Koenigsbrunner Zeitung

Auf der Kippe

FC Bayern Vor dem Spiel gegen Gladbach müssen sich die Münchner mit allerhand fachfremde­n Themen beschäftig­en. Bei Lucas Hernandez immerhin steht nun eine Entscheidu­ng an

- VON TILMANN MEHL

München Die alte Metzger-Frage beantworte­n sie in München seit Jahrzehnte­n mit: Ja. „Darf’s auch ein bisschen mehr sein?“Mehr Titel, mehr Spektakel, mehr Aufregung abseits des Platzes. In den 90er Jahren hatte sich der FC Bayern mit Leichtigke­it den Beinamen „FC Hollywood“erarbeitet, wofür hauptsächl­ich die Charakterm­imen Jürgen Klinsmann und Lothar Matthäus verantwort­lich waren.

Drei Dekaden später liefern die Münchner immer noch Unterhaltu­ng im Elitesegme­nt. „Das Spiel in Leverkusen oder in Lissabon in der 2. Halbzeit. Oder auch am Samstag in den ersten 20 Minuten – da habe ich gedacht, ich bin in Hollywood“, erfreut sich Ehrenpräsi­dent Uli Hoeneß an den Darbietung­en auf dem Rasen. Hoeneß tat seine Begeisteru­ng auf dem roten Teppich kund. In einem Münchner Kino wurde mit Brimborium und Trara die Premiere einer Dokumentat­ion über die vergangene Saison des Dauermeist­ers gefeiert.

Die Filmemache­r haben sich den Münchnern aber nicht nur genä

weil dort ausgezeich­nete Fußballer ihrer Arbeit nachgehen. Die Bayern strahlen weit über das Feld hinaus. Am Mittwoch beispielsw­eise treten sie in der zweiten Pokalrunde bei Borussia Mönchengla­dbach an. Ein Duell, das Trainer Julian Nagelsmann als „die schwerste Aufgabe“bezeichnet, die es so früh in der Saison geben kann (20.45 Uhr, ARD). Und doch interessie­rt die Partie nur am Rande in der Presserund­e, zu der der Trainer am Dienstag virtuell dazugescha­ltet ist. Das liegt zum einen an Nagelsmann selbst, der sich immer noch in häuslicher Isolation befindet, nachdem auch ein Corona-Test am Montag noch keine befreiende Wirkung hatte. Ihm gehe es zwar immer besser, das Virus erlaubt es ihm aber nicht, sein Team vor Ort zu betreuen, sodass ihn auch in Mönchengla­dbach Co-Trainer Dino Toppmöller vertreten wird (»Porträt Seite 2).

Noch mehr Raum nehmen zum anderen aber zwei Personalie­n ein, die nur bedingt etwas mit dem Geschehen auf dem Platz zu tun haben. Lucas Hernandez muss möglicherw­eise am Donnerstag für ein halbes Jahr in einer Strafvollz­ugsanstalt in

Spanien einrücken. Häusliche Gewalt, Umgehung der Kontaktspe­rre: Der Fall ist bekannt – nur das Ende noch nicht. Der Franzose hofft weiterhin, mit einer letzten Ermahnung davonzukom­men. „Ich finde das lächerlich. Das ist doch gaga“, ordnet der in Justizfrag­en bewanderte Hoeneß den Fall ein. Nagelsmann geht davon aus, dass Hernandez am Mittwoch spielen kann und auch am Samstag gegen Union Berlin „zur Verfügung steht“.

Worauf seine Hoffnung basiert, konnte er nicht erläutern, es handle sich schließlic­h um eine Privatsach­e des Verteidige­rs. Die allerdings könnte bald auch das Spiel der Bayern beeinfluss­en. Schließlic­h hatte sich der 25-Jährige zuletzt einen Stammplatz im Münchner Ensemble erarbeitet und gilt als Eckpfeiler in der Ausrichtun­g Nagelsmann­s. Eine weitere linksfüßig­e Absicherun­g für den stürmische­n Alphonso Davies gibt der Kader nicht her. Sich der möglichen Strafe zu entziehen und einfach nicht nach Spanien zu reisen würde Hernandez wohl nichts bringen. Es gebe „ein internatio­nales Rechtshilf­erecht, das – grundsätzl­ich – auch Hilfe zur Vollhert, streckung ausländisc­her Urteile ermöglicht: konkret eine Auslieferu­ng“, sagt der Lehrstuhli­nhaber des Instituts für Strafrecht­swissensch­aft an der Universitä­t Augsburg, Professor Michael Kubiciel. Doch selbst, wenn die Spanier keinen Auslieferu­ngshaftbef­ehl erwirken könnten, stelle sich die Frage, „wie es für Hernandez und natürlich auch für seinen Sponsoren und Arbeitgebe­r aussähe, wenn er ein rechtskräf­tiges Strafurtei­l missachtet und es auf eine Verhaftung in Spanien oder eine Auslieferu­ng durch Deutschlan­d ankommen ließe“, so Kubiciel.

Joshua Kimmich wiederum muss sich um derartige Fragen keine Sorgen machen, auch wenn die Diskussion­en der vergangene­n Tage etwas anderes haben vermuten lassen. Hoeneß hatte einen von Medien ausgelöste­n „Tsunami“beobachtet, nachdem der Mittelfeld­spieler erklärt hatte, warum er sich bislang noch nicht gegen Corona hat impfen lassen. „Das ist ein Stück weit der Preis, den man zahlen muss, wenn man in der Öffentlich­keit steht“, fasste es Nagelsmann zusammen. Es führen keine Einbahnstr­aßen nach Hollywood.

 ?? Foto: Jan Woitas, dpa ?? Lucas Hernandez hat sich in seinem dritten Jahr in München einen Stammplatz erarbeitet. Den allerdings könnte er nun schon bald verlieren, falls er eine sechsmonat­ige Haft‰ strafe in Spanien antreten muss.
Foto: Jan Woitas, dpa Lucas Hernandez hat sich in seinem dritten Jahr in München einen Stammplatz erarbeitet. Den allerdings könnte er nun schon bald verlieren, falls er eine sechsmonat­ige Haft‰ strafe in Spanien antreten muss.

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