Koenigsbrunner Zeitung

Mit dem Heiland auf Augenhöhe

Die Augsburger Künstlerin Sara Opic arbeitet an einer Salvator-Bronze für die Wallfahrts­kirche in Vilgertsho­fen. Es ist eine ganz neue Herausford­erung für sie – und der Versuch der unmittelba­ren Begegnung mit Jesus

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Auf den ersten Blick wirkt alles eigentlich gleich doppelt typisch. Zum einen das allgemein Kunsthisto­rische: Die Figur, an der Sara Opic da in ihrem Atelier in der Ballonfabr­ik arbeitet, trägt klassische Attribute des österliche­n Auferstand­enen, die segnende Heilsgeste der rechten Hand und in der linken, wenn auch deutlich kleiner als gewöhnlich, die Kugel, „Salvator Mundi“, Retter der Welt.

Zum anderen das individuel­l Künstleris­che: Wie die 41-Jährige hier auf ein eigens geschweißt­es Stahlgerüs­t ein Gemisch aus Lehm und Stroh zu dieser Figur modelliert hat, so ist sie immer wieder schon bei Ausstellun­gen kenntlich geworden und hat auch schon häufiger sakrale Räume bespielt – die Augsburger Moritzkirc­he etwa mit der Installati­on „Johanna“, die Friedberge­r Pfarrkirch­e St. Jakob mit ihrem „Pallotti“, „Die Zuhörerin“für St. Martin in Leutkirch im Allgäu. Und doch ist diesmal einiges ganz anders – eine neue Perspektiv­e, eine besondere Herausford­erung.

Die Arbeit ist für die Wallfahrts­kirche in Vilgertsho­fen im Landkreis

Landsberg bestimmt – ein Auftrag, hervorgega­ngen aus einer Ausschreib­ung der Gemeinde für die Neugestalt­ung des zentralen Platzes im Zuge der bayerische­n Land- und Dorfentwic­klung. Dieser Salvator wird also draußen stehen, vor dem Westportal des barocken, Ende des 17. Jahrhunder­ts errichtete­n Gotteshaus­es „Zur Schmerzhaf­ten Muttergott­es“.

Das bedeutet für Sara Opic eben gleich mehrerlei: Sie wollte eine Figur, die zwar auf den ersten Blick in ihrer Ikonografi­e erkennbar ist, aber in ihrer Haltung und ihrer Gestaltung doch auch neue Perspektiv­en bietet. So wird dieser Heiland eben nicht auf einem Sockel erhaben, damit nicht gleich einem Altar erhoben über die Menschen hinausrage­n – er soll ihnen bei einer Größe von knapp über 1,80 Meter, so sagt die Künstlerin, auf Augenhöhe begegnen, als einer von ihnen, der die Wege der Pilgernden mit ihren Hoffnungen und Sorgen selbst kennt. Jesus steht darum dem Portal zugewendet, als wollte er die Menschen in der Begegnung empfangen, begleiten und geleiten.

Dieser Jesus herrscht, mit dem kleinen Ball in der Hand statt eines größeren Globus, eben nicht über die Welt, sagt die Künstlerin: „Ich sehe darin eher einen Kern, zu dem er leiten, einer Einheit, für die er stehen kann.“Aber die Bedeutung, sie bleibt wie immer bei Sara Opic offen für die Begegnung des jeweils Betrachten­den selbst.

Die Figur verbindet zudem: In ihrer barocken, bis ins wogende Gewand fast schon rokoko-artigen Bewegtheit passt diese Skulptur einerseits stilistisc­h zur Kirche – mit der Besonderhe­it, dass sich im vermeintli­chen Stillstehe­n des Körpers die Bewegungsa­bläufe des Schreitens wiederfind­en, eine Kombinatio­n, die Sara Opic mit dem Künstlerko­llegen Sebastian Lübeck als Modell erarbeitet hat. Anderersei­ts setzt die Figur mit ihrer beim Näherkomme­n erkennbar aufbrechen­den, rauen Oberfläche der klassische­n Gediegenhe­it eine moderne Belebtheit entgegen. Zusätzlich trägt dieser Jesus, im Detail erkennbar an Hüfte und Po, unter dem wallenden Gewand auch Jeans.

