Wo der Lechhauser lieber ein Gögginger wäre
Premiere Im ausverkauften Spectrum füllte Silvano Tuiach einen unterhaltsamen Abend mit selbstironischen, liebenswerten und provozierenden Geschichten aus Augsburg und der Welt
Er ist zurück. Walter Ranzmayr, geboren in Oberhausen, lebend im Hochfeld. Mit XL-Mantel und Hut steht er auf der Bühne im Spectrum und lässt nichts aus, was in Augsburg Beine, Röcke oder Räder hat. Gefreut hat er sich auf den Beginn der kalten Jahreszeit. Vor drei Wochen hat er die lange Unterhose aus dem Schrank gekramt. „Erst war sie störrisch. Aber jetzt ist sie schön weich und cremig, hach.“Der Familienverbund ist eng. Tochter Jaqueline hat jetzt einen, der kommt aus Montenegro. „Oh, das darf man ja net mehr sagen.“Kinder hat sie schon von anderen Männern, mit einem Salafisten hat sie Osama gezeugt, der andere Sohn heißt Pitbull Bushido und hat es mit fünf schon zu dem Rapper von Oberhausen gebracht.
Zu Hause führt seine Frau ein strenges Regiment, was den Ranzmayr ehrlich empört. Abnehmen soll er. Mit Intervallfasten und nichts mehr essen, was Augen hat. Ranzmayr: „Mein Schnitzel hatte noch nie Augen!“Außerdem gäbe es morgens nur Frühstück, dann die Brotzeit mit fünf Weißwurschd, dann das lange Intervall zwischen zehn und zwölf, ohne Essen. Und die Nacht erst – mehr Intervall geht gar nicht. Früher, ja, da hat die Frau ihm zur Nacht noch was aufs Kopfkissen gelegt. Mal einen halben Gockel, Landjäger oder auch ein Eisbein. Zeiten waren das.
So grantelt er vor sich hin, der Ranzmayr, jagt einen Schwank nach dem anderen durchs gut gelaunte Publikum. Es sind Geschichten über den Alltag in der Schwabenmetropole, wie ihn ein männliches Urururgestein der Stadt in der x-ten Generation eben kennt. Ab und an bricht in den Trott auch unerwünscht Neues ein. Das verordnete Buchstabieren mit „A wie Augsburg“zum Beispiel. Ranzmayr hat natürlich schon immer A wie Augsburg gesagt, B wie Bärenkeller, G wie Gaskessel …
Vor allem Neues in Form von Verboten provoziert Ranzmayrs Trotz. „Ich war so müd, da hab ich a Niggerle gmacht – halt, das darf man net mehr sagen.“Doch das
Wort ist zu schön, die Wiederholung schon fast politischer Widerstand.
Wirklich? Bei manchem laufen die Gags leer. „Niggerle“und „Drei Mohren“werden auch mit Mehrfachwiederholungen nicht lustig. Auch #MeToo ist so ein Fettnäpfchen. Busenschauen für Intendanten müsse erlaubt sein. „Da sterben wir ja aus, wenn das nicht mehr erlaubt ist.“Altherrenwitz.
Verirrungen gibt es auch bei seinem Steckenpferd, den Metamorphosen der deutschen Sprache. Anglizismen sind seine dankbarsten Aufhänger, vor allem, wenn ihr Ge
ungelenk ist und Tuiach das nachweisen kann. Türkisch jedoch hätte es ja nicht bis ins Deutsche geschafft. „Außer Vollgas. Und das, obwohl hier so viel Türken sind“. Ein Irrtum. Mit weniger Ressentiment und mehr Recherche: Wörter türkischen Ursprungs wie Joghurt oder Kiosk sickern seit 500 Jahren ins Deutsche ein, und auf manchen Augsburger Schulhöfen hat KanakSprak längst Kultstatus.
Den Walter Ranzmayr hat sich Silvano Tuiach auf den Leib geschrieben. Die Figur bestreitet etwa ein Viertel seines neuen Programms „Grad mit Fleiß!“. Doch auch sonst
nimmt Tuiach sprühend vor Energie die Bühne in Beschlag und das voll besetzte Spectrum mit in die Niederungen der komplexbeladenen Lechhauser und der smarten Gögginger. Als Augsburgs dienstältester Kabarettist lässt er zudem sein Leben Revue passieren, seine Fußballzeit beim FC Steppach, den Ministrantenjob mit dem Weihrauchfass, den Pfarrer, die Beichte und die sieben Todsünden. Der Höllenbesuch als Neuverstorbener mit Blick in die Einzelzellen von Strauß, Nüsslein und Sauter gehört zu den Höhepunkten der Show. Die Übergänge sind geschmeidig, das Publibrauch
kum honoriert seinen ersten Auftritt seit eineinhalb Jahren mit viel Zwischenund einem langen Schlussapplaus.
Tuiach, dem die 71 Jahre in Aktion nicht anzumerken sind, steht nach einem langen Lockdown erstmals wieder auf der Bühne. Neu ist, dass er sein Programm seit mehreren Jahren erstmals wieder ohne Herrn und Frau Braun allein bestreitet.
Weiterer Termin Silvano Tuiach tritt am 7. November um 19 Uhr wieder im Spectrum in Augsburg mit seinem neuen Programm auf.