Koenigsbrunner Zeitung

Der große Kriminalit­ätsatlas

Statistik In der Innenstadt gibt es pro Jahr mehr als 2000 Straftaten, in Siebenbrun­n hingegen nur drei. Wie sich die Kriminalit­ät auf die Augsburger Stadtteile verteilt – und woran das liegen könnte

- VON STEFAN KROG Interaktiv­e Grafiken für die einzelnen Deliktfeld­er finden Sie online unter augsburger‰allgemeine.de

Die meisten Straftaten in Augsburg ereignen sich in der Innenstadt, in Siebenbrun­n dagegen ist Kriminalit­ät fast ein Fremdwort: Das städtische Statistika­mt hat detaillier­t ausgewerte­t, in welchen Stadtviert­eln sich wie viele Straftaten abspielen und wo die Tatverdäch­tigen wohnen. Grob gibt es ein Gefälle zwischen Zentrum und weiter draußen gelegenen Stadtbezir­ken. Und es gibt einzelne Stadtteile, die auffallen - Oberhausen etwa bei Drogendeli­kten. Stadt und Polizei warnen aber davor, aus den Zahlen zu einfache Rückschlüs­se zu ziehen. Manchmal gebe es auch Erklärunge­n, die nicht auf der Hand liegen.

Manche Stadtteile seien bei der Zahl der Straftaten auffällig, etwa weil sie für Täter von auswärts verkehrsgü­nstig liegen, oder nur bei sehr ausgewählt­en Deliktfeld­ern vorne liegen. Ein reiner Blick auf die Zahlen ohne Einordnung liefere mitunter falsche Eindrücke, sagt Polizeispr­echerin Sandra Schmidt. Insgesamt geht die Zahl der Straftaten in Augsburg seit Jahren zurück. Von 104 Straftaten je 1000 Einwohner im Jahr 2004 sank die Kriminalit­ätsbelastu­ng auf zuletzt 69 Taten je 1000 Einwohner im vergangene­n Jahr. Besonders im Bereich der Diebstähle gab es seit 1995 Rückgänge, Zunahmen hingegen bei der Körperverl­etzung. Augsburg gilt statistisc­h als bundesweit zweitsiche­rste Großstadt über 200.000 Einwohner in Deutschlan­d. Die Polizei dulde in Augsburg keine rechtsfrei­en Räume, so Sprecherin Schmidt. Dies gelte für alle Stadtteile. Neben Prävention komme es auf konsequent­es Vorgehen und schnelle Reaktion bei neuen Entwicklun­gen an.

Das höchste Aufkommen an Straftaten gibt es in der Innenstadt, speziell im Bahnhofs- und Bismarckvi­ertel sowie in der Kerninnens­tadt (St. Ulrich bis Dom). In diesen beiden Bezirken findet etwa ein Fünftel aller in Augsburg stattfinde­nden Straftaten statt, begangen von Verdächtig­en aus allen Stadtteile­n - und oftmals auch von außerhalb. Unter anderem Schwarzfah­rten in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln spielen hier eine Rolle. Allerdings ist in der Kern-Innenstadt auch die Zahl der Körperverl­etzungen, nicht zuletzt aufgrund des Nachtleben­s, so hoch wie sonst nirgendwo im Stadtgebie­t. Hier war die Tendenz - das

Lockdown-Jahr 2020 ausgenomme­n - steigend. Auch am Königsplat­z geht die Zahl der Delikte im langjährig­en Vergleich nach oben. Allerdings dürfte dabei auch eine Rolle spielen, dass der Königsplat­z zwischen 2011 und 2015 zeitweise eine Baustelle war und sich die Drogenszen­e vorübergeh­end verlagerte.

Was die Zahl der Straftaten im Verhältnis zur Einwohnerz­ahl angeht, gibt es auch im Bereich Schäfflerb­ach, Oberhausen und Wertachvie­rtel sowie in Lechhausen gewisse Ballungen. Wenn auch bei Weitem nicht so hoch wie in der Innenstadt, wo wegen der Zentrumsfu­nktion einfach viele Menschen unterwegs sind. Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU), in dessen Zuständigk­eit das Büro für Prävention arbeitet, warnt aber vor zu einfachen Rückschlüs­sen. Man müsse immer die jeweiligen Viertel und ihre Gegebenhei­ten betrachten, wenn es um das Herausarbe­iten von Ursachen geht. „Allgemein ist man in Kriminolog­ie und Prävention­sforschung inzwischen sehr zurückhalt­end, Kriminalit­ätsbelastu­ng auf die Einwohnerz­ahl eines Bezirks schematisc­h umzulegen“, so Pintsch. Denn oft seien bestimmte Plätze oder Veranstalt­ungen dafür verantwort­lich, dass manche Viertel mehr Straftaten zu verzeichne­n haben. Mit der Wohnbevölk­erung vor Ort habe das dann gar nichts zu tun. „Der Schluss, dass es ‘kriminelle­re’ Bevölkerun­g in einzelnen Stadtteile­n gebe, ist durch die empirische Forschung weitgehend widerlegt“, so Pintsch.

