Nahe dem Gaswerk entsteht ein zweites Kreativquartier
Freizeit Zusammen mit zwei Freunden hat sich László Bencze in der Gubener Straße in Oberhausen mit einem Tanzzentrum einen Traum verwirklicht. Hier kann man nicht nur Samba, Yoga oder Capoeira lernen. Was das Besondere an dem neuen Ort ist
„Coworking-Space“ist einer der häufig genannten Begriffe aus der neuen Arbeitswelt. Eine Art „Codancing-Space“ist das Kreativquartier, das gerade in der Gubener Straße nördlich des Gaswerk-Geländes in Oberhausen entsteht. Wo im früheren Zeppelin-Gebäude bislang Bagger und Laderaupen zum Mieten bereitstanden, kann man nun Samba, Yoga oder Capoeira lernen. „TanzZentrum Augsburg Soul and Dance“nennen die Gründer ihr Baby.
Denn die drei Männer, die gut in der zweiten Lebenshälfte stehen und alle eine Karriere in ganz anderen Berufen und ohne Zeit fürs Tanzen hinter sich haben, betreiben nicht nur selbst eine Tanzschule und vermieten ihre Räume an andere. Sie organisieren auch Infrastruktur, Versicherungen, Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen für alle und regen alle möglichen Kooperationen an. Alfred und Günther wollen als „stille Teilhaber“nur mit ihren Vornamen hier auftauchen. „Nach außen hält László den Kopf für alles hin“, erklären sie. László Bencze steht also mit Kopf, Nachnamen und vor allem mit Tanzbein für das neue Kreativzentrum: Der Jurist arbeitete lange Jahre als Unternehmensberater, bevor er seine Liebe zur Salsa Cubana entdeckte und vom Tanzschüler zum Aushilfstanzlehrer und schließlich zum Tanzschul-Inhaber wurde.
Als Sohn deutsch-ungarischer Eltern in Bratislava geboren, hatte er schon als Schüler gerne getanzt. Dann führte ihn der Berufsweg u. a. in die Schweiz, nach London, in die USA und nach Japan, wo nirgends Zeit zum Tanzen blieb, bevor er nach insgesamt 21 Umzügen der Liebe wegen in Augsburg landete. Und des Endes einer Liebe wegen beim Tanzen: „Nach meiner Scheidung war ich sehr niedergeschlagen. Um mich aufzumuntern, nahm eine gute Freundin
mich mit zum Salsa-Tanzen in Henry’s Coffee. Ich fand das erst zu mainstream, aber dann hat mir die Musik wahnsinnig gut gefallen, alles war so lebensfroh und die Menschen so freundlich.“Also nahm er Stunden in der Tanzschule von Juan Carlos Hernandez Mora im Kulturpark West auf dem Reese-Gelände, und als der nach Kuba zurückging, half er dessen Nachfolgerinnen zuerst in seinem eigentlichen Beruf als Unternehmensberater und dann als Tanzlehrer für Anfängerkurse aus. Sein Stil kam an,
bald wünschten sich seine Schülerinnen und Schüler auch Fortgeschrittenen-Kurse bei ihm, für die er sich fortbildete. „Das war anstrengend, anfangs hatte ich gefühlt nur eine Stunde Vorsprung vor meinen Kursen.“Zumal Bencze weiter große Projekte als Unternehmensberater annahm. Als er sich selbst von einem Kollegen coachen ließ, legte der, ohne es zu ahnen, den Grundstein für das jetzige TanzZentrum mit dem Satz: „Du machst deinen Job gut und offensichtlich auch gerne – aber wenn
du von der Tanzschule erzählst, strahlen deine Augen.“Um dort auskömmlich arbeiten zu können und weil er mittlerweile viele kleine Tanzschulen kannte, denen feste Räume fehlten, entstand erstmals die Idee, unterzuvermieten. Den Betreibern des Kulturparks West gefiel das Konzept und sie halfen ihm, neue Räume für seine Vision einer ganzen Tanzschul-Familie unter einem Dach zu finden. Da Bencze das räumliche Konzept der Zeppelinhalle für sein TanzZentrum nicht geeignet schien,
puzzelte er mit einem ehemaligen Tanzschüler, der Bauingenieur war, an einem offenen Grundriss mit vier Tanzsälen zwischen 30 und 100 Quadratmetern rund um ein Café: So kam Alfred ins Spiel und wurde Kompagnon.
Günther, der Dritte im Bunde, kam peu à peu dazu: „Ich bin Handwerker, bastle gerne und richte alte Sachen, also habe ich immer mehr geholfen und wurde schließlich Teilhaber.“Nun sitzen Günther, Alfred und László im „Café Samar“, dem
Raum fürs „Socializing“oder geselliges Beisammensein. Wie die aller Tanzräume, hat Bencze auch diesen Namen in einem Buch mit unübersetzbaren Begriffen aus verschiedenen Sprachen gefunden: Samar ist Arabisch und bedeutet „Mit Freunden einen schönen Abend verbringen, dabei nicht bemerken, wie die Sonne untergeht und das Feuer sich in Glut verwandelt, gemeinsam alle Probleme der Welt lösen, sich am nächsten Tag aber nicht mehr daran erinnern, weil man vermutlich zu viel getrunken hat.“
Es sind zwar nicht alle Probleme der Welt zu lösen, aber es gibt immer noch so viel zu tun, dass die Drei oft bis spät in die Nacht da sind und hier gemeinsam zu Abend kochen, meist mit anderen Helfern und Handwerkern, die unzählige Arbeitsstunden umsonst oder zum Freundschaftspreis geleistet haben. Manches funktioniert auch als Tauschgeschäft: Die Gärtnerin, die sich um die Zimmerlinde kümmert, oder die Kirchenmalerin, die beim Streichen half, werden mit Tanzstunden „bezahlt“.
Und da haben sie Riesenauswahl: Tango Argentino, Bachata Fusion oder Biodanza? Wem all das noch nicht reicht – Bencze streckt seine Fühler für Kooperationen auch mit den Nachbarn in der Zeppelinhalle aus: Abadá Capoeira hat für die brasilianische Mischung aus Kampfkunst und Tanz einen großen, hellen Raum hier gefunden und auf der anderen Seite der Trommel-Campus für vielfältige Percussion-Angebote. Auch die Kontakte zu Bands, Schreinern, einem Sattler oder einem singenden Webdesigner kann Bencze irgendwie brauchen. „Natürlich ist es auch erstmal neu und man muss es aushalten können, dass es ähnliche Angebote unter einem Dach gibt. Aber das ist auch meine Aufgabe, da zu moderieren und die Konkurrenzangst unter den momentan 13 vertretenen Tanzschulen zu nehmen.“