Wahrheit braucht Freiheit
Heribert Prantl fordert streitbare Journalisten
Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit: Im Zeichen grassierender Fake News sind sie nicht weniger geworden als für Bertolt Brecht im Exil 1935 in Dänemark. Darauf hob Heribert Prantl, der streitbare Kommentator der Süddeutschen Zeitung, in seinem Vortrag auf Einladung des Augsburger Bert-BrechtKreises ab. Am Montagabend war er im Livestream des Evangelischen Forums Annahof zu hören.
In über 60 Minuten schritt Prantl den weiten Horizont von Segen und Fluch des Journalismus ab. Er geißelte den „massenmedialen Tunnelblick“in Coronazeiten, forderte das Reizklima einer kontroversen Debatte und definierte den Journalismus als „Bäckerei der Demokratie“. Pressefreiheit sei kein Selbstzweck und diene nicht zur Befriedigung eines Egotrips. Vielmehr lege sie die Grundlage, die Wahrheit ans Licht zu bringen und die unter den Teppich gekehrten Skandale aufzudecken. Doch dabei dürften Journalisten nicht stehen bleiben. Beharrlich müssten sie auch die wesentlichen Rechtsprinzipien einer Demokratie zur Geltung bringen. Die Würde jedes Menschen und die Freiheit der Person. Prantl griff immer wieder auf seinen jahrzehntelangen Kampf für ein humanes Asylrecht zurück.
Aktuell bereitet dem SZ-Kommentator der staatliche Umgang mit der Corona-Pandemie große Sorge. Nie habe es so viele Falschinformationen gegeben. Selbst journalistische Sorgfalt gewährleiste nicht unbedingt die ganze Wahrheit. Prantl fühlt sich wie in einem Dunkelraum, worin die Welt auf das Maß des Blindenstocks schrumpft. „Man weiß nicht, wie es ausgeht und wem man trauen kann. Corona stellt den Kopf auf den Kopf.“In ihrer Not klammern sich die Menschen an den Staat, er soll Sicherheit geben und der eigenen Hilflosigkeit abhelfen. „Das ist die Gefahr in der Gefahr.“
Prantl verteidigte die Pressefreiheit auch dort, wo sie nicht Qualität hervorbringt, sondern Vorurteile und Anprangerung. Freiheit sei ein zerbrechliches Gut. „Aber ihre Früchte dürfen nicht giftig sein“, sagte er im Blick auf menschenfeindliche Haltungen und Hasspropaganda, wozu er insbesondere den Rassismus zählt. Das Grundgesetz sei „kein Kostümverleih“, womit man unlautere Absichten zum Sturz der freiheitlichen demokratischen Ordnung bemänteln kann. „Man darf die Verfassung nicht den radikalen Extremisten überlassen.“