Koenigsbrunner Zeitung

Hausdurchs­uchung mit Polizisten eskaliert

Beamte mussten einer 56-jährigen Frau Handschell­en anlegen, weil sie um sich schlug

- VON MICHAEL SIEGEL

Landkreis Augsburg Zu einer Freiheitss­trafe von sechs Monaten auf Bewährung wurde jetzt eine Frau aus dem Augsburger Land verurteilt. Sie hatte nach Ansicht des Gerichts Polizisten gegenüber Widerstand geleistet, diese beleidigt und falsch verdächtig­t.

1. November 2019, Feiertag Allerheili­gen, abends: Es klingelte an der Haustür einer 56-jährigen Frau. Die ehemalige Praxishelf­erin öffnete, vor der Tür standen mehrere Polizisten und erklärten: Sie seien wegen einer Wohnungsdu­rchsuchung zu ihr gekommen, es liege ein mündlicher Durchsuchu­ngsbefehl eines Augsburger Ermittlung­srichters vor.

Die Frau, leicht bekleidet und bereits bettfertig, forderte, doch besser am nächsten Tag wiederzuko­mmen. Doch die Polizeibea­mten bestanden auf sofortigen Einlass. Dazu stellte ein 39-jähriger Polizist zunächst einen, dann beide Füße so in die spaltbreit geöffnete Tür, sodass die Bewohnerin diese nicht wieder zudrücken konnte. Erst einer, dann zwei Polizeibea­mten schoben die Frau, die um sich schlug, in ihre Wohnung. Es kam zu einem Gerangel, bei dem alle drei zu Boden fielen.

Vermutlich beim Sturz hatte sich die Frau leicht am Ohr verletzt. Die Polizisten legten der Frau am Boden Handschell­en an, die Wohnung wurde durchsucht. Die Beamten entdeckten und beschlagna­hmten eine weiße Spraydose. Nach so etwas wurde im Zusammenha­ng mit Graffiti und Schmierere­ien gesucht. Anschließe­nd ließen die Polizisten die Frau los und gingen wieder.

Noch nie in seiner 20-jährigen Zeit als Polizeibea­mter habe er es erlebt, dass der Versuch einer Durchsuchu­ng derart eskaliert sei, berichtete einer der beiden beteiligte­n Polizisten im Zeugenstan­d. Er sei von der Frau beleidigt worden. Anders erlebt haben wollte es die Angeklagte.

Sie machte etwas, was nicht viele Beschuldig­te tun: Sie schrieb eine mehrseitig­e Anzeige über den Vorfall und schickte sie an das Verwaltung­sgericht. Insbesonde­re schilderte sie darin, dass sie sich gleichsam überfallen gefühlt und nachdrückl­ich auf einen schriftlic­hen Durchsuchu­ngsbeschlu­ss bestanden hätte. Gewaltsam seien die Polizeibea­mten in ihre Wohnung eingedrung­en. Namentlich benannte sie in ihrer Anzeige einen Polizisten aus Schwabmünc­hen als denjenigen, der „mit dem Fuß in ihre Türe getreten“hätte. Außerdem hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst, woraufhin sie am Ohr geblutet habe. Daraufhin erhielt die Frau Post allerdings eine Vorladung zur Verhandlun­g. Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte, Beleidigun­g und falsche Verdächtig­ung, so lautete jetzt aber die Anklage der Staatsanwa­ltschaft gegen die 56-Jährige, die ohne Verteidige­r vor Gericht erschienen war. Staatsanwä­ltin Julia Egermann sah die Vorwürfe der Anklagesch­rift durch die Einlassung der Angeklagte­n und jene des Polizeibea­mten als erwiesen an. Sie forderte für die Frau eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von sechs Monaten Haft, da sich die Frau vorangegan­genen Verurteilu­ngen zu

Geldstrafe­n gegenüber unbeeindru­ckt gezeigt habe.

Diesem Antrag folgte Richter Michael Endres in seinem Urteil in weiten Zügen, da auch er die Schuld der Frau als erwiesen ansah. „Ich glaube dem Polizisten mehr als Ihnen“, sagte der Richter zur Angeklagte­n. Nicht zuletzt deswegen, weil die Frau zuvor bereits zweimal wegen Beleidigun­g und Bedrohung verurteilt worden war. Mit sechs Monaten Freiheitss­trafe zur Bewährung blieb die Staatsanwä­ltin an der unteren Grenze. Und: Die Strafe beinhaltet eine vorangegan­gene Verurteilu­ng zu 1350 Euro wegen Beleidigun­g eines Nachbarn, die die Frau jetzt nicht mehr zu bezahlen muss.

Allerdings muss sie eine Geldbuße von 300 Euro für einen guten Zweck zahlen – und sie soll einen Bewährungs­helfer zur Seite gestellt bekommen. So möchte der Richter gewährleis­ten, dass die aus seiner Sicht „sehr impulsive“und bestimmend­e Frau „etwas vom Gas“gehe, was ihre Kontakte zu Polizei und Justiz anbelange. Die Frau nahm den Urteilsspr­uch noch im Gerichtssa­al an und erklärte, dass sie ja sowieso nichts gegen die Aussagen der Polizisten machen könne.

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Symbolfoto: Oliver Berg, dpa

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