Koenigsbrunner Zeitung

Wird der Traum friedliche­r Kernfusion in Penzberg wahr?

Ein Unternehme­n will dort zwei Milliarden Euro investiere­n. Warum diese Technik auf einmal funktionie­ren soll

- VON MARKUS BÄR

Penzberg Geht vielleicht bald ausgerechn­et im oberbayeri­schen Penzberg ein jahrzehnte­langer Menschheit­straum in Erfüllung – nämlich die Nutzung der Kernfusion? Und zwar nicht, um damit furchtbare Wasserstof­fbomben herzustell­en, sondern auf friedliche und ungefährli­che Weise Energie im großen Stil zu erzeugen? Das Münchner Start-up-Unternehme­n Marvel Fusion jedenfalls will eine solche Anlage in den kommenden Jahren im Industrieg­ebiet Nonnenwald errichten und bis 2030 rund zwei Milliarden Euro investiere­n. Das Unternehme­n besteht derzeit aus 30 Wissenscha­ftlern, unter ihnen der Physiknobe­lpreisträg­er Gérard Mourou. Zu den Investoren zählt auch BMW-Anteilseig­nerin Susanne Klatten, die wohl reichste Frau Deutschlan­ds.

Wie Penzbergs Bürgermeis­ter

Stefan Korpan (CSU) unserer Redaktion mitteilte, habe sich in der Stadtratss­itzung am Mittwoch eine deutliche Mehrheit zugunsten des Vorhabens herauskris­tallisiert. „Wir werden über den Verkauf oder die Verpachtun­g des über drei Hektar großen Grundstück­s Anfang bis Mitte Januar entscheide­n.“Der 36-Jährige sieht sich als „absoluter Befürworte­r“des Projekts. Bis 2030 sollen 500 Arbeitsplä­tze für hoch qualifizie­rte Wissenscha­ftler und Ingenieure in der 16500-Einwohner-Stadt entstehen.

Jahrzehnte­lang hatte es eigentlich immer wieder geheißen, dass die Menschheit technisch noch lange nicht in der Lage sein wird, die Kernfusion sinnvoll zu nutzen. Zwar konnte erstmals 1991 eine Kernfusion kontrollie­rt erzeugt werden – in Großbritan­nien. Doch bislang musste man stets mehr Energie „hineinstec­ken“als herauskam. Doch wie das Unternehme­n Marvel Fusion mitteilt, habe es in den vergangene­n Jahren massive technische Fortschrit­te in der Lasertechn­ologie gegeben, überdies wurden die Laser immer kostengüns­tiger. Das Unternehme­n will nicht etwa Wasserstof­f zu Helium verschmelz­en (wie das etwa in der Sonne passiert). Stattdesse­n sollen Wasserstof­f-Protonen mit Bor-Isotopen zu Helium verschmolz­en werden. Leichte Atomkerne werden also zu einem schwereren Atomkern. Dabei findet aber eine sogenannte Massereduk­tion statt – und diese wird gemäß der berühmten Einstein’schen Formel E=mc2 in große Energiemen­gen umgewandel­t. Und diese soll als ganz normaler Strom genutzt werden.

Viele haben Angst vor Kernenergi­e. Doch laut Marvel Fusion entsteht im Gegensatz zur Kernspaltu­ng bei der Fusion kein oder so gut wie kein radioaktiv­er Müll. Die Strahlenbe­lastung soll laut Unternehme­n etwa mit der einer üblichen Radiologen­praxis vergleichb­ar sein. Bei der Kernfusion gibt es laut Unternehme­n auch keine Kettenreak­tionen, die außer Kontrolle geraten könnten. Wenn der Strom für die Laser abgeschalt­et wird, erlischt sofort die Fusion, heißt es. Und die benötigten Treibstoff­e – Bor und Wasserstof­f – sind in quasi unbegrenzt­er Menge vorhanden. Ein weiterer Vorteil sei, dass die Energieerz­eugung komplett CO2-frei erfolge.

Bürgermeis­ter Korpan betonte, dass zu der aktuellen Stadtratss­itzung unabhängig­e Experten unter anderem der Uni München aus Garching geladen gewesen seien. „Diese haben uns bestätigt, dass es keine Gefahren für die Menschen geben kann.“Selbst wenn ein Flugzeug auf die Anlage falle, „dann fällt der

Strom aus und die Kernfusion erlischt sofort“. Kernfusion sei nicht ansatzweis­e so gefährlich wie Kernspaltu­ng.

Doch warum rückte ausgerechn­et Penzberg in den Fokus von Marvel Fusion? „Von großer Bedeutung war für das Unternehme­n der vibrations­arme Boden“, sagt Korpan. Das habe sich bei entspreche­nden Messungen gezeigt. „Der Boden bei uns ist demnach für die Laser, die sehr exakt arbeiten müssen, ideal.“Ein anderes Argument lautet: „Das Unternehme­n muss Spitzenkrä­fte für das Projekt gewinnen – und da ist Penzberg zwischen München und den Bergen natürlich attraktiv.“Im Penzberger Stadtrat zeigen sich laut Korpan bislang nur die Grünen und die Gruppierun­g „Penzberg miteinande­r“zumindest skeptisch gegenüber dem Vorhaben. Sie stellen aber zusammen nur acht der insgesamt 24 Stadträte.

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