Koenigsbrunner Zeitung

Zehn Jahre Haft für IS‰Rückkehrer­in

Prozess Weil sie ein Kind verdursten ließ, wurde Jennifer W. verurteilt. Die Liste ihrer Verbrechen ist lang: Beihilfe zum versuchten Mord, Verbrechen gegen die Menschlich­keit und Sklaverei

- Von Britta Schultejan­s, dpa

München Als der Richter das Urteil verkündet, blickt die junge Frau zuerst fast Hilfe suchend zu ihrem Anwalt. Der spricht beruhigend auf sie ein. Dann schaut sie an die Decke des Gerichtssa­als A 101. Sie wirkt sehr bewegt. Zu zehn Jahren Haft hat das Oberlandes­gericht München die IS-Rückkehrer­in Jennifer W. am Montag verurteilt.

Das Gericht geht davon aus, dass die heute 30-Jährige tatenlos dabei zusah, wie ihr damaliger Ehemann im Irak vor sechs Jahren ein erst fünf Jahre altes jesidische­s Mädchen bei sengender Mittagsson­ne im Hof ankettete und dort qualvoll verdursten ließ. Das Kind sei „wehrlos und hilflos der Situation ausgesetzt“gewesen, sagt der Vorsitzend­e Richter Joachim Baier. Die Angeklagte habe „von Anfang an damit rechnen müssen, dass das in der Sonnenhitz­e gefesselte Kind sich in Lebensgefa­hr befand“. Sie habe aber „nichts unternomme­n“, um dem Mädchen zu helfen – obwohl ihr das „möglich und zumutbar“gewesen sei. Das Gericht zeigt sich auch überzeugt davon, dass Jennifer W. der Mutter des Mädchens später, als diese um ihr Kind weinte, drohte sie zu erschießen, wenn sie nicht aufhöre.

Diese gebrochene Frau, die als Nebenkläge­rin und wichtigste Zeugin in dem Verfahren aufgetrete­n war, sitzt ganz hinten im Saal und lässt sich von einer Dolmetsche­rin flüsternd übersetzen, dass das Gericht Jennifer W. unter anderem wegen Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g im Ausland verurteilt, wegen Beihilfe zum versuchten Mord sowie zum versuchten Kriegsverb­rechen und wegen Verbrechen­s gegen die Menschlich­keit, wegen Sklaverei mit Todesfolge. „Das ist für uns ein Sieg“, sagt der Verteidige­r der Angeklagte­n, Ali Aydin. „Ich bin glücklich.“

Der Angeklagte­n seien die menschenfe­indlichen Ziele und Taten des IS bekannt gewesen, als sie in den Irak ausreiste, um sich der Organisati­on

anzuschlie­ßen, betont Richter Baier in seinem Urteilsspr­uch. Jennifer W. und ihr Ehemann hätten die Mutter des gestorbene­n Mädchens als Haussklavi­n ausgebeute­t, führt er aus. Jennifer W. habe ihren Mann oft dazu angestache­lt. Sie habe mit ihrer IS-Mitgliedsc­haft die „Vernichtun­g der jesidische­n Religion“und die „Versklavun­g des jesidische­n Volkes“unterstütz­t.

Der Prozess gegen Jennifer W. hatte bei seinem Auftakt 2019 Schlagzeil­en gemacht, auch weil eine prominente Anwältin anfangs eine zentrale Rolle spielte: Die Menschenre­chtsexpert­in und Ehefrau des Schauspiel­ers George Clooney, Amal Clooney, die die Nebenkläge­rin und Mutter des getöteten Mädchens vertritt, vor Gericht aber nie erschien. Vor dem Prozess ließ sie in einer gemeinsame­n Erklärung der Nebenklage und der jesidische­n Organisati­on Yazda verlauten: „Jesidische Opfer warten schon viel zu lange auf ihre Gelegenhei­t, vor Gericht auszusagen.“Nach Yazda-Angaben war der Münchner Prozess seinerzeit die weltweit erste Anklage wegen Straftaten von IS-Mitglieder­n gegen die religiöse Minderheit der Jesiden. Der ehemalige Ehemann von Jennifer W. steht inzwischen in Frankfurt vor Gericht.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Die Verurteilt­e Jennifer W. im Gerichts‰ saal.

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