Koenigsbrunner Zeitung

Nahe dem Gaswerk entsteht ein zweites Kreativqua­rtier

Freizeit Zusammen mit zwei Freunden hat sich László Bencze in der Gubener Straße in Oberhausen mit einem Tanzzentru­m einen Traum verwirklic­ht. Hier kann man nicht nur Samba, Yoga oder Capoeira lernen. Was das Besondere an dem neuen Ort ist

- VON CLAUDIA KNIESS

„Coworking-Space“ist einer der häufig genannten Begriffe aus der neuen Arbeitswel­t. Eine Art „Codancing-Space“ist das Kreativqua­rtier, das gerade in der Gubener Straße nördlich des Gaswerk-Geländes in Oberhausen entsteht. Wo im früheren Zeppelin-Gebäude bislang Bagger und Laderaupen zum Mieten bereitstan­den, kann man nun Samba, Yoga oder Capoeira lernen. „TanzZentru­m Augsburg Soul and Dance“nennen die Gründer ihr Baby.

Denn die drei Männer, die gut in der zweiten Lebenshälf­te stehen und alle eine Karriere in ganz anderen Berufen und ohne Zeit fürs Tanzen hinter sich haben, betreiben nicht nur selbst eine Tanzschule und vermieten ihre Räume an andere. Sie organisier­en auch Infrastruk­tur, Versicheru­ngen, Öffentlich­keitsarbei­t, Veranstalt­ungen für alle und regen alle möglichen Kooperatio­nen an. Alfred und Günther wollen als „stille Teilhaber“nur mit ihren Vornamen hier auftauchen. „Nach außen hält László den Kopf für alles hin“, erklären sie. László Bencze steht also mit Kopf, Nachnamen und vor allem mit Tanzbein für das neue Kreativzen­trum: Der Jurist arbeitete lange Jahre als Unternehme­nsberater, bevor er seine Liebe zur Salsa Cubana entdeckte und vom Tanzschüle­r zum Aushilfsta­nzlehrer und schließlic­h zum Tanzschul-Inhaber wurde.

Als Sohn deutsch-ungarische­r Eltern in Bratislava geboren, hatte er schon als Schüler gerne getanzt. Dann führte ihn der Berufsweg u. a. in die Schweiz, nach London, in die USA und nach Japan, wo nirgends Zeit zum Tanzen blieb, bevor er nach insgesamt 21 Umzügen der Liebe wegen in Augsburg landete. Und des Endes einer Liebe wegen beim Tanzen: „Nach meiner Scheidung war ich sehr niedergesc­hlagen. Um mich aufzumunte­rn, nahm eine gute Freundin

mich mit zum Salsa-Tanzen in Henry’s Coffee. Ich fand das erst zu mainstream, aber dann hat mir die Musik wahnsinnig gut gefallen, alles war so lebensfroh und die Menschen so freundlich.“Also nahm er Stunden in der Tanzschule von Juan Carlos Hernandez Mora im Kulturpark West auf dem Reese-Gelände, und als der nach Kuba zurückging, half er dessen Nachfolger­innen zuerst in seinem eigentlich­en Beruf als Unternehme­nsberater und dann als Tanzlehrer für Anfängerku­rse aus. Sein Stil kam an,

bald wünschten sich seine Schülerinn­en und Schüler auch Fortgeschr­ittenen-Kurse bei ihm, für die er sich fortbildet­e. „Das war anstrengen­d, anfangs hatte ich gefühlt nur eine Stunde Vorsprung vor meinen Kursen.“Zumal Bencze weiter große Projekte als Unternehme­nsberater annahm. Als er sich selbst von einem Kollegen coachen ließ, legte der, ohne es zu ahnen, den Grundstein für das jetzige TanzZentru­m mit dem Satz: „Du machst deinen Job gut und offensicht­lich auch gerne – aber wenn

du von der Tanzschule erzählst, strahlen deine Augen.“Um dort auskömmlic­h arbeiten zu können und weil er mittlerwei­le viele kleine Tanzschule­n kannte, denen feste Räume fehlten, entstand erstmals die Idee, unterzuver­mieten. Den Betreibern des Kulturpark­s West gefiel das Konzept und sie halfen ihm, neue Räume für seine Vision einer ganzen Tanzschul-Familie unter einem Dach zu finden. Da Bencze das räumliche Konzept der Zeppelinha­lle für sein TanzZentru­m nicht geeignet schien,

puzzelte er mit einem ehemaligen Tanzschüle­r, der Bauingenie­ur war, an einem offenen Grundriss mit vier Tanzsälen zwischen 30 und 100 Quadratmet­ern rund um ein Café: So kam Alfred ins Spiel und wurde Kompagnon.

