricht an regulären Schulen weiterhin möglich.
Unabhängig davon steht für Steinemann der Gesundheitsschutz der Schüler an erster Stelle. Daher läuft auch im Domizil der Domsingknaben, dem Haus Ambrosius, seit Monaten der Unterricht unter CoronaBedingungen. Alle geplanten Konzerte sind abgesagt, die Auftritte beschränken sich auf die gesangliche Umrahmung der Gottesdienste im Dom.