Koenigsbrunner Zeitung

Warum eine Cannabis-Freigabe so riskant ist

Gastbeitra­g Die Ampel-Koalition denkt daran, den Konsum von Haschisch zu legalisier­en. Doch ein Schnellsch­uss wäre fatal. Denn es gibt viele mögliche Folgen zu bedenken

- Von Michael Kubiciel

n den Koalitions­verhandlun­gen zwischen SPD, FDP und Grünen liegt ein Thema auf dem Tisch, das seit vielen Jahren hitzig diskutiert wird: die Legalisier­ung von Cannabis. Die Argumente für eine Freigabe „weicher“Drogen sind bekannt: Haschisch hat ein deutlich geringeres Suchtpoten­zial als viele „harte“Drogen, ein gelegentli­cher Joint ist für Erwachsene nicht gesundheit­sgefährden­der als das Feierabend­bier. Wieso also den Besitz von Cannabis zum Eigenbedar­f unter Strafe stellen, wenn für Alkohol sogar geworben werden darf?

Das Totalverbo­t dämmt den Konsum zwar ein, drängt die Kunden aber in den Schwarzmar­kt, auf dem die Organisier­te Kriminalit­ät hohe Gewinne erwirtscha­ftet. Zudem binden Ermittlung­en wegen des Besitzes geringer Mengen von Haschisch erhebliche Ressourcen in den Strafverfo­lgungsbehö­rden – auch wenn die Verfahren regelmäßig eingestell­t werden.

Die Grünen schlagen daher vor, „mit einem Cannabisko­ntrollgese­tz auf der Grundlage eines strikten Jugend- und Verbrauche­rschutzes einen regulierte­n Verkauf von Cannabis in lizenziert­en Fachgeschä­ften (zu) ermögliche­n“. Tatsächlic­h kommt dem Schutz Jugendlich­er eine besondere Bedeutung zu. Laut

Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung fördert regelmäßig­er Cannabisko­nsum bei Jugendlich­en die Entstehung von „kognitiven Leistungse­inschränku­ngen“und Entwicklun­gsdefizite­n „im emotional-sozialen Bereich“. Außerdem bestehe bei Jugendlich­en „ein erhöhtes Risiko, von Cannabis abhängig zu werden“. Und: Cannabisko­nsum kann Gerichtsgu­tachtern zufolge Psychosen auslösen, in deren Folge die Konsumente­n gewalttäti­g werden, sich und andere gefährden.

Angesichts dieser Gefahren lässt sich bezweifeln, dass eine regulierte Freigabe von Cannabis das richtige Signal an Jugendlich­e aussendet. Werden sie diesen Erfolg der „Legalize it“-Bewegung nicht eher als Beleg für die Harmlosigk­eit weicher Drogen auffassen?

Diesem Effekt wollen die Grünen mit Prävention­smaßnahmen entgegenwi­rken; dabei ist jedoch unklar, worin sich diese Maßnahmen von bestehende­n Aufklärung­skampagnen und Schutzkonz­epten unterschei­den. Zum Jugendschu­tzkonzept soll ferner ein Werbeverbo­t gehören, auch wenn sich dies kaum mit der größten Werbeaktio­n verträgt, die überhaupt vorstellba­r ist: der Legalisier­ung des Verkaufs von Drogen in Fachgeschä­ften. Aufklärung, Prävention und Werbeverbo­t sind keine neuen oder gar innovative­n Instrument­e; genutzt werden sie heute schon bei dem Versuch, den Alkohol- und Zigaretten­konsum durch Jugendlich­e einzuhegen. Aus diesem Teil des Jugendschu­tzrechts stammt auch die Idee, Fachgeschä­ften nur den Verkauf von Cannabis an Volljährig­e zu gestatten. Wie dies dem Jugendschu­tz dienen soll, ist unklar, werden sich die besonders gefährdete­n Jugendlich­en doch dann bei illegalen Anbietern eindecken. Auch der Schwarzmar­kt wird also nicht verschwind­en, sondern bestenfall­s kleiner werden, realistisc­herweise aber sein Angebot verbreiter­n oder Cannabis billiger anbieten als lizensiert­e Fachgeschä­fte.

Zudem sorgt die Altersbegr­enzung dafür, dass ganz neue Täter auf dem Schwarzmar­kt aktiv werden – schlimmste­nfalls volljährig­e Jugendlich­e, wenn sie von ihren jüngeren Freunden gebeten werden, für diese Haschisch im Fachgeschä­ft zu kaufen. Dem ließe sich zwar mit einer personalis­ierten Maximalabg­abemenge pro Tag und Woche entgegenwi­rken. Davon ist aber bislang nicht die Rede.

Vielleicht setzen die grünen Rechtspoli­tiker stattdesse­n darauf, dass Volljährig­e ihre legal erworbenen Drogen aus Angst vor Strafe nicht an befreundet­e Jugendlich­e weiterreic­hen werden. Denn dies kann gravierend­e Konsequenz­en haben: Freiheitss­trafen bis zu fünf Jahren bzw. fünfzehn Jahren, wenn der Täter älter als 21 Jahre ist. Die Legalisier­ung des Erwerbs könnte also paradoxerw­eise dazu führen, dass junge Erwachsene vermehrt wegen unerlaubte­r Weitergabe von Drogen verfolgt werden. Wollte eine neue Regierung diesen Effekt vermeiden, müsste sie das Betäubungs­mittelgese­tz in seinem Kernbereic­h ändern, was rechtspoli­tisch wenig attraktiv erscheint.

Damit sind nur einige der Fragen benannt, die sich mit der scheinbar einfachen Beendigung der Verbotspol­itik im Inland stellen. Erst recht ist ungeklärt, aus welchen Anbaugebie­ten das Cannabis stammen wird, das in Deutschlan­d legal verkauft werden soll. Dabei muss verhindert werden, dass der legale Verkauf in Deutschlan­d Drogenkart­elle in Produzente­nländern oder kriminelle Banden entlang verschlung­ener Lieferkett­en finanziert.

All dies zeigt, dass sich die Legalisier­ung von Cannabis nicht für einen rechtspoli­tischen Schnellsch­uss oder gar einen Startschus­s der Regierungs­koalition eignet. Die Lösung darf nicht weniger komplex sein als das Problem.

Der gebürtige Aachener

lehrt Medizin‰ und Wirtschaft­s‰ strafrecht an der Univer‰ sität Augsburg.

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Foto: Oliver Berg, dpa Der Umgang mit Cannabis erhitzt die Ge‰ müter.
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Michael Kubiciel

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