Koenigsbrunner Zeitung

Smalltalk zweier Schriftste­ller

Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre reden sich um Kopf und Kragen

- VON WELF GROMBACHER

Beide haben nur eine Badehose an, als sie sich im Grandhotel Heiligenda­mm an der Ostsee zum ersten Mal begegnen. Martin Suter, 72, eine orangene. Benjamin von StuckradBa­rre, 45, eine mit bunten Palmen und Flamingos drauf. Befangenhe­it? Ein „Kennenlern­handicap“? Ach was! Wenn wir einander schon so entblößt über den Weg laufen, sagen sie sich, können wir uns auch gleich ganz nackig machen. Also verabreden sie sich zum Gespräch und reden sich um Kopf und Kragen.

Der Band „Alle sind so ernst geworden“zeigt zwei Schriftste­ller beim Smalltalk. Suter klärt auf, dass es bei Badehosen ja nicht um die Farbe, sondern „um den Sitz“gehe. Räumt ein, schon als kleiner Junge Anzug und Krawatte getragen zu haben. Echauffier­t sich, was für eine Beleidigun­g es doch wäre, wenn die Kinder „Bordo“statt „Bordeaux“schreiben würden. Und gesteht, es sei eine „Schwachste­lle“in seiner Biografie, nie LSD probiert zu haben. Trotzdem habe der Erfinder der Droge, Albert Hofmann, ihn für den LSD-Trip gelobt, den er in „Die dunkle Seite des Mondes“beschriebe­n hat. Beim Reden über Drogen wird Benjamin von Stuckrad-Barre immer stiller, obwohl er doch eigentlich viel mehr darüber zu erzählen hätte. Es ist das einzige Mal, dass er sich zurückhält.

Einmal mehr übt sich der „ehemalige Popautor“darin, einfach losgar zureden und seinem „Labern hinterherz­ulauschen und es wieder einzufange­n“, wie er es selbst auf den Punkt bringt. Im Grunde war das schon bei seinem „Soloalbum“(1998) so. Er spricht ohne Punkt und Komma, um die Leere zu füllen, die in ihm ist. Gibt zum Besten, wie er von einem Kreuzfahrt­schiff flog, weil er nicht aufhören wollte, „heimlich“zu rauchen. Findet es toll, dass seine neue Freundin am Pool Nietzsche liest. Und will wissen, warum Suter, als er ihn in der Schweiz besuchte, Handschuhe trug, als er einen Black Cod zubereitet­e, diesen von Gourmets geschätzte­n Tiefseefis­ch, der im Nordpazifi­k in 2700 Metern Tiefe lebt. Ein bisschen Protzen, viel Belanglose­s. Es geht um Mode, Essen, Geld, Ibiza.

Oft um Privates, mitunter Intimes. Zynismus und Klamauk dominieren. Irgendwie hat es den Anschein, als wollten die beiden sich fürs Frühstücks­fernsehen empfehlen.

Ob von der Hochzeit des GZSZCharak­terdarstel­lers die Rede ist, bei der den Gästen das Fotografie­ren untersagt ist, weil die Bildrechte an die Bunte verkauft wurden. Oder davon, wie Martin Suter mit der Afrobeat-Legende Fela Kuti mal einen Joint rauchte. Promiklats­ch, der sich im Fernsehen oder als Podcast sendet, in Buchform aber leidlich komisch ist. Aber Gesprächsb­ände sind eben gerade angesagt. Dabei zeichnet sich das geschriebe­ne Wort eigentlich dadurch aus, wohlüberle­gt und nicht einfach herausgequ­atscht zu werden und vielleicht die (Qualitäts-)Kontrolle eines Lektors passieren zu müssen. Alles andere ist Internet. Nur einmal kurz horcht man auf, als der Pastorenso­hn Stuckrad-Barre berichtet, wie es gewesen sei, wenn er seinen Vater im Unterhemd durch den Hausflur habe rennen sehen und ihn kurz darauf salbungsvo­ll im Talar von der Kanzel predigen hörte. Von „Traumatisi­erung“ist sogar die Rede.

Ein wenig unappetitl­ich ist auch, wie das Buch beworben wird. Von Christian Kracht, Stuckrad-Barres altem Kumpel aus dem Popliterar­ischen Quintett, bis zu Klaas HeuferUmla­uf. Man kennt sich. Aber der ehemalige Werber Suter weiß eben, wie das Geschäft läuft. Anders ist der Erfolg seiner Krimis auch nicht zu erklären, die nach Achtungser­folgen wie „Small World“oder „Montecrist­o“mit der Allmen-Reihe systematis­ch auszuloten suchen, wie trivial ein Bestseller gestrickt sein darf. Am Nullpunkt kommt das Gespräch an, als die beiden diskutiere­n, ob ein „Äähm“bewusst eine „Denkpause“verstopfe, „damit niemand reinspring­t“, oder nur „Silbengeko­tze“sei. Irgendwie fragt man sich das bei dem ganzen Buch. Stille ist etwas Schönes. Als Stuckrad-Barre und Suter versuchen, eine Minute zu schweigen, schaffen sie es gerade mal 15 Sekunden lang.

» Martin Suter/Benjamin von Stuck‰ rad‰Barre: Alle sind so ernst gewor‰ den. Diogenes, 272 S., 22 ¤

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Foto: Maurice Haas/Diogenes Sind wirklich alle so ernst geworden? Benjamin von Stuckrad‰Barre (links) und Mar‰ tin Suter offenbar nicht.

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