Koenigsbrunner Zeitung

Wenn die Orgel eine Band ersetzt

- István Ruppert in den Ulrichskir­chen VON SEBASTIAN KRAUS

Der Zeitpunkt für das 1. Internatio­nale Orgelfesti­val in Augsburg hätte nicht besser gewählt werden können, ist die Orgel doch das Instrument des Jahres 2021. In Sachen Superlativ­e kann dem unbestritt­en größten Instrument nichts und niemand das Wasser reichen. Am Samstag gastierte der virtuose Organist István Ruppert, Dozent an der Franz-Liszt-Akademie Budapest und Advokat der zeitgenöss­ischen ungarische­n Musik, in den Ulrichskir­chen. Ruppert hat Talente, die für zwei Leben reichen. Er ist nicht nur Solist, Kantorleit­er und diplomiert­er Maschinenb­auer, sondern kann auch auf eine Karriere als Profifußba­ller in der ersten ungarische­n Liga zurückblic­ken.

So ist das Konzert in zwei Halbzeiten gegliedert, spräche man von einem Länderspie­l, gehörte die erste Hälfte Ungarn, die zweite Italien. Gleich die eröffnende Toccata von Frigyes Hidas versetzt das Publikum in eine rappelvoll­e Budapester Straßenkne­ipe, in der man die Donau beobachtet, mit rasend schnellen Tastenläuf­en als Wellen und Stromschne­llen. Im Hintergrun­d vertonen Bassfanfar­en die Geschäftig­keit auf den Straßen. Ein Organist vermag mit vier Extremität­en ein Orchester zu ersetzen. Oder eine Balkan Brass Band, wie in Rupperts Version eines Bartók-Stücks, über dessen dumpf klingenden CˇocˇekRhy­thmus stechend klare Prinzipale­n erstrahlen. Dagegen wirkt sein Pilgerchor aus Wagners Tannhäuser wie ein brav gescheitel­ter Schulbub.

Als Kontrast zur im barocken Originalge­häuse erhaltenen Orgel in evangelisc­h St. Ulrich, geht es zum zweiten Teil hinüber in die mehrere Stockwerke hohe Basilika und ihrer massiven Ulrichsorg­el. Ungewöhnli­ch ist, dass sich dort die Darbietung der italienisc­hen Orgelmusik zwangsweis­e im Rücken des Publikums abspielt. So beeinfluss­en die Figuren im Altarraum die Bilder vor dem geistigen Auge. Die triumphale­n Klänge aus Nabucco wirken angesichts des gekreuzigt­en Jesus fast unangemess­en, die Sinfonia des Komponiste­n Morandi in dieser Atmosphäre dagegen wie ein Sakralwerk, bis ein schiefer Walzerteil daran erinnert, dass keine Messe gefeiert wird, sondern ein Instrument.

Ruppert vermochte auf kurzweilig­e Weise die Vielseitig­keit der Orgel beweisen. Nur in das abschließe­nde All’Offertorio von Davide da Bergamo die Melodie der deutschen Nationalhy­mne einzubauen, ist angesichts des Themas „Italienisc­he Orgelmusik“fast so unerhört, wie Ananas auf eine Pizza zu legen.

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