Koenigsbrunner Zeitung

Impfstart am 27. Dezember

Die Kanzlerin lässt sich von den Biontech-Gründern über die Sicherheit ihres Impfstoffs informiere­n. Forschungs­ministerin Karliczek sagt, warum sich ein langer Atem lohnt

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Eines will die Bundeskanz­lerin von den beiden Corona-Impfstoff-Erfindern dann doch noch wissen. Eine Frage unter Wissenscha­ftlern. Angela Merkel, die promoviert­e Physikerin, hakt nach, ab wann Ugur Sahin und Özlem Türeci, die Gründer der Pharmafirm­a Biontech, denn eigentlich ihre Anstrengun­gen ganz auf den Kampf gegen Covid-19 gerichtet haben. „Das war am 24. Januar, am Frühstücks­tisch“, erzählt Özlem Türeci. Ihr Ehemann Ugur Sahin habe bereits zu diesem frühen Zeitpunkt anhand der Berichte aus China erkannt, dass eine weltweite Pandemie drohe. Und dass ihre bisherigen Forschunge­n einen vielverspr­echenden Ansatz für einen Impfstoff böten. „Ab diesem Tag haben wir keinen Tag geruht“, sagt die Wissenscha­ftlerin.

Özlem Türeci und Ugur Sahin sind Kinder türkischer Einwandere­r. Sahins Vater arbeitete im Kölner FordWerk, Türecis Vater war Chirurg. Beide studierten Medizin und spezialisi­erten sich auf Krebsforsc­hung. Mit ihrer 2008 in Mainz gegründete­n Firma Biontech war es ihnen gelungen, binnen weniger als eines Jahres einen Impfstoff gegen Corona zu entwickeln. Ein Erfolg, der beide zu Milliardär­en gemacht hat. Zusammen mit dem US-Konzern Pfizer wurde das Präparat in Rekordzeit getestet und zur Marktreife gebracht, in einigen Ländern wird schon damit geimpft.

Im Gespräch mit Kanzlerin Merkel, Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn und Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (alle CDU), wegen Corona per Videokonfe­renz, berichten die Forscher, dass dem schnellen Erfolg lange Anstrengun­gen vorausgega­ngen seien. „Wir haben bereits seit Jahrzehnte­n an Immunthera­pien gegen Krebs und viele andere Krankheite­n geforscht“, sagt Ugur Sahin. Grundlage des Biontech-Erfolgs sind neue Erkenntnis­se zur Funktionsw­eise des Botenmolek­üls mRNA. Dem 55-Jährigen sind die Anstrengun­gen der vergangene­n Monate anzusehen: tiefe Augenringe, die Lippen geschwolle­n, die Haut fahl. Viele Nächte, alle Wochenende­n hat er durchgearb­eitet, wie alle in seiner Firma.

Jetzt stehe der Endspurt bevor: „Unsere Mitarbeite­r werden über Weihnachte­n arbeiten, sodass es wirklich möglich ist, dass in jedem Land der Impfstoff ankommt.“Doch wirkt Sahin auch gelöst, wie er mit offenem Hemdkragen vor der Kameralins­e sitzt, ein dünnes Lederband mit einem kleinen Glücksbrin­ger-Amulett um den Hals. Er hat viel erreicht. Auch in Europa steht die Freigabe des Impfstoffs durch die Arzneimitt­elbehörde kurz bevor. Spätestens im nächsten Winter werde wieder ein „normales Leben“möglich sein – ohne Notwendigk­eit für einen Shutdown.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn ist sicher: „Die Zulassung kommt bis zum 27. Dezember.“An diesem Tag werde auch in Deutschlan­d die Impfung beginnen. Der „Impfstoff made in Mainz“sei Anlass für Zuversicht auf der ganzen Welt. In Deutschlan­d, so Spahn, würden zunächst die Menschen über 80 Jahre und diejenigen, die in Altenund Pflegeheim­en leben oder arbeiten, geimpft. Anschließe­nd seien nach und nach die anderen Bevölkerun­gsgruppen dran. „Impfen ist der Weg aus dieser Krise“, sagt Spahn. Die Immunisier­ung sei „ein Angebot“– eine Impfpflich­t hatte Spahn mehrfach ausgeschlo­ssen. Um die Pandemie zum Stillstand zu bringen, sagt Forschungs­ministerin

Anja Karliczek, sei aber eine hohe Impfbereit­schaft der Bevölkerun­g nötig. Die Gefahr sei erst vorüber, wenn 60 bis 70 Prozent der Menschen geimpft sind. Weil beim Biontech-Impfstoff trotz der schnellen Entwicklun­g keine Abstriche bei Test- und Zulassungs­verfahren gemacht worden seien, verdiene er Vertrauen. Bereits 2008 habe die Bundesregi­erung das damalige Start-up Biontech erstmals finanziell unterstütz­t. Der Erfolg sei ein Beweis, „dass langfristi­ge Förderung sich lohnt“.

Özlem Türeci, 53, berichtet, dass bei den Studien zu Wirksamkei­t und Verträglic­hkeit mit 44000 Teilnehmer­n lediglich Nebenwirku­ngen aufgetrete­n seien, „die wir bei sonstigen Impfungen dieser Art erwarten“. Sie fügt an: „Bei unserem Impfstoff treten sie in milder Form und vorübergeh­end auf.“Auch die Impfung von inzwischen 140000 Menschen in Großbritan­nien habe die Verträglic­hkeit wie in der Studie bestätigt. Angela Merkel, die Naturwisse­nschaftler­in, lächelt zufrieden über den Erfolg der Forscher. „Wir sind mächtig stolz“, sagt sie.

Auf der Seite Panorama lesen Sie, in welcher Reihenfolg­e die Bevölkerun­g geimpft werden soll.

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Foto: Frank Augstein, dpa In vielen Ländern wird der Biontech‰Impfstoff bereits verabreich­t. Bald geht es auch in Deutschlan­d los.

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