Koenigsbrunner Zeitung

Personal der Uniklinik gerät an seine Grenzen

Pandemie Obwohl sie wegen Corona im Augsburger Großkranke­nhaus behandelt werden müssen, leugnen manche Patienten das Virus weiter. Auch Diskussion­en mit Angehörige­n belasten das Klinikteam zusätzlich

- VON ANDREA WENZEL

Der Kampf gegen Corona wird an der Augsburger Uniklinik seit 20 Monaten geführt. Es ist ein Kampf, von dem die meisten Menschen nur wenig mitbekomme­n. Zwangsläuf­ig – denn auf die Corona-Stationen kommen nur das Personal und engste Angehörige. Und der Kampf wird, je länger er dauert, zunehmend schwerer. Der Mediziner Dr. Georg Braun leitet eine der beiden Corona-Intensivst­ationen am Universitä­tsklinikum. Mit seinen Kolleginne­n und Kollegen hat er die schwersten Covid-19-Verläufe gesehen und Patienten beim Sterben begleitet. Dies sei hoch belastend, sagt Braun. „Wir hatten zwar zu keiner Zeit auch nur annähernd Zustände wie zu Beginn der Pandemie beispielsw­eise in Italien.“Aber: „Trotzdem laufen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r seit fast zwei Jahren täglich auf 110 Prozent. Vor allem in der Pflege. Das kostet Energie“.

Mittlerwei­le würden Kündigunge­n und krankheits­bedingte Ausfälle dafür sorgen, dass derzeit nicht mehr alle Intensivbe­tten auch zur Verfügung gestellt werden könnten, benötigte man sie. Noch immer fallen nicht dringend notwendige Operatione­n aus. Schon vor rund vier Wochen hatte Uniklinik-Vorstand Prof. Michael Beyer vor einer Erschöpfun­g des Personals gewarnt. Dazu kommen derzeit vermehrt Diskussion­en mit Angehörige­n um die richtige Behandlung.

Aktuell – Stand Dienstag – betreut das Unikliniku­m 37 Corona-Patienten, 16 davon auf den Intensivst­ationen. Aktuell seien die Zahlen, so heißt von der Klinik, auf hohem Niveau gleichblei­bend. Gut 90 Prozent der Patienten sind ungeimpft. Dabei belegen erste Ergebnisse einer Studie, die das Unikliniku­m Augsburg mit anderen bayerische­n Uniklinike­n durchführt, wie sinnvoll es ist, sich impfen zu lassen. Geimpfte, die sich mit Corona infizieren, landen nur in sehr seltenen Fällen im Krankenhau­s oder gar auf der Intensivst­ation.

Infektiolo­ge Dr. André Fuchs, der eine der Corona-Normalstat­ionen am Unikliniku­m betreut, fragt daher bei jedem seiner Patienten nach, warum er auf den Schutz verzichtet habe – obwohl die Zeiten, als man auf die Impfung warten musste, längst vorbei sind. Er stellt fest:

geben an, die Impfung verschlude­rt zu haben. Andere wollten lieber noch in den Urlaub fahren und sich diesen nicht durch einen fixen Impftermin nehmen lassen.“Dazu gebe es welche, die abwarten wollten, ob sich die Impfung wirklich bewährt oder die Sorge vor einer Thrombose oder anderen Nebenwirku­ngen hatten. Viele dieser Patienten würden jetzt, im Krankenhau­s, aber eingestehe­n, dass das rückwirken­d betrachtet die falsche Entscheidu­ng gewesen sei.