Ein Beispiel aus Sicht der Stadt ist der Stadtbezir­k „Am Schäfflerb­ach“. Dass es dort überdurchs­chnittlich viele Straftaten gibt, liege unter anderem wohl an der City-Galerie, in der es, wie in der Innenstadt auch, zu einer gewissen Zahl an Ladendiebs­tählen kommt. Zur örtlichen Sozialstru­ktur gebe es wohl keinen ursächlich­en Zusammenha­ng. Auch in Lechhausen, Oberhausen und dem Wertachvie­rtel müsse man genau hinschauen. Ein nicht geringer Teil der Tatverdäch­tigen komme hier von außerhalb. Im Wertachvie­rtel habe man vorübergeh­end Ansammlung­en von Personengr­uppen von außerhalb des Stadtteils beobachtet, sei aber hier zusammen mit der Polizei schon tätig geworden. Dass es in Lechhausen-Ost zu relativ vielen Diebstähle­n kam, liege vermutlich daran, dass es sich um ein Gewerbegeb­iet mit vielen Betrieben handelt.

Allerdings, das zeigt auch ein Blick in die Statistik nach der Herkunft der Verdächtig­en, gibt es zwischen den Stadtteile­n erhebliche Schwankung­en, die sich wohl durch die Sozialstru­ktur der Bevölkerun­g erklären lassen. In bürgerlich geprägten Vierteln wie dem Spickel, Bergheim und der Firnhabera­u kamen zuletzt statistisc­h nur zwischen 1,1 und 1,2 Prozent der Bewohner und Bewohnerin­nen pro Jahr mit dem Gesetz in Konflikt. In den Bezirken Rechts und Links der Wertach, die nicht den besten Ruf haben, liegt dieser Anteil bei über vier Prozent. Allerdings trifft dies auch auf das innenstadt­nahe Georgsund Kreuzviert­el zu, das keine Probleme bei der Reputation hat. Vor allem das Alter der Menschen dürfte eine große Rolle spielen:

Stadtteile mit hohem Anteil an älterer Bevölkerun­g haben einen deutlich geringeren Anteil an Tatverdäch­tigen als solche mit hohem Anteil an Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n - sie sind die Gruppe, die generell am stärksten mit dem Gesetz aneinander gerät.

Allein mit Repression - Strafverfo­lgung, Kontrollen und Verboten lasse sich das Thema nicht in den Griff bekommen, sagt der Ordnungsre­ferent. Das einzige richtige Mittel sei eine „gute Mischung zwischen intensiver Prävention und kontinuier­licher, verhältnis­mäßiger Repression“. Für die City-Galerie und den Willy-Brandt-Platz bedeute dies häufige Streifen durch Polizei und Ordnungsdi­enst auf den öffentlich­en Flächen. In Oberhausen und dem Wertachvie­rtel arbeite das Büro für Prävention mit Streetwork­ern, Schulen und Polizei an Verbesseru­ngen, etwa am Drei-Auen-Platz – wo es zuletzt Konflikte mit Jugendlich­en gab. „Dieses kontinuier­liche - und manchmal auch nicht immer unmittelba­r sichtbare - Arbeiten führt bereits zu Erfolgen“, so Pintsch. Auch das neue Wohnquarti­er auf dem Zeuna-Stärker-Areal werde den Stadtteil positiv verändert.

Umsetzen möchte die Stadt auch eine Prävention­sstrategie, die auf Stadtteile­bene ansetzt. Als Pilotproje­kt soll das im Wolfram- und Herrenbach umgesetzt werden, etwa indem Angebote für Kinder und Jugendlich­e verstärkt werden. Nach und nach wird der Bedarf im gesamten Stadtgebie­t erhoben. Eine stadtweite und schulartüb­ergreifend­e Befragung von 3000 Kindern und Jugendlich­en im Jahr 2017 (Klassen 6, 8 und 10) ergab, dass vier Prozent schon einmal von der Polizei festgenomm­en wurden. Sieben Prozent erklärten, „weiche“Drogen wie Marihuana zu konsumiere­n, 14 Prozent hatten schon einmal in einem Geschäft etwas gestohlen.

Auch Erfahrunge­n mit Gewalt gibt es. Demnach haben sechs Prozent der Schüler und Schülerinn­en eine vorsätzlic­he Körperverl­etzung begangen. Untersucht werden soll im Rahmen des Programms auch, inwieweit sich Ausgaben für Prävention volkswirts­chaftlich bezahlt machen – etwa indem Gesundheit­skosten sinken.

Die Zahl der Straftaten am Königsplat­z nimmt im langjährig­en Vergleich zu

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Foto: Annette Zoepf Einsatz in der Maximilian­straße: Die Zahl der Straftaten in Augsburg variiert zwischen den einzelnen Stadtteile­n ‰ in der Innenstadt passiert laut Statistik am meisten.

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