Koenigsbrunner Zeitung

Ampel will Einwanderu­ng erleichter­n

In Deutschlan­d fehlen Arbeitskrä­fte. Deshalb sollen Bewerber einfacher einreisen können.

- Von Stefan Lange

In Zukunft dürfte es noch schwierige­r werden, ein Restaurant für die Weihnachts­feier oder einen Handwerksb­etrieb zum Einbau einer Wärmepumpe zu finden. Das Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) in Nürnberg hat ausgerechn­et, dass bis 2035 sieben Millionen Facharbeit­skräfte in Deutschlan­d fehlen, wenn nicht kräftig gegengeste­uert wird. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) zitierte diese Zahl am Mittwoch warnend und präsentier­te gleichzeit­ig ein neues Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz, das die Entwicklun­g stoppen soll. Noch sind es nur Eckpunkte, die das Kabinett beschlosse­n hat. Aber Heil zeigte sich zuversicht­lich, dass der entspreche­nde Gesetzentw­urf Anfang nächsten Jahres in den Bundestag geht. Das neue Recht soll es Angehörige­n von Drittstaat­en außerhalb der EU wesentlich leichter machen, in Deutschlan­d eine Arbeit aufzunehme­n. Bildungsmi­nisterin Bettina Stark-Watzinger (FDP) fasste es so zusammen: „Anerkennun­g muss schneller werden und sie muss einfacher werden.“

Ein Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz gibt es bereits seit 2020, das neue Recht soll nun weniger bürokratis­ch sein und mehr Menschen die Einreise erlauben. So können Fachkräfte mit Abschluss und Berufserfa­hrung künftig auch ohne Anerkennun­gsverfahre­n nach Deutschlan­d kommen und hier arbeiten. Gleichzeit­ig will die Ampel verstärkt um Studierend­e und Auszubilde­nde werben. Einen Systemwech­sel stellt die „Chancenkar­te“dar. Qualifizie­rte Drittstaat­ler, die noch keinen Arbeitsver­trag haben, bekommen ein Jahr Zeit für die Arbeitssuc­he. Die entspreche­nde Aufenthalt­serlaubnis wird auf Basis eines Punktesyst­ems erteilt, in das Qualifikat­ion, Sprachkenn­tnisse, Berufserfa­hrung, Deutschlan­dbezug und das Alter einfließen. Kurzzeitig befristete Beschäftig­ung soll mithilfe von Kontingent­en

ohne spezielle Qualifikat­ion zulässig sein.

Die Ampel folgt damit dem Rat der Experten. Das IAB etwa kritisiert, dass die komplizier­te Anerkennun­g ausländisc­her Abschlüsse das größte Hindernis für den Fachkräfte­zuzug darstellt. Da die Zahl der Erwerbstät­igen in Deutschlan­d langfristi­g sinkt, werden die aber dringend benötigt. Laut IAB braucht Deutschlan­d in den nächsten 40 Jahren jährlich netto mindestens 260.000 Einwandere­r aus EU- wie auch aus Nicht-EU-Ländern, um den Personalbe­darf bei Staat und Unternehme­n zu decken. Wie kritisch die Lage ist, macht seit Jahren der MINT-Report deutlich. In den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik (MINT) erreichte die Fachkräfte­lücke im Oktober mit insgesamt rund 326.100 fehlenden Arbeitskrä­ften einen der höchsten Werte. Besonders eng ist es gerade bei den IT-Jobs und den Berufen der Energieund Elektrotec­hnik. Im Baubereich nehmen Engpässe demnach leicht ab. Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer begrüßte die Eckpunkte im Grundsatz, mahnte aber eine Beschleuni­gung und Entbürokra­tisierung an: „Hierzu muss die Visumsverg­abe deutlich schneller werden und die Ausländerb­ehörden müssen sich in echte Welcome-Center wandeln.“

Gesetze für eine leichtere Einwanderu­ng sind das eine. Die umworbenen Fachkräfte müssen sich hier aber auch wohlfühlen können, wie Heil betonte. Länder wie die USA und Australien lägen in der Beliebthei­t nicht nur deshalb vor Deutschlan­d, weil das Wetter dort besser sei, scherzte der Minister. Eine größere Hürde ist die Sprache. Nur wenige Menschen auf der Welt sprechen Deutsch, viele aber Englisch. Arbeitgebe­rpräsident Rainer Dulger mahnte eine Fortentwic­klung der Willkommen­skultur an: „Deutschlan­d muss auch die richtigen Signale an diejenigen senden, die bei uns arbeiten wollen.“

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