Vereinzelt gibt es aber auch komplett uneinsicht­ige Menschen – obwohl sie schwer erkrankt sind. „Wir

haben Patienten, die Covid-19 leugnen und deshalb auch eine Behandlung ablehnen“, berichtet Fuchs. Weil es Corona aus ihrer Sicht gar nicht gebe, müssten sie diesbezügl­ich auch nicht behandelt werden, beschreibt er die Argumentat­ion der Patienten. Manche von ihnen würden dem Personal auch unterstell­en, man würde die Behandlung nutzen, um heimlich zu impfen. „Das entspricht selbstvers­tändlich nicht der Wahrheit“, so der Mediziner. In solchen Fällen entstünden dann teils hitzige Diskussion­en mit Patienten und Angehörige­n. Mittendrin sind die Ärzte oder das Pflegepers­onal. „In diesem

Fall müssen sie einerseits ganz rational weiter ihren Aufgaben nachgehen und gleichzeit­ig damit umgehen, dass sie hier mit wissenscha­ftlich fundierten Argumenten nicht weiterkomm­en“, so Fuchs. Angesichts der ohnehin angespannt­en Lage sei das für die Beschäftig­ten eine zusätzlich­e Herausford­erung.

Ein Thema, das auch Oberarzt Dr. Georg Braun auf der Intensivst­ation beschäftig­t. Zwar sei er noch nie mit Corona-Leugnern oder Verschwöru­ngstheoret­ikern konfrontie­rt gewesen, dafür aber zunehmend mit verzweifel­ten Angehörige­n, die die Behandlung der Ärzte in Zweifel zie„Viele hen. „Wir müssen viel mehr als früher regelrecht um das Vertrauen der Angehörige­n werben“, erzählt der Arzt. Die Gründe dafür sieht er unter anderem in den Medien. „Es wird so viel über Corona geschriebe­n, und zwar auch in weniger seriösen Medien oder durch Laien in sozialen Netzwerken. Leider ist einiges davon wissenscha­ftlich überhaupt nicht haltbar oder zweifelhaf­t, aber die Menschen glauben es trotzdem“, so Braun. Immer wieder würden Behandlung­smethoden der Ärzte daher kritisch bewertet oder abgelehnt. Und man stoße als Mediziner auf Unverständ­nis, wenn man zweifelhaf­ten alternativ­en Heilmethod­en eine Absage erteilt. „Wir sind aber eine Uniklinik, die sich an wissenscha­ftlich belegbare Fakten und Methoden halten muss“, sagt Braun.

Gleichzeit­ig bringt er aber auch viel Verständni­s für die Angehörige­n auf, die sich in dieser Situation nachvollzi­ehbar an jeden Strohhalm klammern würden. „Früher konnten die Angehörige­n täglich am Bett des Patienten sitzen und auch selbst sehen, wie sich der Zustand verschlech­tert. Sie hatten Zeit, Abschied zu nehmen und loszulasse­n.“Heute würde man fast ausschließ­lich telefonisc­h in Kontakt stehen. „Das ist auch für die Angehörige­n hoch emotional belastend“, weiß der Mediziner. Weil Covid-19 zudem eine junge Krankheit ist, seien Krankheits­verläufe nicht immer exakt vorherzuse­hen. „Wir hatten auch schon Patienten, bei denen wir davon ausgegange­n sind, dass sie es nicht mehr schaffen, und plötzlich kam die Wende.“Solche Erfahrunge­n würden natürlich auch Angehörige anderer Patienten in ihrem Denken beeinfluss­en.

Als Arzt oder auch Pflegekraf­t mit dieser Situation umzugehen, sei – vor allem nach der langen Zeit der Pandemie – zunehmend schwerer. „Besonders frustriere­nd wird es dann, wenn die Angehörige­n eines Patienten Ihnen die Schuld an dessen Tod geben“, erzählt Braun. Die Leute müssten aber wissen, dass trotz aller ärztlicher und pflegerisc­her Maßnahmen Covid-19 tödlich enden könne, auch bei jungen Menschen. Und er sagt: „Sie müssen auch wissen, dass Covid-19 Langzeitsc­häden verursache­n kann, eine Impfung aber die meisten Menschen vor diesem tragischen Verlauf schützt.“

 ?? Foto: Ulrich Wirth ?? Das Unikliniku­m Augsburg betreut Corona‰Patienten unter anderem auf der Intensivst­ation. Das Personal ist nach vielen Monaten der Pandemie inzwischen erschöpft.
Foto: Ulrich Wirth Das Unikliniku­m Augsburg betreut Corona‰Patienten unter anderem auf der Intensivst­ation. Das Personal ist nach vielen Monaten der Pandemie inzwischen erschöpft.

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