Wie ein Mann die Deutsche Bahn betrog
Gericht
Ein Franzose wurde in Augsburg zu eineinhalb Jahren Haftstrafe wegen des Betrugs mit Bahntickets verurteilt. Bei einer Großrazzia kam die Polizei den kriminellen Geschäften auf die Spur
Das Kürzel OLT steht für eine seit 2020 in München gebildete Ermittlungsgruppe bei der Bundespolizei. Ihre Fahnder sollen den Betrug mit Bahntickets bekämpfen, der zunehmend für die Deutsche Bahn (DB) und Partnerportale zum Problem wird. Die oft als Bande agierenden Täter handeln mit kostenlos verschafften Bahntickets. Sie kaufen sie mit gestohlenen Kreditkartendaten und falschen Personalien und verhökern sie für einen Bruchteil des Preises. Das Nachsehen hat die DB beziehungsweise Partnerportale, die den Kreditkartenfirmen den überwiesenen Kaufpreis rückerstatten müssen.
In Augsburg wurde ein Franzose zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt, schuldig des Computerbetrugs in 218 Fällen mit einem angerichteten Schaden von 42.150 Euro. Der bullige 37-Jährige, in Handschellen aus der U-Haft in den Gerichtssaal geführt, machte gleich zu Beginn der Verhandlung mithilfe einer Dolmetscherin wortreich klar, nicht Täter, sondern Opfer zu sein. Ab August 2013 und Juni 2018, dem Zeitraum der angeklagten Taten, sei er entweder im Gefängnis gesessen oder habe seine Familie in Kamerun besucht. Was sich gegen Prozessende dann ein wenig anders darstellte. Tatsächlich ist er sowohl in Frankreich wie in Deutschland wegen kleinerer Delikte vorbestraft. Der 37-Jährige war drei Jahre international zur Fahndung ausgeschrieben.
Im März dieses Jahres wurde er in Paris festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Die Ermittler der Bundespolizei hatten im August 2018 bei der Staatsanwalt
schaft in Augsburg Haftbefehle gegen mehrere Tatverdächtige beantragt. Einer von ihnen trat im Prozess als Zeuge auf. Der 35-Jährige hatte bis zu seiner Verhaftung in Augsburg gelebt, ist bereits rechtskräftig verurteilt und sitzt im Gefängnis. Beide Männer verbindet nicht nur ihre Herkunft, sie sind in Kamerun geboren, in Paris hatten sie sich kennengelernt und angefreundet. Der Angeklagte sei alle paar Wochen in Augsburg gewesen, er habe seine Schwester besucht, berichtete der Zeuge. Auf Deutsch,
doch reichlich verworren, äußerte sich der 35-Jährige, welche Rolle der Angeklagte bei den Betrügereien gespielt habe. Angeblich lieferte er die Kreditdatennummern, die dann für die Ticketkäufe verwendet wurden. „Wie er an sie kam, das weiß ich nicht.“
Wie leicht es im Darknet ist, Drogen, Waffen, aber auch Personalien und Kontodaten von Bürgern zu kaufen, hat kürzlich der Schweizer Otto Hostettler im Augsburger Presseclub deutlich gemacht. Zwei Jahre hat der investigativ arbeitende
Journalist und Buchautor sich in dieser Schattenwelt bewegt, Testkäufe getätigt und Online-Dealer anonym interviewt. Solche Geschäftskontakte zwischen Käufer und Verkäufer hinterlassen zum Leidwesen der Ermittler wenig Spuren. Im angeklagten Fall wurden die Täter nach Angaben der Bundespolizei beim Weiterverkauf der Bahntickets in Bitcoin, bar oder durch Überweisungen mit Western Union bezahlt. Telefonate seien über abhörsichere Sprachnachrichtendienste geführt worden. Weshalb eine richterlich genehmigte Überwachung bestimmter Telefonnummern ins Leere lief und nach einem Monat abgebrochen wurde. Die Bundespolizei kam dem Angeklagten und weiteren Tätern auf die Spur, als sie entdeckte, dass der Name auf einem Facebook-Account mit einer betrügerischen Mailadresse übereinstimmte.
Anfangs waren die Ermittler noch von mehr als 1000 betrügerisch erworbenen Tickets ausgegangen. Das Schöffengericht verurteilte am Ende 218 Fälle. Vorher hatte der Angeklagte nach Rücksprache mit seinem Verteidiger ein Geständnis abgelegt. Er habe die Daten vermittelt, aber nicht einen Cent dafür bekommen, rief der erregt in den Gerichtssaal. Seine Empörung war ihm anzumerken, er fühlt sich offenbar noch immer ausgeschmiert. Ein Landsmann von ihm war schon vor zwei Jahren wegen dieser Betrügereien zu einer Haftstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt worden. Allerdings ausgesetzt zur Bewährung, was der damals 33-Jährige seinem Geständnis zu verdanken hat.
Welches Ausmaß der Betrug mit Bahntickets angenommen hat, zeigt eine Großrazzia vom Juni dieses Jahres. In drei Bundesländern, darunter auch Bayern, wurden fünf Tatverdächtige festgenommen und Beweismaterial beschlagnahmt. Nach Angaben der ermittelnden Staatsanwaltschaft Traunstein sollen sie und weitere Tatverdächtige seit 2018 mit gestohlenen Daten von Kreditkarten 13.300 Bahntickets ergaunert und weiterverkauft haben. Der Deutschen Bahn entstand dadurch ein wirtschaftlicher Schaden von knapp einer halben Million Euro.