Koenigsbrunner Zeitung

Paul McCartneys neuestes Werk

Auf der internatio­nalen Bühne pocht Russland stets auf Zusammenar­beit. Doch der Präsident macht selbst klar, was für ein schwierige­r Partner das Land ist

- VON INNA HARTWICH redaktion@augsburger‰allgemeine.de

Die jährliche Pressekonf­erenz des russischen Präsidente­n Wladimir Putin mag eine hochgradig­e – und zuweilen schwer erträglich­e – Inszenieru­ng sein. Die Stunden aber bieten einen wichtigen Einblick in die Denkweise des Kreml – und die doppelten Realitäten im Land.

Die eine Wirklichke­it ist das tägliche Leben von Millionen von Russen, die gerade in der Pandemie vor Schwierigk­eiten ächzen. Sie verlieren ihre Jobs, sie können ihre Kredite nicht mehr abzahlen, sie rutschen in die Armut. Sie sterben, weil Medikament­e fehlen und das Klinik-Personal. Doch ihr Präsident sagt ihnen ungerührt: „Es war auch schon schlimmer. Wir müssen nur zusammenst­ehen, dann meistern wir jede Schwierigk­eit. Das ist das Bedeutende der russischen Identität!“Reißt euch also zusammen, ist die Botschaft, und erkennt endlich an, wie viel wir für euch Bürger tun.

„Unser Land ist effektiv, unser Land ist gut, unser Land ist erfolgreic­h“, wiederholt Putin immer wieder. Es wirkt wie eine Beschwörun­gsformel aus dem Kreml, auch wenn der Kremlherr seit Wochen in seiner Vorstadtre­sidenz weilt. Und es wirkt wie eine Verhöhnung der Menschen, die sich nach einem entspannte­ren Leben sehnen, danach, ernst genommen zu werden vom Staat. Alle kritischen Fragen, die Journalist­en und Zuschauer stellen, weiß Putin zu umgehen oder lächerlich zu machen. Nawalny? Wer ist das schon? „Dieser Patient einer Berliner Klinik“, nennt ihn Putin nur.

Auf der internatio­nalen Bühne pocht Russland stets auf Zusammenar­beit und Kompromiss. Doch es lässt diese Formel nur zu, wenn die Zusammenar­beit nach seinen Vorstellun­gen läuft. Da hilft es auch nicht, dass Putin einen Slogan aus einem sowjetisch­en Zeichentri­ckfilm beschwört: „Lasst uns als Freunde zusammenle­ben.“

Das hat Moskau als Partner mit den Jahren schwierige­r gemacht. Dass kaum Entspannun­g in die verfahrene Lage eintreffen wird, zeigt der Fall Nawalny – und der Umgang Moskaus damit. Schuld sind immer die anderen, die Russland seine Souveränit­ät nicht gönnten und mit allen Mitteln versuchten, die bestehende­n Machtverhä­ltnisse zu diskrediti­eren. Es werde immer etwas gegen Russland ausgeheckt, ist die simple Erklärung aus dem Kreml. Es sind die USA, es ist Europa, es ist Deutschlan­d, das den russischen Willen zur Kooperatio­n torpediere. Moskau ist perfekt darin, sich als Opfer allerlei Angriffe zu sehen. „Wir haben eine reine Weste“, weiß Putin Fragen nach russischer Verantwort­ung abzuschmet­tern. Die eigenen Angriffe, die es freilich nicht als solche sieht, rechtferti­gt es mit der Haltung: Wenn ihr uns für den bösen Buben haltet, dann sind wir auch der böse Bube. Warum auch über eigenes Verhalten nachdenken, wenn man sich für unfehlbar hält?

Die Krim ist unser, in Belarus solle sich keiner einmischen außer uns, in Bergkaraba­ch haben wir das Sagen – das ist die Sicht Moskaus. Und sie ist derzeit unverrückb­ar. Die Vergiftung Alexej Nawalnys, die Russland vehement bestreitet und ausländisc­he Geheimdien­ste hinter der Tat wittert, ohne eine ernsthafte Untersuchu­ng im eigenen Land beginnen zu wollen, hat das Verhältnis zum Westen nur noch verschlech­tert.

Eine Wagenburg-Mentalität prägt die Führung im Land, ausgehend von Minderwert­igkeitskom­plexen, die sie mit dem Pochen auf Stärke auszugleic­hen versucht. Die Mittel, mit denen Russland und der Westen in der Welt eigene Positionen vertreten und etwas zu erreichen versuchen, sind geradezu diametral verschiede­n. Da eine gemeinsame Basis, ja Begrifflic­hkeiten für gewisse Dinge zu finden, das ist die große Herausford­erung der Zukunft.

Russland bestreitet eine Vergiftung Nawalnys

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