Brennpaste beim Blackout
Die Internetseite der Bundesnetzagentur verfolgt einen aufklärerischen Ansatz. Versuchten früher Philosophen wie Immanuel Kant in kompliziert zu lesenden Aufsätzen abzuklären, was Aufklärung sei, vollziehen heute locker-flockig textende Verbraucher-Versteher den Job, Menschen den Ausgang aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit zu weisen. An die Stelle philosophischer Traktate sind sogenannte Frage-Antwort-Spiele als eine Art informatives Selbstgespräch getreten. Wer etwa wissen will, ob ein Blackout, also ein umfassender Ausfall des Stromnetzes droht, dessen Ängste werden von den Bundesnetzagentur-Aufklärern offensiv heruntergedimmt. Ein großflächiger Blackout wirke äußerst unwahrscheinlich, weil die elektrische Energieversorgung mehrfach redundant ausgelegt sei.
Was auch immer das bedeuten mag, eines steht fest: Der Ausbruch einer Pandemie galt auch als unwahrscheinlich. Gleiches gilt für einen Krieg in Europa wie in der Ukraine und einen Anstieg der Inflation über zehn Prozent. Alles undenkbar und doch denkbar real.
Wer je einen Blackout von drei Stunden in der Mittags-Homeoffice-Pause erlebt hat, weiß: Die Küche bleibt kalt. Es gibt Wurstbrot statt Nudeln mit Pesto. Was das Schlimmste ist: Die Espresso-Maschine steht still. Doch ohne Kaffee keine Aufklärung, kein wahres Denken. Nun heißt es mit Kant: „Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!“Und man muss kein Prepper sein, um sich adäquat auf Katastrophen vorzubereiten. Wie sich die Anschaffung eines Schlauchbootes für eventuelle Überschwemmungen aufdrängt, sagt einem doch der Verstand, sich eine alternative Erhitzungsmöglichkeit für Speisen und eine Espresso-Kanne anzuschaffen. In einen guten Hypochonder-Haushalt gehört ein Camping-Kocher mit ausreichend GasKartuschen und natürlich reichlich Holzkohle für den Grill, mit den sich auch ein Topf samt Nudelwasser erwärmen lässt. Der letzte Schrei ist zugleich eine preisbewusste Lösung. Denn zwölf Sicherheits-Brennpasten gibt es schon für 14,94 Euro. Also nicht das Fondue-Set in den Keller räumen. Damit lassen sich Suppen warm machen. Und gut beraten war, wer nicht die AdventskranzKerzen weggeschmissen hat, sondern sie als Blackout-Licht-Quelle einer Zweitverwertung zuführt. Dann nur die Brennpaste anzünden, den Linseneintopf aufwärmen und im Kerzenschein Kants Kritik der reinen Vernunft lesen.