Der große Kriminalitätsatlas
Statistik In der Innenstadt gibt es pro Jahr mehr als 2000 Straftaten, in Siebenbrunn hingegen nur drei. Wie sich die Kriminalität auf die Augsburger Stadtteile verteilt – und woran das liegen könnte
Die meisten Straftaten in Augsburg ereignen sich in der Innenstadt, in Siebenbrunn dagegen ist Kriminalität fast ein Fremdwort: Das städtische Statistikamt hat detailliert ausgewertet, in welchen Stadtvierteln sich wie viele Straftaten abspielen und wo die Tatverdächtigen wohnen. Grob gibt es ein Gefälle zwischen Zentrum und weiter draußen gelegenen Stadtbezirken. Und es gibt einzelne Stadtteile, die auffallen - Oberhausen etwa bei Drogendelikten. Stadt und Polizei warnen aber davor, aus den Zahlen zu einfache Rückschlüsse zu ziehen. Manchmal gebe es auch Erklärungen, die nicht auf der Hand liegen.
Manche Stadtteile seien bei der Zahl der Straftaten auffällig, etwa weil sie für Täter von auswärts verkehrsgünstig liegen, oder nur bei sehr ausgewählten Deliktfeldern vorne liegen. Ein reiner Blick auf die Zahlen ohne Einordnung liefere mitunter falsche Eindrücke, sagt Polizeisprecherin Sandra Schmidt. Insgesamt geht die Zahl der Straftaten in Augsburg seit Jahren zurück. Von 104 Straftaten je 1000 Einwohner im Jahr 2004 sank die Kriminalitätsbelastung auf zuletzt 69 Taten je 1000 Einwohner im vergangenen Jahr. Besonders im Bereich der Diebstähle gab es seit 1995 Rückgänge, Zunahmen hingegen bei der Körperverletzung. Augsburg gilt statistisch als bundesweit zweitsicherste Großstadt über 200.000 Einwohner in Deutschland. Die Polizei dulde in Augsburg keine rechtsfreien Räume, so Sprecherin Schmidt. Dies gelte für alle Stadtteile. Neben Prävention komme es auf konsequentes Vorgehen und schnelle Reaktion bei neuen Entwicklungen an.
Das höchste Aufkommen an Straftaten gibt es in der Innenstadt, speziell im Bahnhofs- und Bismarckviertel sowie in der Kerninnenstadt (St. Ulrich bis Dom). In diesen beiden Bezirken findet etwa ein Fünftel aller in Augsburg stattfindenden Straftaten statt, begangen von Verdächtigen aus allen Stadtteilen - und oftmals auch von außerhalb. Unter anderem Schwarzfahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln spielen hier eine Rolle. Allerdings ist in der Kern-Innenstadt auch die Zahl der Körperverletzungen, nicht zuletzt aufgrund des Nachtlebens, so hoch wie sonst nirgendwo im Stadtgebiet. Hier war die Tendenz - das
Lockdown-Jahr 2020 ausgenommen - steigend. Auch am Königsplatz geht die Zahl der Delikte im langjährigen Vergleich nach oben. Allerdings dürfte dabei auch eine Rolle spielen, dass der Königsplatz zwischen 2011 und 2015 zeitweise eine Baustelle war und sich die Drogenszene vorübergehend verlagerte.
Was die Zahl der Straftaten im Verhältnis zur Einwohnerzahl angeht, gibt es auch im Bereich Schäfflerbach, Oberhausen und Wertachviertel sowie in Lechhausen gewisse Ballungen. Wenn auch bei Weitem nicht so hoch wie in der Innenstadt, wo wegen der Zentrumsfunktion einfach viele Menschen unterwegs sind. Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU), in dessen Zuständigkeit das Büro für Prävention arbeitet, warnt aber vor zu einfachen Rückschlüssen. Man müsse immer die jeweiligen Viertel und ihre Gegebenheiten betrachten, wenn es um das Herausarbeiten von Ursachen geht. „Allgemein ist man in Kriminologie und Präventionsforschung inzwischen sehr zurückhaltend, Kriminalitätsbelastung auf die Einwohnerzahl eines Bezirks schematisch umzulegen“, so Pintsch. Denn oft seien bestimmte Plätze oder Veranstaltungen dafür verantwortlich, dass manche Viertel mehr Straftaten zu verzeichnen haben. Mit der Wohnbevölkerung vor Ort habe das dann gar nichts zu tun. „Der Schluss, dass es ‘kriminellere’ Bevölkerung in einzelnen Stadtteilen gebe, ist durch die empirische Forschung weitgehend widerlegt“, so Pintsch.
