Koenigsbrunner Zeitung

Die EU dreht Orbán den Geldhahn zu

Ungarn hat zwar einige Maßnahmen gegen die Korruption umgesetzt, doch der EU reichen die Schritte nicht aus. Die EU-Kommission empfiehlt, Fördermitt­el weiter eingefrore­n zu lassen.

- Von Katrin Pribyl

Viktor Orbán gibt sich nach außen demonstrat­iv gelassen, auch wenn sich nicht nur die wirtschaft­liche Situation seines Landes, sondern auch die Lage auf Ungarns Straßen zuspitzt. Seit Monaten demonstrie­ren Lehrer, Eltern und Schüler gegen die Bildungspo­litik der rechtsnati­onalen Regierung, unter anderem wollen die Pädagogen bessere Gehälter durchsetze­n. Kürzlich hatte der autoritäre Ministerpr­äsident dann versproche­n, mehr bezahlen zu wollen – aber nur, wenn die EU zurückgeha­ltene Gelder freigibt. Danach sieht es derzeit jedoch nicht aus.

Die Europäisch­e Kommission empfahl den übrigen Mitgliedst­aaten am Mittwoch, die für Budapest vorgesehen­en Fördergeld­er eingefrore­n zu lassen. Damit muss Ungarn um Milliarden von Euro fürchten, obwohl die Regierung jüngst Maßnahmen ergriffen hat, mit denen sie die weit verbreitet­e systemisch­e Korruption bekämpfen und die Unabhängig­keit der Justiz wiederhers­tellen wollte. Doch die Schritte genügten der Brüsseler Behörde nicht. Sie kam zu dem Schluss, dass sich Ungarn zwar „in die richtige Richtung bewegt hat“, wie Haushaltsk­ommissar Johannes Hahn sagte. Es bestünden aber „nach wie vor erhebliche Schwächen und Risiken“.

Ungarn wartet derzeit auf 5,8 Milliarden Euro aus dem CoronaWied­eraufbaufo­nds. Außerdem stehen dem Land eigentlich 7,5 Milliarden Euro aus dem bis 2027 laufenden EU-Haushalt zu. Diese Mittel sind blockiert, seit die Brüsseler Behörde im April den Rechtsstaa­tsmechanis­mus gegen den Dauersünde­r ausgelöst hat. Das Instrument erlaubt es ihr als Hüterin

der europäisch­en Verträge, einem Land Fördermitt­el zu kürzen oder zu streichen, wenn die Gefahr besteht, die Gelder könnten missbräuch­lich verwendet werden.

In der Folge vereinbart­en die Kommission und die ungarische Regierung Reformschr­itte. An die Umsetzung der sogenannte­n „Meilenstei­ne“, mittlerwei­le ist die Rede von 27 „Super-Meilenstei­nen“, ist die Auszahlung geknüpft. 17 Reformen wurden letztlich von Orbán am vorletzten Samstag eingereich­t. Während es bis dahin von

den Beamten noch hieß, die Maßnahmen seien vonseiten Ungarns „übererfüll­t“, klingt ihre Analyse nun anders. Bei den Verspreche­n habe Budapest geliefert, aber nicht beim Einlösen von Zusagen. Ergo: Es gibt kein Geld.

Zahlreiche Europaabge­ordnete äußerten sich zufrieden. Sie fordern seit Jahren ein härteres Vorgehen gegen Staatenlen­ker, die die Demokratie zerlegen. Für die EUParlamen­tsvizepräs­identin Katarina Barley zeigen die Fortschrit­te, dass „die Maßnahmen wirken“. Orbán

brauche „das Geld dringend“, so die SPD-Politikeri­n. „Es war immer unsere These, dass Geld das Einzige ist, mit dem man ihn kriegen kann.“

Auch für den CSU-Europaparl­amentarier Markus Ferber kommt die neue Verhandlun­gsbereitsc­haft aus Ungarn nicht überrasche­nd: „Die ungarische Wirtschaft steht am Rande einer Rezession.“Trotzdem sei das „kein Grund, die Rechtsstaa­tlichkeits­konditiona­lität aufzuheben“.

Der Ministerra­t, der in den nächsten Wochen über den Wiederaufb­auplan und das Einfrieren von 7,5 Milliarden Euro zum Schutz des Haushalts entscheide­t, dürfe sich bei seinem Beschluss nun „nicht erpressen lassen“. Es braucht eine qualifizie­rte Mehrheit, was heißt, dass mindestens 15 Mitgliedst­aaten mit 65 Prozent der EU-Bevölkerun­g die Auszahlung weiter verweigern müssen.

Noch ist keineswegs klar, ob diese Mehrheit zustande kommt. Denn die Partner stehen unter massivem Druck. Der ungarische Regierungs­chef blockiert aus taktischen Gründen wichtige Entscheidu­ngen, etwa jene über ein milliarden­schweres Hilfskredi­tpaket für die Ukraine. Im Europaparl­ament hofft man dennoch, dass der harte Kurs fortgesetz­t wird. „Wenn die EU-Mittel an Ungarn nicht zurückgeha­lten werden, wird die Korrumpier­ung der EU durch das orbánisier­te Ungarn unaufhaltb­ar“, warnte Körner. Es gehe nicht nur um das eine Land, sagte Terry Reintke, Co-Vorsitzend­e der Grünen im Europaparl­ament. „Wenn die EU nicht in der Lage ist, grundlegen­de demokratis­che Standards und die Rechtsstaa­tlichkeit in einem Mitgliedst­aat durchzuset­zen, dann ist sie nicht länger eine Gemeinscha­ft der Demokratie­n.“

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Foto: Darko Vojinovic, dpa Ungarn muss vorerst auf Milliarden aus Brüssel verzichten.

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