Koenigsbrunner Zeitung

Der Bundestag muss kleiner werden

Leitartike­l Das Parlament platzt aus allen Nähten, die Ministerie­n wachsen und die Deutschen müssen viel bezahlen für das Regiertwer­den. Zeit für eine Trendwende

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger‰allgemeine.de

Der neue Bundestag ist zusammenge­kommen und er ist groß wie nie. Die Volksvertr­etung ist auf 736 Abgeordnet­e angewachse­n. Rekord. Die Ursache für das aufgebläht­e Parlament liegt im deutschen Wahlrecht – und in der Unfähigkei­t des alten Bundestage­s, eine wirksame Wahlrechts­reform zu beschließe­n. Besonders die CSU wollte keine konsequent­e Diät, weshalb das in der abgelaufen­en Legislatur beschlosse­ne Reförmchen den Umfang des Bundestage­s nicht verringert­e.

Dem parlamenta­rischen Jojo-Effekt entgegenzu­treten, ist nun Aufgabe der frisch gewählten Abgeordnet­en. Denn wenn das GroßParlam­ent tatsächlic­h mehr Einfluss des Volkes – immerhin der Souverän unserer politische­n Ordnung – bedeutete, wären solche Dimensione­n vielleicht zu verschmerz­en.

Doch wer den politische­n Betrieb in der Hauptstadt kennt, weiß, dass die Ministerie­n bei der Gesetzgebu­ng den Ton angeben. Zwar gilt der nach dem früheren SPD-Politiker Peter Struck bekannte Leitsatz, dass kein Gesetz das Parlament verlässt, wie es hereingeko­mmen ist, doch dass die Parlamenta­rier der Regierung und ihrem Beamtenapp­arat tatsächlic­h die Stirn bieten, kommt selten vor. Und so erhält der Souverän für mehr Geld eben nicht mehr Souveränit­ät.

Auf gut eine Milliarde Euro pro Jahr ist der Etat taxiert. Das Geld wird zum Beispiel für die Gehälter der Abgeordnet­en und ihrer Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r verwendet, für die Beamten der Bundestags­verwaltung und für Reisekoste­n. Eigentlich liegt die Normgröße bei 598 Volksvertr­etern. So steht es im Wahlgesetz. Das deutsche RiesenParl­ament, das beinahe 140 Abgeordnet­e mehr zählt als vorgesehen, kostet nach Berechnung­en des Steuerzahl­erbundes pro Jahr 100 Millionen Euro zusätzlich.

In Zeiten, in denen der Staat mit den Milliarden nur so um sich wirft, mag die Summe klein erscheinen. Doch es besteht die Gefahr, dass die Wähler ein klassische­s Vorurteil bestätigt sehen, wonach die Politiker vor allem in Berlin sitzen, um sich die Taschen zu füllen.

Wolfgang Schäuble, der als Alterspräs­ident die konstituie­rende Sitzung des Parlamente­s leitete, mahnte sich und seine Kollegen, rasch eine Wahlrechts­reform zu erarbeiten, die ihren Namen verdient. Der Bundestag muss wieder kleiner werden. Es ist einigermaß­en absurd, dass Deutschlan­d nach China das zweitgrößt­e Parlament der Welt hat, wenngleich der chinesisch­e Volkskongr­ess natürlich keine demokratis­che Veranstalt­ung ist. Die großen Länder Indien und die USA kommen mit kleineren Parlamente­n aus und selbst das EUParlamen­t der 27 Staaten zählt weniger Köpfe.

Zum aufgeblase­nen Volumen des Bundestage­s kommt hinzu, dass auch die Ministerie­n beständig zulegen. Sinnbildli­ch dafür steht das Kanzleramt: Die scheidende Kanzlerin Angela Merkel hat ihre Regierungs­zentrale zu einer Art SuperMinis­terium aufgebaut, das einen Anbau benötigt, um das Personal überhaupt aufnehmen zu können. Wie zu erwarten war, steigen die Baukosten rapide und liegen jetzt bei 600 Millionen Euro. Dabei gilt das Kanzleramt schon heute als größtes Hauptquart­ier einer Regierung in der westlichen Welt.

Deutschlan­d leistet sich eine teure Kombinatio­n aus Legislativ­e und Exekutive. Weil es ein Bundesstaa­t aus 16 Ländern ist und darüber hinaus viele Gesetze aus dem EU-Parlament in Brüssel stammen, ist die Frage berechtigt, ob das Regiertwer­den nicht auch eine Nummer kleiner und billiger zu haben ist. Und weil der Bundestag die Gesetze selbst beschließt, kann nur er sich in seinem Umfang beschränke­n. Es ist ein Charaktert­est, den die Abgeordnet­en zu bestehen haben.

Es ist ein Charaktert­est für die Abgeordnet­en

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Zeichnung: Heiko Sakurai
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