Künstler zufrieden, unzufrieden die Kunstvereine
Bayern erlässt neue Richtlinien zur Ausstellungsförderung – mitsamt Heimat-Quote
Regelmäßig kommen Staatsregierungen dieser Erde auf die Idee, ihre Rundfunkanstalten zu verpflichten, einen höheren Anteil inländisch produzierter Musik zu senden. Und regelmäßig hagelt es dann Kritik über solche nationalen Vorgaben.
Daran erinnern jetzt die künftigen Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst hinsichtlich von Fördergeldern für Ausstellungen von Kommunen, Kunst- und Ausstellungsvereinen. Danach müssen ab 2021 an einem vom Freistaat geförderten Ausstellungsprojekt „mindestens fünf professionelle lebende Künstlerinnen und Künstler beteiligt sein“und der überwiegende Teil der beteiligten Künstler „in Bayern wirken“. Gleichzeitig müsse das Projekt überregionale Bedeutung und zuwendungsfähige Gesamtausgaben von mindestens 10000 Euro haben.
Hintergrund der Maßnahme ist – im Amtsdeutsch – die „Erhöhung der Sichtbarkeit von zeitgenössischen, in Bayern wirkenden bildenden Künstlerinnen und Künstlern durch Erhöhung der Präsentationsmöglichkeiten im öffentlichen Raum in Bayern“. Zumal in Corona-Zeiten werden dagegen zeitgenössische, in Bayern arbeitende Künstler kaum etwas einzuwenden haben – auch wenn nach Auskunft des Kunst-Ministeriums die Pandemie auf die neuen Richtlinien ab 2021 keinen besonderen Einfluss gehabt habe. Bianca Preis, stellvertretende Pressesprecherin des Ministeriums, verweist direkt auch darauf, dass der Berufsverband Bildender Künstler die neuen Richtlinien sehr begrüße – insbesondere, weil nun auch Aufwandsentschädigungen für Künstler als zuwendungsfähig anerkannt werden. Zudem bestätigt sie, die neuen Richtlinien seien im Einvernehmen mit dem Bayerischen Finanz- und Heimatministerium erlassen worden. Mit ihnen komme der Freistaat seiner verfassungsmäßigen Aufgabe nach, bayerische Künstler zu unterstützen.
Mögen bildende Künstler aus Bayern sowie ihr zuständiger Berufsverband die neue Verordnung auch begrüßen: Die Kunstvereine, die wesentlich zugleich betroffen sind, zeigen sich – mit deutlichen Worten – alles andere als begeistert. Jakob Steinberger, der stellvertretende Vorsitzende des kleinen Kunstvereins Aichach, kommentiert die neuen Richtlinien mit den Worten: „Ich finde das im wörtlichen Sinn beschränkt. Kunst macht nicht an Landesgrenzen halt. Über solche provinziellen Verhältnisse sollte man hinaus sein.“Gleichzeitig erklärt Steinberger, dass der Kunstverein Aichach bislang noch nie eine Förderung beim bayerischen Kunstministerium beantragt habe. „Wir haben immer versucht, unsere Ausstellungen selbst zu finanzieren.“Er schließt jedoch nicht aus, dass künftig Förderung beantragt werden könnte – „wenn wir die Bedingungen genau kennen“.
Christian Thöner, Vorsitzender des mittelgroßen Kunstvereins Augsburg, erklärt, es sei zwar grundsätzlich nachvollziehbar, dass der Freistaat Künstler aus Bayern fördern möchte. Doch wesentlicher Maßstab für die Arbeit des Augsburger Kunstvereins sei die Qualität und Relevanz eines künstlerischen Beitrags zum zeitgenössischen Diskurs. Thöner: „Dabei spielen geografische Grenzen, die Unterscheidung zwischen regional, national oder international zunächst keine Rolle.“Zudem seien Gruppenausstellungen mit mindestens fünf Künstlern für viele (ehrenamtlich arbeitende) Kunstvereine organisatorisch kaum zu leisten. Die neuen Richtlinien mit ihren vielen Nachweispflichten bedeute wahrscheinlich für die meisten Kunstvereine, dass sie wohl zumindest 2021 auf Ausstellungsförderung des Freistaats verzichten müssten.
Genau dies bestätigt Maurin Dietrich vom großen Münchner Kunstverein: „Wir werden 2021 zu keinem Ausstellungsprojekt einen Förderantrag stellen können, weil bei diesen Projekten die Quote nicht stimmen wird – obwohl wir eine Förderung gut gebrauchen könnten.“Und Maurin Dietrich kleidet ihre grundsätzliche Kritik an den neuen Richtlinien in die Worte: „Aus Berlin kommend, habe ich die bayerische Kunstszene als offen und international empfunden, doch die neue Verordnung steht dazu im Widerspruch.“