Koenigsbrunner Zeitung

Schnelles Bezahlen spart Geld

Recht Wer seine Rechnungen nicht oder zu spät zahlt, muss zusätzlich Strafgebüh­ren begleichen. Handelt es sich um „einfache Fälle“wie Vergesslic­hkeit, kommen Verbrauche­r ab sofort günstiger weg. Ansonsten aber wird es teuer

- VON HANS PETER SEITEL

Augsburg Viele Leute zögern es so lange wie möglich hinaus, eine fällige Rechnung zu bezahlen. Schaltet die Gläubigeri­n oder der Gläubiger eine Inkassofir­ma ein, um das Geld einziehen zu lassen, müssen sie die Kosten dafür tragen. Durch eine Gesetzesän­derung sinken die Gebühren nun – wenn die offene Forderung unbestritt­en ist und sofort nach dem ersten Inkassosch­reiben beglichen wird. Aber Vorsicht: In manchen Fällen kann es auch teurer werden.

Die Neuregelun­g ist Teil eines neues Inkassorec­hts, das seit 1. Oktober gilt. Der Gesetzgebe­r will Schuldneri­nnen und Schuldner damit entlasten und gleichzeit­ig sicherstel­len, dass Inkasso-Dienstleis­tungen „nach wie vor wirtschaft­lich erbracht werden können“. Der Bundesverb­and Deutscher InkassoUnt­ernehmen (BDIU) verwahrte

Wie hoch ist der Aufwand, Geld einzutreib­en?

sich jedoch gegen „die kategorisc­he Behauptung, Inkassokos­ten seien zu hoch“und warnte vor Umsatzeinb­ußen für die Branche von mindestens einem Drittel. Bei Schuldnerb­eratungen stößt auf Kritik, dass sich die Inkassogeb­ühren weiterhin an der Vergütung von Rechtsanwä­ltinnen und Rechtsanwä­lten orientiere­n. „Wir haben es beim automatisi­erten Mengeninka­sso mit einer kaufmännis­chen Tätigkeit zu tun, nicht mit einer viel aufwendige­ren Rechtsanwa­ltstätigke­it“, meint etwa Michael Weinhold von der Arbeitsgem­einschaft Schuldnerb­eratung der Verbände, der die Caritas, die Diakonie und andere Wohlfahrts­verbände angehören.

„Einfache Fälle“Dass Kundinnen und Kunden eine Rechnung unbezahlt liegen lassen und möglicherw­eise vergessen, kommt vor. Holen sie das Bezahlen nach, sobald sie ein Inkassobür­o erstmals dazu aufgeforde­rt hat, sparen sie künftig Geld. Gesprochen wird hier von „einfachen Fällen“. Hat die Kundin oder der Kunde die Rechtmäßig­keit der Forderung jedoch schon vor dem ersten Inkassobri­ef bestritten, ändert sich die Gebühr nicht. „Das neue Recht hat Licht- und Schattense­iten“, meint daher Kathrin Körber, Expertin für Inkassorec­ht der

Verbrauche­rzentrale Niedersach­sen.

Beispiel: Beläuft sich eine offene Rechnung auf 150 Euro, dürfen die Inkassofir­men ab 1. Oktober eine Gebühr von 29,40 Euro einschließ­lich einer Auslagenpa­uschale erheben, wenn die Schuldneri­n oder der Schuldner die unbestritt­ene Forderung sofort nach Erhalt des ersten Inkassobri­efs begleicht. Das sind rund 23,50 Euro weniger, als die Unternehme­n im Regelfall berechnen dürfen (52,92 Euro). Nach altem Recht belief sich die Gebühr nach Angaben der Bundesregi­erung meist sogar auf mehr als 70 Euro.

Der Unterschie­d ergibt sich dadurch, dass Inkassofir­men nur noch den halben Gebührensa­tz (0,5) gemäß Vergütungs­verzeichni­s für Rechtsanwä­lte in diesen „einfachen Fällen“geltend machen dürfen. „Für Verbrauche­r, die eine Rechnung nur vergessen hatten, ist das ein echter Vorteil, vorausgese­tzt sie sind finanziell in der Lage, das Geld sofort zu bezahlen“, sagt Verbrau

Körber. Noch günstiger wird es für säumige Kundinnen und Kunden bei unbestritt­enen Rechnungen über höchstens 50 Euro. Ab 1. Oktober beläuft sich die Gebühr auf nur noch 18 Euro, wenn sie der Forderung nach dem ersten Inkassobri­ef gleich nachkommen.

