Personal der Uniklinik gerät an seine Grenzen
Pandemie Obwohl sie wegen Corona im Augsburger Großkrankenhaus behandelt werden müssen, leugnen manche Patienten das Virus weiter. Auch Diskussionen mit Angehörigen belasten das Klinikteam zusätzlich
Der Kampf gegen Corona wird an der Augsburger Uniklinik seit 20 Monaten geführt. Es ist ein Kampf, von dem die meisten Menschen nur wenig mitbekommen. Zwangsläufig – denn auf die Corona-Stationen kommen nur das Personal und engste Angehörige. Und der Kampf wird, je länger er dauert, zunehmend schwerer. Der Mediziner Dr. Georg Braun leitet eine der beiden Corona-Intensivstationen am Universitätsklinikum. Mit seinen Kolleginnen und Kollegen hat er die schwersten Covid-19-Verläufe gesehen und Patienten beim Sterben begleitet. Dies sei hoch belastend, sagt Braun. „Wir hatten zwar zu keiner Zeit auch nur annähernd Zustände wie zu Beginn der Pandemie beispielsweise in Italien.“Aber: „Trotzdem laufen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit fast zwei Jahren täglich auf 110 Prozent. Vor allem in der Pflege. Das kostet Energie“.
Mittlerweile würden Kündigungen und krankheitsbedingte Ausfälle dafür sorgen, dass derzeit nicht mehr alle Intensivbetten auch zur Verfügung gestellt werden könnten, benötigte man sie. Noch immer fallen nicht dringend notwendige Operationen aus. Schon vor rund vier Wochen hatte Uniklinik-Vorstand Prof. Michael Beyer vor einer Erschöpfung des Personals gewarnt. Dazu kommen derzeit vermehrt Diskussionen mit Angehörigen um die richtige Behandlung.
Aktuell – Stand Dienstag – betreut das Uniklinikum 37 Corona-Patienten, 16 davon auf den Intensivstationen. Aktuell seien die Zahlen, so heißt von der Klinik, auf hohem Niveau gleichbleibend. Gut 90 Prozent der Patienten sind ungeimpft. Dabei belegen erste Ergebnisse einer Studie, die das Uniklinikum Augsburg mit anderen bayerischen Unikliniken durchführt, wie sinnvoll es ist, sich impfen zu lassen. Geimpfte, die sich mit Corona infizieren, landen nur in sehr seltenen Fällen im Krankenhaus oder gar auf der Intensivstation.
Infektiologe Dr. André Fuchs, der eine der Corona-Normalstationen am Uniklinikum betreut, fragt daher bei jedem seiner Patienten nach, warum er auf den Schutz verzichtet habe – obwohl die Zeiten, als man auf die Impfung warten musste, längst vorbei sind. Er stellt fest:
geben an, die Impfung verschludert zu haben. Andere wollten lieber noch in den Urlaub fahren und sich diesen nicht durch einen fixen Impftermin nehmen lassen.“Dazu gebe es welche, die abwarten wollten, ob sich die Impfung wirklich bewährt oder die Sorge vor einer Thrombose oder anderen Nebenwirkungen hatten. Viele dieser Patienten würden jetzt, im Krankenhaus, aber eingestehen, dass das rückwirkend betrachtet die falsche Entscheidung gewesen sei.
Vereinzelt gibt es aber auch komplett uneinsichtige Menschen – obwohl sie schwer erkrankt sind. „Wir
haben Patienten, die Covid-19 leugnen und deshalb auch eine Behandlung ablehnen“, berichtet Fuchs. Weil es Corona aus ihrer Sicht gar nicht gebe, müssten sie diesbezüglich auch nicht behandelt werden, beschreibt er die Argumentation der Patienten. Manche von ihnen würden dem Personal auch unterstellen, man würde die Behandlung nutzen, um heimlich zu impfen. „Das entspricht selbstverständlich nicht der Wahrheit“, so der Mediziner. In solchen Fällen entstünden dann teils hitzige Diskussionen mit Patienten und Angehörigen. Mittendrin sind die Ärzte oder das Pflegepersonal. „In diesem
Fall müssen sie einerseits ganz rational weiter ihren Aufgaben nachgehen und gleichzeitig damit umgehen, dass sie hier mit wissenschaftlich fundierten Argumenten nicht weiterkommen“, so Fuchs. Angesichts der ohnehin angespannten Lage sei das für die Beschäftigten eine zusätzliche Herausforderung.
Ein Thema, das auch Oberarzt Dr. Georg Braun auf der Intensivstation beschäftigt. Zwar sei er noch nie mit Corona-Leugnern oder Verschwörungstheoretikern konfrontiert gewesen, dafür aber zunehmend mit verzweifelten Angehörigen, die die Behandlung der Ärzte in Zweifel zie„Viele hen. „Wir müssen viel mehr als früher regelrecht um das Vertrauen der Angehörigen werben“, erzählt der Arzt. Die Gründe dafür sieht er unter anderem in den Medien. „Es wird so viel über Corona geschrieben, und zwar auch in weniger seriösen Medien oder durch Laien in sozialen Netzwerken. Leider ist einiges davon wissenschaftlich überhaupt nicht haltbar oder zweifelhaft, aber die Menschen glauben es trotzdem“, so Braun. Immer wieder würden Behandlungsmethoden der Ärzte daher kritisch bewertet oder abgelehnt. Und man stoße als Mediziner auf Unverständnis, wenn man zweifelhaften alternativen Heilmethoden eine Absage erteilt. „Wir sind aber eine Uniklinik, die sich an wissenschaftlich belegbare Fakten und Methoden halten muss“, sagt Braun.
Gleichzeitig bringt er aber auch viel Verständnis für die Angehörigen auf, die sich in dieser Situation nachvollziehbar an jeden Strohhalm klammern würden. „Früher konnten die Angehörigen täglich am Bett des Patienten sitzen und auch selbst sehen, wie sich der Zustand verschlechtert. Sie hatten Zeit, Abschied zu nehmen und loszulassen.“Heute würde man fast ausschließlich telefonisch in Kontakt stehen. „Das ist auch für die Angehörigen hoch emotional belastend“, weiß der Mediziner. Weil Covid-19 zudem eine junge Krankheit ist, seien Krankheitsverläufe nicht immer exakt vorherzusehen. „Wir hatten auch schon Patienten, bei denen wir davon ausgegangen sind, dass sie es nicht mehr schaffen, und plötzlich kam die Wende.“Solche Erfahrungen würden natürlich auch Angehörige anderer Patienten in ihrem Denken beeinflussen.
Als Arzt oder auch Pflegekraft mit dieser Situation umzugehen, sei – vor allem nach der langen Zeit der Pandemie – zunehmend schwerer. „Besonders frustrierend wird es dann, wenn die Angehörigen eines Patienten Ihnen die Schuld an dessen Tod geben“, erzählt Braun. Die Leute müssten aber wissen, dass trotz aller ärztlicher und pflegerischer Maßnahmen Covid-19 tödlich enden könne, auch bei jungen Menschen. Und er sagt: „Sie müssen auch wissen, dass Covid-19 Langzeitschäden verursachen kann, eine Impfung aber die meisten Menschen vor diesem tragischen Verlauf schützt.“