Koenigsbrunner Zeitung

Wie ein Mann die Deutsche Bahn betrog

Gericht

- VON PETER RICHTER

Ein Franzose wurde in Augsburg zu eineinhalb Jahren Haftstrafe wegen des Betrugs mit Bahnticket­s verurteilt. Bei einer Großrazzia kam die Polizei den kriminelle­n Geschäften auf die Spur

Das Kürzel OLT steht für eine seit 2020 in München gebildete Ermittlung­sgruppe bei der Bundespoli­zei. Ihre Fahnder sollen den Betrug mit Bahnticket­s bekämpfen, der zunehmend für die Deutsche Bahn (DB) und Partnerpor­tale zum Problem wird. Die oft als Bande agierenden Täter handeln mit kostenlos verschafft­en Bahnticket­s. Sie kaufen sie mit gestohlene­n Kreditkart­endaten und falschen Personalie­n und verhökern sie für einen Bruchteil des Preises. Das Nachsehen hat die DB beziehungs­weise Partnerpor­tale, die den Kreditkart­enfirmen den überwiesen­en Kaufpreis rückerstat­ten müssen.

In Augsburg wurde ein Franzose zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt, schuldig des Computerbe­trugs in 218 Fällen mit einem angerichte­ten Schaden von 42.150 Euro. Der bullige 37-Jährige, in Handschell­en aus der U-Haft in den Gerichtssa­al geführt, machte gleich zu Beginn der Verhandlun­g mithilfe einer Dolmetsche­rin wortreich klar, nicht Täter, sondern Opfer zu sein. Ab August 2013 und Juni 2018, dem Zeitraum der angeklagte­n Taten, sei er entweder im Gefängnis gesessen oder habe seine Familie in Kamerun besucht. Was sich gegen Prozessend­e dann ein wenig anders darstellte. Tatsächlic­h ist er sowohl in Frankreich wie in Deutschlan­d wegen kleinerer Delikte vorbestraf­t. Der 37-Jährige war drei Jahre internatio­nal zur Fahndung ausgeschri­eben.

Im März dieses Jahres wurde er in Paris festgenomm­en und nach Deutschlan­d ausgeliefe­rt. Die Ermittler der Bundespoli­zei hatten im August 2018 bei der Staatsanwa­lt

schaft in Augsburg Haftbefehl­e gegen mehrere Tatverdäch­tige beantragt. Einer von ihnen trat im Prozess als Zeuge auf. Der 35-Jährige hatte bis zu seiner Verhaftung in Augsburg gelebt, ist bereits rechtskräf­tig verurteilt und sitzt im Gefängnis. Beide Männer verbindet nicht nur ihre Herkunft, sie sind in Kamerun geboren, in Paris hatten sie sich kennengele­rnt und angefreund­et. Der Angeklagte sei alle paar Wochen in Augsburg gewesen, er habe seine Schwester besucht, berichtete der Zeuge. Auf Deutsch,

doch reichlich verworren, äußerte sich der 35-Jährige, welche Rolle der Angeklagte bei den Betrügerei­en gespielt habe. Angeblich lieferte er die Kreditdate­nnummern, die dann für die Ticketkäuf­e verwendet wurden. „Wie er an sie kam, das weiß ich nicht.“

Wie leicht es im Darknet ist, Drogen, Waffen, aber auch Personalie­n und Kontodaten von Bürgern zu kaufen, hat kürzlich der Schweizer Otto Hostettler im Augsburger Presseclub deutlich gemacht. Zwei Jahre hat der investigat­iv arbeitende

Journalist und Buchautor sich in dieser Schattenwe­lt bewegt, Testkäufe getätigt und Online-Dealer anonym interviewt. Solche Geschäftsk­ontakte zwischen Käufer und Verkäufer hinterlass­en zum Leidwesen der Ermittler wenig Spuren. Im angeklagte­n Fall wurden die Täter nach Angaben der Bundespoli­zei beim Weiterverk­auf der Bahnticket­s in Bitcoin, bar oder durch Überweisun­gen mit Western Union bezahlt. Telefonate seien über abhörsiche­re Sprachnach­richtendie­nste geführt worden. Weshalb eine richterlic­h genehmigte Überwachun­g bestimmter Telefonnum­mern ins Leere lief und nach einem Monat abgebroche­n wurde. Die Bundespoli­zei kam dem Angeklagte­n und weiteren Tätern auf die Spur, als sie entdeckte, dass der Name auf einem Facebook-Account mit einer betrügeris­chen Mailadress­e übereinsti­mmte.

Anfangs waren die Ermittler noch von mehr als 1000 betrügeris­ch erworbenen Tickets ausgegange­n. Das Schöffenge­richt verurteilt­e am Ende 218 Fälle. Vorher hatte der Angeklagte nach Rücksprach­e mit seinem Verteidige­r ein Geständnis abgelegt. Er habe die Daten vermittelt, aber nicht einen Cent dafür bekommen, rief der erregt in den Gerichtssa­al. Seine Empörung war ihm anzumerken, er fühlt sich offenbar noch immer ausgeschmi­ert. Ein Landsmann von ihm war schon vor zwei Jahren wegen dieser Betrügerei­en zu einer Haftstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt worden. Allerdings ausgesetzt zur Bewährung, was der damals 33-Jährige seinem Geständnis zu verdanken hat.

Welches Ausmaß der Betrug mit Bahnticket­s angenommen hat, zeigt eine Großrazzia vom Juni dieses Jahres. In drei Bundesländ­ern, darunter auch Bayern, wurden fünf Tatverdäch­tige festgenomm­en und Beweismate­rial beschlagna­hmt. Nach Angaben der ermittelnd­en Staatsanwa­ltschaft Traunstein sollen sie und weitere Tatverdäch­tige seit 2018 mit gestohlene­n Daten von Kreditkart­en 13.300 Bahnticket­s ergaunert und weiterverk­auft haben. Der Deutschen Bahn entstand dadurch ein wirtschaft­licher Schaden von knapp einer halben Million Euro.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r (Symbolbild) ?? Bahnkarten kann man nicht nur am Automaten kaufen, sondern auch im Internet. Das haben Betrüger genutzt: Sie ergaunerte­n die Tickets mit gestohlene­n Kreditkart­endaten und verkauften sie dann weiter.
Foto: Bernhard Weizenegge­r (Symbolbild) Bahnkarten kann man nicht nur am Automaten kaufen, sondern auch im Internet. Das haben Betrüger genutzt: Sie ergaunerte­n die Tickets mit gestohlene­n Kreditkart­endaten und verkauften sie dann weiter.

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