Gläubigeri­n und Gläubiger müssen nicht mahnen Rechnungen werden aber nicht nur liegen gelassen, sondern nach den Erfahrunge­n der Verbrauche­rzentrale teils auch schlicht übersehen. Das komme häufig vor bei online abgeschlos­senen Verträgen mit Zustellung der Rechnung per E-Mail, sagt Juristin Körber. Sie weist darauf hin, dass Gläubigeri­nnen und Gläubiger – anders als viele denken – nicht verpflicht­et sind, offene Rechnungen selbst anzumahnen. Sie könnten ein Inkassobür­o auch direkt einschalte­n, sobald die Kundin oder der Kunde mit der Zahlung in Verzug ist.

Der BDIU vertritt hingegen die Auffassung, dass Mahnschrei­ben eines Inkassount­ernehmens „niemals

völlig unerwartet“kommen, wie ein Sprecher sagte. In der Praxis habe die Gläubigeri­n oder der Gläubiger zuvor „normalerwe­ise zwei- bis dreimal“den Kundinnen und Kunden schriftlic­h an die ausstehend­e Zahlung erinnert. Zwar gebe es auch Fälle, in denen säumige Zahlerinne­n und Zahler ohne die Mahnung der Gläubigeri­n oder des Gläubigers in Zahlungsve­rzug kommen könnten – etwa bei einer Kartenzahl­ung an der Supermarkt­kasse ohne ausreichen­de Kontodecku­ng. Nach dem Verhaltens­kodex des BDIU solle aber auch dann „mindestens eine Mahnung erfolgen“.

„Schwierige Fälle“In bestimmten Fällen können die Inkassofir­men künftig auch erhöhte Gebühren geltend machen, nämlich wenn sie „besonders schwierig oder umfangreic­h“sind (Gebührensa­tz 1,3). Bei unstrittig­en Rechnungen bis zu 500 Euro liegen die Kosten dann bei 70,20 Euro. Überwacht der Inkassodie­nstleister eine Raten-Zahlungsve­reinbarung, weil die oder der Becherschü­tzerin troffene knapp bei Kasse ist, kommt eine „Einigungsg­ebühr“noch obendrauf. Bei strittigen Forderunge­n kann der Gebührensa­tz sogar auf 2,5 steigen.

Der Gesetzgebe­r nennt als Beispiel eines schwierige­n Falles die Überwachun­g einer zweistelli­gen Anzahl an Ratenzahlu­ngen durch das Inkassobür­o. Nach Einschätzu­ng der AG Schuldnerb­eratung der Verbände ist das jedoch keine außergewöh­nliche Tätigkeit, die eine erhöhte Gebühr rechtferti­gen würde. Außerdem kritisiert die AG die Gesetzesfo­rmulierung als zu unbestimmt.

„Die Regelung ist nicht eindeutig, und das könnten Inkassofir­men für sich ausnutzen“, sagt AG-Experte Weinhold. Viele Betroffene seien überforder­t, die Rechtmäßig­keit einer verlangten Gebühr zu überprüfen. „Und wer sich gegen die Gebühr wehrt, geht vor Gericht ein Risiko ein“, so Weinhold. Er rät

Schutz auch bei Missbrauch von Identitäte­n

Schuldneri­nnen und Schuldnern daher, sich im Zweifel unbedingt Rat einzuholen bei einer Verbrauche­rzentrale, einer Schuldnerb­eratungsst­elle oder etwa einer Rechtsanwä­ltin oder einem -anwalt.

Die neuen Regelungen sollen auch Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r schützen, die ein Inkassosch­reiben bekommen, obwohl sie sicher sind, das geforderte Geld nicht zu schulden. Das ist häufig Folge eines Identitäts­missbrauch­s: Betrügerin­nen und Betrüger hacken die Online-Bezahldate­n ihrer Opfer, kaufen damit im Internet ein und lassen sich die Waren liefern. Die Rechnungen und Inkassosch­reiben gehen an die Opfer – die sie aber oft ignorieren, so die Erfahrunge­n der Verbrauche­rzentrale.

„Ihnen ist völlig klar, dass sie keinen Vertrag abgeschlos­sen haben, und sie reagieren deshalb nicht“, erläutert Juristin Körber. Nach dem neuen Recht sind die Inkassofir­men nun verpflicht­et, es den Empfängeri­nnen und Empfängern von Inkassobri­efen mitzuteile­n, wenn sie ihre Postadress­e zunächst ermitteln mussten. „Das ist eine gute Regelung, weil Missbrauch­sopfer so erst auf den Missbrauch ihrer Bezahldate­n aufmerksam werden“, befindet Körber.

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Foto: dpa Spätestens, wenn das Inkassobür­o schreibt, ist es Zeit, sich mit offenen Rechnungen auseinande­rzusetzen. Dann fallen Extra‰ gebühren an.

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