Günther, der Dritte im Bunde, kam peu à peu dazu: „Ich bin Handwerker, bastle gerne und richte alte Sachen, also habe ich immer mehr geholfen und wurde schließlic­h Teilhaber.“Nun sitzen Günther, Alfred und László im „Café Samar“, dem

Raum fürs „Socializin­g“oder geselliges Beisammens­ein. Wie die aller Tanzräume, hat Bencze auch diesen Namen in einem Buch mit unübersetz­baren Begriffen aus verschiede­nen Sprachen gefunden: Samar ist Arabisch und bedeutet „Mit Freunden einen schönen Abend verbringen, dabei nicht bemerken, wie die Sonne untergeht und das Feuer sich in Glut verwandelt, gemeinsam alle Probleme der Welt lösen, sich am nächsten Tag aber nicht mehr daran erinnern, weil man vermutlich zu viel getrunken hat.“

Es sind zwar nicht alle Probleme der Welt zu lösen, aber es gibt immer noch so viel zu tun, dass die Drei oft bis spät in die Nacht da sind und hier gemeinsam zu Abend kochen, meist mit anderen Helfern und Handwerker­n, die unzählige Arbeitsstu­nden umsonst oder zum Freundscha­ftspreis geleistet haben. Manches funktionie­rt auch als Tauschgesc­häft: Die Gärtnerin, die sich um die Zimmerlind­e kümmert, oder die Kirchenmal­erin, die beim Streichen half, werden mit Tanzstunde­n „bezahlt“.

Und da haben sie Riesenausw­ahl: Tango Argentino, Bachata Fusion oder Biodanza? Wem all das noch nicht reicht – Bencze streckt seine Fühler für Kooperatio­nen auch mit den Nachbarn in der Zeppelinha­lle aus: Abadá Capoeira hat für die brasiliani­sche Mischung aus Kampfkunst und Tanz einen großen, hellen Raum hier gefunden und auf der anderen Seite der Trommel-Campus für vielfältig­e Percussion-Angebote. Auch die Kontakte zu Bands, Schreinern, einem Sattler oder einem singenden Webdesigne­r kann Bencze irgendwie brauchen. „Natürlich ist es auch erstmal neu und man muss es aushalten können, dass es ähnliche Angebote unter einem Dach gibt. Aber das ist auch meine Aufgabe, da zu moderieren und die Konkurrenz­angst unter den momentan 13 vertretene­n Tanzschule­n zu nehmen.“

 ?? Foto: Claudia Knieß ?? Das Studio Naz ist mit 100 Quadratmet­ern der größte Raum im neuen „TanzZentru­m Augsburg Soul and Dance“am Gaswerk. László Bencze hatte die Idee zum Coworking Space für Tanz‰ und Bewegungsa­ngebote und freut sich, dass neben zwölf weiteren Schulen auch der Tanztreff von Angelika Cordes (2. von links) mit ihrer Broadway Jazz‰ Kompanie eine neue Heimat gefunden hat.
Foto: Claudia Knieß Das Studio Naz ist mit 100 Quadratmet­ern der größte Raum im neuen „TanzZentru­m Augsburg Soul and Dance“am Gaswerk. László Bencze hatte die Idee zum Coworking Space für Tanz‰ und Bewegungsa­ngebote und freut sich, dass neben zwölf weiteren Schulen auch der Tanztreff von Angelika Cordes (2. von links) mit ihrer Broadway Jazz‰ Kompanie eine neue Heimat gefunden hat.

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