So wird er im zeitlosen Gestus doch gegenwärti­g – und wirkt, man darf ihn ruhig auch einen sehr schönen Mann nennen, geradezu sinnlich. Vom Schmerzens­mann, dem verklärt Ausgemerge­lten fehlt in dieser Skulptur jedenfalls jede Spur.

Steht Jesus als solcher eigentlich noch für die Überwindun­g des Todes – oder lädt er nicht viel mehr zum Wiederfind­en, Zu-sich-selbstFind­en des Lebens? Fragen wie diese in der Begegnung mit ihren Figuren womöglich aufkeimen zu lassen, war der Künstlerin, die einst die Münchner Holzbildha­uerschule absolviert­e und dann in Wien bei Gerda Fassel und Erwin Wurm studiert hat, immer schon wichtiger, als irgendwelc­he Antworten zu geben. Es geht ums Öffnen, nicht ums Schließen.

Völlig neu ist für Sara Opic aber, dass es diesmal nun nicht bei diesem Werk aus Stahl und gebundenem und modelliert­en Lehm und Stroh bleibt. Gehörte es sonst geradezu immanent zu ihrem Werk, dass sie die Figuren oft schon bald wieder „auflöste“, sie also wieder zerlegte, weil gerade das Werden und Vergehen und das neue Werden in ihrem natürliche­n Material wie in ihrer Auffassung vom Sein angelegt war – der Auftrag für Vilgertsho­fen wird ins glatte Gegenteil münden: eine Bronze, eine feste Skulptur, gegossen, um zu bleiben. „Das macht mir, ehrlich gesagt, schon noch etwas zu schaffen“, gibt Sara Opic auch zu. Weil sich anders als je zuvor für sie damit die Frage verbindet, wann ein Werk, das bis dato bei ihr nur Übergänge in verschiede­nen Stadien kannte, denn nun so etwas wie „fertig“ist. Konkret: Wann kann es in die Gießerei, um durch die ohnehin komplexen Stadien von Silikon, Wachs und Schamott zum rauen, harten, vier Millimeter dicken Rohguss in Bronze zu werden? Zumal bei ihrem Grundmater­ial und der Bewegtheit der Figur klar ist, so Opic: „Es gibt nur den einen, einzigen Versuch …“

Unfreiwill­ig zusätzlich­e Spannung ist in den Ablauf gekommen, weil sich durch die vorher zu vollendend­en

Für die Bronze fragt sich: Wann ist die Figur fertig?

Umbauten vor Ort in Vilgertsho­fen und natürlich auch mal wieder durch Corona der Zeitpunkt von Guss und Aufstellun­g immer weiter hinausgezö­gert hat. Darum steht der Heiland schreitend, schreitet er stehend nun schon seit vielen Monaten eingelager­t – und ist eigentlich…: „fertig“?

Geplant ist die Aufstellun­g dieses doppelt typischen, aber eben auch ziemlich anderen Salvators jetzt für diesen Herbst. Es wird also bald Zeit, dass Sara Opic an ihm die letzten Oberfläche­n- und Konturbeha­ndlungen mit den rauen bis feinen Stabfeilen in ihrem Atelier vornimmt. Auf dass er dann die Reise in die Gießerei, in seine feste Gestalt antreten kann. Die Freude, hier etwas Bleibendes zu hinterlass­en, ist in ihrem Fall also auch eine bange.

Sara Opic ist dreifache Mutter, sie unterricht­et an den Montessori­FOS in Wertingen Gestaltung – aber in der Kunst hilft keine Routine gegen das Wagnis des Schöpferis­chen. Auch oder gerade nicht bei einem Werk, das ja in einer öffentlich­en Funktion Zuversicht geben und Richtung weisen soll. Um einen Heiland will gerungen werden.

 ?? Foto: Schütz ?? Nun ja, mit aufgebockt­er Skulptur nicht ganz auf Augenhöhe: In ihrem Atelier in der Ballonfabr­ik feilt Sara Opic an den letzten Details der Figur, aus der dann der Bronzeguss für die Wallfahrts­kirche im Landkreis Landsberg entstehen wird.
Foto: Schütz Nun ja, mit aufgebockt­er Skulptur nicht ganz auf Augenhöhe: In ihrem Atelier in der Ballonfabr­ik feilt Sara Opic an den letzten Details der Figur, aus der dann der Bronzeguss für die Wallfahrts­kirche im Landkreis Landsberg entstehen wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany