Hausdurchsuchung mit Polizisten eskaliert
Beamte mussten einer 56-jährigen Frau Handschellen anlegen, weil sie um sich schlug
Landkreis Augsburg Zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung wurde jetzt eine Frau aus dem Augsburger Land verurteilt. Sie hatte nach Ansicht des Gerichts Polizisten gegenüber Widerstand geleistet, diese beleidigt und falsch verdächtigt.
1. November 2019, Feiertag Allerheiligen, abends: Es klingelte an der Haustür einer 56-jährigen Frau. Die ehemalige Praxishelferin öffnete, vor der Tür standen mehrere Polizisten und erklärten: Sie seien wegen einer Wohnungsdurchsuchung zu ihr gekommen, es liege ein mündlicher Durchsuchungsbefehl eines Augsburger Ermittlungsrichters vor.
Die Frau, leicht bekleidet und bereits bettfertig, forderte, doch besser am nächsten Tag wiederzukommen. Doch die Polizeibeamten bestanden auf sofortigen Einlass. Dazu stellte ein 39-jähriger Polizist zunächst einen, dann beide Füße so in die spaltbreit geöffnete Tür, sodass die Bewohnerin diese nicht wieder zudrücken konnte. Erst einer, dann zwei Polizeibeamten schoben die Frau, die um sich schlug, in ihre Wohnung. Es kam zu einem Gerangel, bei dem alle drei zu Boden fielen.
Vermutlich beim Sturz hatte sich die Frau leicht am Ohr verletzt. Die Polizisten legten der Frau am Boden Handschellen an, die Wohnung wurde durchsucht. Die Beamten entdeckten und beschlagnahmten eine weiße Spraydose. Nach so etwas wurde im Zusammenhang mit Graffiti und Schmierereien gesucht. Anschließend ließen die Polizisten die Frau los und gingen wieder.
Noch nie in seiner 20-jährigen Zeit als Polizeibeamter habe er es erlebt, dass der Versuch einer Durchsuchung derart eskaliert sei, berichtete einer der beiden beteiligten Polizisten im Zeugenstand. Er sei von der Frau beleidigt worden. Anders erlebt haben wollte es die Angeklagte.
Sie machte etwas, was nicht viele Beschuldigte tun: Sie schrieb eine mehrseitige Anzeige über den Vorfall und schickte sie an das Verwaltungsgericht. Insbesondere schilderte sie darin, dass sie sich gleichsam überfallen gefühlt und nachdrücklich auf einen schriftlichen Durchsuchungsbeschluss bestanden hätte. Gewaltsam seien die Polizeibeamten in ihre Wohnung eingedrungen. Namentlich benannte sie in ihrer Anzeige einen Polizisten aus Schwabmünchen als denjenigen, der „mit dem Fuß in ihre Türe getreten“hätte. Außerdem hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst, woraufhin sie am Ohr geblutet habe. Daraufhin erhielt die Frau Post allerdings eine Vorladung zur Verhandlung. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und falsche Verdächtigung, so lautete jetzt aber die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen die 56-Jährige, die ohne Verteidiger vor Gericht erschienen war. Staatsanwältin Julia Egermann sah die Vorwürfe der Anklageschrift durch die Einlassung der Angeklagten und jene des Polizeibeamten als erwiesen an. Sie forderte für die Frau eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten Haft, da sich die Frau vorangegangenen Verurteilungen zu
Geldstrafen gegenüber unbeeindruckt gezeigt habe.
Diesem Antrag folgte Richter Michael Endres in seinem Urteil in weiten Zügen, da auch er die Schuld der Frau als erwiesen ansah. „Ich glaube dem Polizisten mehr als Ihnen“, sagte der Richter zur Angeklagten. Nicht zuletzt deswegen, weil die Frau zuvor bereits zweimal wegen Beleidigung und Bedrohung verurteilt worden war. Mit sechs Monaten Freiheitsstrafe zur Bewährung blieb die Staatsanwältin an der unteren Grenze. Und: Die Strafe beinhaltet eine vorangegangene Verurteilung zu 1350 Euro wegen Beleidigung eines Nachbarn, die die Frau jetzt nicht mehr zu bezahlen muss.
Allerdings muss sie eine Geldbuße von 300 Euro für einen guten Zweck zahlen – und sie soll einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt bekommen. So möchte der Richter gewährleisten, dass die aus seiner Sicht „sehr impulsive“und bestimmende Frau „etwas vom Gas“gehe, was ihre Kontakte zu Polizei und Justiz anbelange. Die Frau nahm den Urteilsspruch noch im Gerichtssaal an und erklärte, dass sie ja sowieso nichts gegen die Aussagen der Polizisten machen könne.