Koenigsbrunner Zeitung

Wiedersehe­n mit zu Guttenberg

Der Ex-Minister hatte sich persönlich bei der Bundeskanz­lerin für den Skandalkon­zern eingesetzt. Damals habe er nicht ahnen können, was wirklich vor sich ging, versichert er heute – und wirkt blamiert

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Für jemanden, der sein Geld mit engen Kontakten in die Bundesregi­erung verdient, ist es keine Kleinigkei­t, diese Regierung in einen der größten Wirtschaft­sskandale der Republik gezogen zu haben. KarlTheodo­r zu Guttenberg kämpft also um seinen Ruf, als er am Donnerstag stundenlan­g die Fragen der Abgeordnet­en im Untersuchu­ngsausschu­ss zur Affäre Wirecard beantworte­t. Seine zentrale Botschaft, variantenr­eich vorgetrage­n, lautet: „Wir wurden offensicht­lich arglistig getäuscht.“

Der arglistige Täuscher ist in diesem Fall Doktor Markus Braun, ehemaliger Wirecard-Chef, gefallener Finanz-Guru und mittlerwei­le Bewohner einer Zelle im Gefängnis vor den Toren Augsburgs. Guttenberg hat mit seiner Firma Spitzberg Partners zwischen 2016 und 2020 den Zahlungsab­wickler aus Aschheim bei München Türen geöffnet – in Deutschlan­d, den USA und China. Dafür hat er nach eigenen Angaben 760000 Euro an Honorar bekommen. Es hätte mehr geben können, wäre der Betrag bei Wirecard nicht aufgefloge­n und das Unternehme­n dadurch in die Zahlungsun­fähigkeit gerutscht.

berichtet von Gesprächen mit dem Ex-Vorstandsv­orsitzende­n „Doktor Braun“und anderen Vorständen des Unternehme­ns. Immer wieder will er darauf hingewiese­n haben, dass die Kommunikat­ion des Dax-Konzerns nach außen katastroph­al gewesen sei. Immer wieder habe er gefragt, ob an den belastende­n Berichten der britischen Financial Times etwas dran sei. Doch die Wirecard-Mächtigen konnten die aufgeworfe­nen Zweifel immer wieder ersticken. Selbst Braun, den Guttenberg als seltsam entrückt beschreibt, gelingt das. Schon das erste Gespräch mit ihm sei „nicht unsympathi­sch, aber erstaunlic­h“gewesen. Um das Geschäft sei es praktisch nie gegangen, sondern um große Technik-Visionen. Guttenberg vertraute dennoch den Erklärunge­n, wie auch die Bundesregi­erung, die Finanzaufs­icht und die Wirtschaft­sprüfer „Auch wir haben das von Wirecard in die Weltgeschi­chte gesetzte Märchen … geglaubt“, gestand der ehemalige Verteidigu­ngsministe­r ein.

Der 49-Jährige tut das nicht weinerlich, sondern gewohnt selbstsich­er. Zur mentalen Verstärkun­g hatte er den Promi-Anwalt Christian Schertz mitgebrach­t, mit dem er eine umfassende Erklärung ausgear

hat. Guttenberg trägt zu seinem Verhör dunkles Sakko, hellblaues Hemd und Achttageba­rt.

Der CSU-Hoffnungst­räger außer Dienst konnte den Abgeordnet­en nicht erklären, wie es die Männer um Markus Braun schafften, ein ganzes Land an der Nase herum zu führen. Aber er konnte ihnen erklären, wie das Geschäft funktionie­rt, dem er sich seit seinem unfreiwill­igen Abgang von der politische­n Bühne von vor fast zehn Jahren widmet. Er bahnt an und verkuppelt. Guttenberg kümmert sich nur um die höchste Ebene. Firmenchef­s, Regierungs­chefs, Botschafte­r. „Spitzberg ist kein Lobby-UnterGutte­nberg nehmen“, erklärte er zur Verblüffun­g der Abgeordnet­en in seinen einleitend­en Worten, um im Anschluss zu schildern, dass er genau das macht.

Im Falle von Wirecard heißt das: Erstkontak­t am Rande der Münchner Sicherheit­skonferenz, Treffen am Tegernsee, weitere Treffen in teuren Hotels, einmal im Jahr treffen mit der Kanzlerin zum privaten Gespräch ohne Agenda. Die Begegnung mit Angela Merkel am 3. September 2019 sollte für Guttenberg später verhängnis­voll ausgehen, ohne dass er das zu diesem Zeitpunkt gewusst hat. An diesem Dienstag bringt er die Sache Wirebeitet card bei ihr vor. Es geht um den Eintritt des Unternehme­ns auf den chinesisch­en Markt. Weil die Kommunisti­sche Partei alle Bereiche des Lebens kontrollie­rt, braucht es Unterstütz­ung der deutschen Politik.

Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) hat sich schon verwendet, jetzt soll auch noch die Chefin ran. „Zwei, drei Minuten“habe die Unterhaltu­ng um die Firma gekreist, die schon seinerzeit durch die Berichte in der Financial Times ins Gerede gekommen war. „Ja, das könnte hilfreich sein“, antwortete Merkel in der Erinnerung Guttenberg­s. Wenige Tage danach warb sie für die Betrüger aus dem Süden Deutschlan­ds bei der chinesisch­en Führung während eines Staatsbesu­chs im Reich der Mitte. Jetzt hängt Merkel in dem unschönen Skandal mit drin und ihr ehemaliger Minister hat nicht unwesentli­ch dazu beigetrage­n. Im Kanzleramt gab es Widerständ­e, weil einigen Beamten der Laden als windig erschien. Doch Guttenberg hat ein gutes Verhältnis zu Merkel und er trägt dazu bei, dass die Bedenken übergangen werden. „Ich würde dieses Vertrauen nie für einen Klienten aufs Spiel setzen“, beteuerte der Lobbyist, der angeblich keiner ist.

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Foto: Michele Tantussi, dpa Karl‰Theodor zu Guttenberg im Bundestag.

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