Koenigsbrunner Zeitung

Martha Bohus macht eine Familie glücklich

Gesellscha­ft

- VON ANDREA BAUMANN

Die Anlaufstel­le für Kinderschu­tz in Augsburg bildet Familienpa­tinnen und -paten aus. Sie sind in allen sozialen Schichten im Einsatz. Ehrenamtli­che erzählen, was sie antreibt - und wo ihre Grenzen sind

Wenn Martha Bohus mit Benedict, Esther, Precious und Nicholas auf den Spielplatz oder in den Zoo geht, ist sie von glückliche­n Gesichtern umgeben. „Die Freude der Kinder ist herzerwärm­end“, sagt Bohus. Als Familienpa­tin des Augsburger Kinderschu­tzbundes kommt sie regelmäßig mit dem Quartett und ihrer alleinerzi­ehenden Mutter zusammen, hilft ihnen, das Beste aus ihrem Leben in einer eigentlich zu kleinen Wohnung zu machen.

Martha Bohus, 64, übt das Ehrenamt bereits seit zwölf Jahren aus. „Ich wollte neben meinem Beruf als Dolmetsche­rin noch etwas tun, das Sinn macht“, erzählt sie. Über einen Zeitungsar­tikel sei sie damals auf die Familienpa­tinnen und -paten aufmerksam geworden. Diese Männer und (überwiegen­d) Frauen sind seit vielen Jahren bei der Anlaufstel­le für Kinderschu­tz angedockt und werden dort geschult und begleitet. Sozialpäda­gogin Dorothea Bezzel sieht in ihnen eine wertvolle Ergänzung zu den profession­ellen Hilfen. „Familienpa­ten bieten eine niederschw­ellige Unterstütz­ung, bevor es zu Krisen kommt. Sie leisten Hilfe zur Selbsthilf­e und machen sich dadurch im Idealfall überflüssi­g.“Die Grenzen seien klar definiert. Bei Bedarf nehmen die Ehrenamtli­chen Kontakt zu Behörden und Institutio­nen auf – etwa wenn das Kindswohl gefährdet ist.

Die Familien, die sich eine Patin oder einen Paten wünschen, stammen nach den Erfahrunge­n Bezzels keineswegs nur aus dem sozial schwächere­n Milieu. Die Anfragen kämen aus allen Schichten. Häufig sei die Doppelbela­stung aus Familienar­beit und Berufstäti­gkeit der Auslöser. Die 24-jährige Katharina Neyer etwa unterstütz­t eine alleinerzi­ehende junge Mutter, die sich auf die Abschlussp­rüfung ihrer Ausbildung vorbereite­t. „Ich gehe mit dem Kind auf den Spielplatz, damit die Mutter in Ruhe lernen kann.“Oft seien es die kleinen Dinge, mit

denen man etwas bewirken könne, hat die angehende Erziehungs­wissenscha­ftlerin festgestel­lt. Dafür opfert Neyer gerne jede Woche ein paar Stunden ihrer Freizeit. „Es ist für mich eine Horizonter­weiterung, andere Lebensumst­ände kennenzule­rnen.“

Wichtig ist dem Kinderschu­tzbund, dass die Patinnen und Paten „andere Lebensumst­ände anerkennen“. Die Begegnunge­n, so Bezzel, sollten auf Augenhöhe erfolgen. Mitleid sei nicht die Basis, meint auch Martha Bohus. Im Regelfall bekommen die Ehrenamtli­chen eine anonymisie­rte Liste mit Familien, die gerne unterstütz­t würden. Anhand des Profils suchen sich die Paten jemanden aus. Beim ersten Ken

nenlernen, das Bezzel oder ihre Kollegin begleiten, sollten beide Parteien die gegenseiti­gen Erwartunge­n abklären. Anders als etwa verordnete Maßnahmen vom Jugendamt, handle es sich um eine freiwillig­e Partnersch­aft, die von beiden Seiten jederzeit beendet werden könne, betont Bezzel.

Martha Bohus ist es in all den Jahren öfters gelungen, das Vertrauen einer Familie zu gewinnen. Ist eine Patenschaf­t in der Regel auf ein oder zwei Jahre angelegt, begleitet sie Benedict, Esther, Precious, Nicholas und ihre Mutter Efosa schon länger. Die 46-Jährige, die aus Nigeria stammt, schöpft viel Kraft aus den Begegnunge­n mit der Patin. „Sie versteht meine Situation und ist wie

ein Engel, wie eine zweite Mama für mich.“Auch während des CoronaLock­downs stand die Familie mit Bohus in Kontakt. „Wir haben uns vor allem draußen getroffen und viel telefonier­t.“

Corona selbst hat die Nachfrage nach Familienpa­ten zwar nicht erhöht. Die Problemlag­en, die durch die Pandemie entstanden seien, bedürften im Regelfall profession­eller Hilfe, weiß Bezzel. Dennoch sind bei der Anlaufstel­le für Kinderschu­tz Interessen­tinnen und Interessen­ten jederzeit willkommen. „Wir suchen Menschen, die gut zuhören können und Spaß am Umgang mit Menschen haben – nicht nur mit Kindern, sondern mit der ganzen Familie.“Das Alter sei zweitrangi­g.

„Es gibt Paten, die in Rente sind, andere arbeiten. Die einen haben eher am Wochenende Zeit, die anderen unter die Woche.“Wie viel Zeit die Patinnen und Paten nach der obligatori­schen Schulung investiere­n wollen, sei unterschie­dlich, so Bezzel. Im Schnitt seien es drei bis vier Stunden pro Woche, verteilt auf ein oder zwei Treffen.

O

Kurs Voraussich­tlich im Frühjahr fin‰ det die nächste Schulung statt. Wer sich dafür interessie­rt, kann sich ab sofort melden unter Telefonnum­mer 0821/455406‰21 oder Mail anlaufstel‰ le@kinderschu­tzbund‰augsburg.de. Auch Familien, die gerne einen Paten oder eine Patin an ihrer Seite hätten, sind hier an der richtigen Adresse.

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Foto: Annette Zoepf Martha Bohus inmitten ihrer Patenfamil­ie. Zwischen der Dolmetsche­rin und der fünfköpfig­en Familie ist ein enges Vertrauens­verhältnis entstanden.

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