Ein Beispiel aus Sicht der Stadt ist der Stadtbezirk „Am Schäfflerbach“. Dass es dort überdurchschnittlich viele Straftaten gibt, liege unter anderem wohl an der City-Galerie, in der es, wie in der Innenstadt auch, zu einer gewissen Zahl an Ladendiebstählen kommt. Zur örtlichen Sozialstruktur gebe es wohl keinen ursächlichen Zusammenhang. Auch in Lechhausen, Oberhausen und dem Wertachviertel müsse man genau hinschauen. Ein nicht geringer Teil der Tatverdächtigen komme hier von außerhalb. Im Wertachviertel habe man vorübergehend Ansammlungen von Personengruppen von außerhalb des Stadtteils beobachtet, sei aber hier zusammen mit der Polizei schon tätig geworden. Dass es in Lechhausen-Ost zu relativ vielen Diebstählen kam, liege vermutlich daran, dass es sich um ein Gewerbegebiet mit vielen Betrieben handelt.
Allerdings, das zeigt auch ein Blick in die Statistik nach der Herkunft der Verdächtigen, gibt es zwischen den Stadtteilen erhebliche Schwankungen, die sich wohl durch die Sozialstruktur der Bevölkerung erklären lassen. In bürgerlich geprägten Vierteln wie dem Spickel, Bergheim und der Firnhaberau kamen zuletzt statistisch nur zwischen 1,1 und 1,2 Prozent der Bewohner und Bewohnerinnen pro Jahr mit dem Gesetz in Konflikt. In den Bezirken Rechts und Links der Wertach, die nicht den besten Ruf haben, liegt dieser Anteil bei über vier Prozent. Allerdings trifft dies auch auf das innenstadtnahe Georgsund Kreuzviertel zu, das keine Probleme bei der Reputation hat. Vor allem das Alter der Menschen dürfte eine große Rolle spielen:
Stadtteile mit hohem Anteil an älterer Bevölkerung haben einen deutlich geringeren Anteil an Tatverdächtigen als solche mit hohem Anteil an Jugendlichen und jungen Erwachsenen - sie sind die Gruppe, die generell am stärksten mit dem Gesetz aneinander gerät.
Allein mit Repression - Strafverfolgung, Kontrollen und Verboten lasse sich das Thema nicht in den Griff bekommen, sagt der Ordnungsreferent. Das einzige richtige Mittel sei eine „gute Mischung zwischen intensiver Prävention und kontinuierlicher, verhältnismäßiger Repression“. Für die City-Galerie und den Willy-Brandt-Platz bedeute dies häufige Streifen durch Polizei und Ordnungsdienst auf den öffentlichen Flächen. In Oberhausen und dem Wertachviertel arbeite das Büro für Prävention mit Streetworkern, Schulen und Polizei an Verbesserungen, etwa am Drei-Auen-Platz – wo es zuletzt Konflikte mit Jugendlichen gab. „Dieses kontinuierliche - und manchmal auch nicht immer unmittelbar sichtbare - Arbeiten führt bereits zu Erfolgen“, so Pintsch. Auch das neue Wohnquartier auf dem Zeuna-Stärker-Areal werde den Stadtteil positiv verändert.
Umsetzen möchte die Stadt auch eine Präventionsstrategie, die auf Stadtteilebene ansetzt. Als Pilotprojekt soll das im Wolfram- und Herrenbach umgesetzt werden, etwa indem Angebote für Kinder und Jugendliche verstärkt werden. Nach und nach wird der Bedarf im gesamten Stadtgebiet erhoben. Eine stadtweite und schulartübergreifende Befragung von 3000 Kindern und Jugendlichen im Jahr 2017 (Klassen 6, 8 und 10) ergab, dass vier Prozent schon einmal von der Polizei festgenommen wurden. Sieben Prozent erklärten, „weiche“Drogen wie Marihuana zu konsumieren, 14 Prozent hatten schon einmal in einem Geschäft etwas gestohlen.
Auch Erfahrungen mit Gewalt gibt es. Demnach haben sechs Prozent der Schüler und Schülerinnen eine vorsätzliche Körperverletzung begangen. Untersucht werden soll im Rahmen des Programms auch, inwieweit sich Ausgaben für Prävention volkswirtschaftlich bezahlt machen – etwa indem Gesundheitskosten sinken.
Die Zahl der Straftaten am Königsplatz nimmt im langjährigen Vergleich zu