Die Qual der Matratzenwahl
Etwa ein Drittel seines Lebens verbringt der Mensch mit Schlafen. Deshalb ist vor dem Kauf der Matratze ein ausgiebiges Probeliegen ratsam. Wichtig ist: die Wirbelsäule.
Ganze 24 Jahre seines Lebens verbringt der Durchschnittsbürger angeblich im Bett. Das klingt nach viel vergeudeter Zeit. Geradezu unerträglich wird das Ganze bei der Vorstellung, all diese Jahre auf schlechten Matratzen zu verbringen. Denn dann kommen zu allem Missmut noch Verspannungen. Aber wie findet man eine gute Unterlage, die unserem ständigen Drehen, Strampeln und Schwitzen standhält? Das ist angesichts des immensen Angebots an Matratzentypen eine Herausforderung. Wer weiß denn schon, ob eine Tonnentaschenfederkern-, Visco-, Gelschaumoder Latexmatratze besser ist? Oder etwa ein Boxspringoder Wasserbett?
„Eine Standardlösung gibt es nicht“, sagt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, Prof. Bernd Kladny. Seine wichtigste Botschaft lautet daher: „Man muss ausprobieren, ob man auf einer Matratze gut liegt. Der Mensch merkt, was ihm guttut.“Um welchen Matratzentyp es sich handelt, ist zweitrangig. Zwar gibt es ein paar Empfehlungen, die bei der Orientierung helfen, doch sind sie nicht zwingend. Ein Wasserbett ist für Menschen, die nachts stark schwitzen, tendenziell ungeeignet, da die Flüssigkeit nicht nach unten entweichen kann, wie Kladny erklärt. Passender wären für sie Federkernmatratzen, da sie gut belüftet werden. Für Menschen, die leicht frieren, eignen sich eher Kaltschaummatratzen. „Aber Bezug und Bettdecke spielen hier eine wichtigere Rolle“, sagt Claudia Wieland, Sprecherin des Fachverbands Matratzen-Industrie. Anders gesagt: Wer friert, nimmt sich eben eine dickere Decke.
Auch sie hält Probeliegen für unerlässlich – und zwar am besten im Fachgeschäft mit entsprechender Beratung. Ein Online-Kauf ist zwar praktisch und einfach, doch weiß man nicht, wie gut man mit der georderten Unterlage zurechtkommt. „Viele Händler bieten zwar an, dass man die Matratze mehrere Wochen lang testen und dann zurückschicken kann“, erklärt sie. „So lässt sich aber nur feststellen, dass die Matratze ganz okay ist.“Sie empfiehlt, sich viel Zeit fürs Ausprobieren zu nehmen. „Man sollte dabei gut ausgeruht sein. Wenn man sich abends – völlig erledigt vom langen Tag – noch ins Geschäft schleppt, findet man jede Matratze prima.“
Aber wie wichtig ist die Entscheidung für die Wirbelsäule? Macht man sich mit einer schlechten Matratze am Ende den Rücken kaputt? Eindeutige wissenschaftliche Aussagen dazu gibt es nicht. „Auffällig ist, dass in den Leitlinien zu Kreuzschmerzen nichts über Matratzen steht“, sagt Kladny. Dennoch ist für den Orthopäden klar: „Die Bandscheiben stehen tagsüber unter Druck und sollen sich nachts erholen. Es ist wichtig, dass sie sich im Schlaf gut ausdehnen können, um Flüssigkeit und Nährstoffe aufzunehmen.“Das heißt, dass die Wirbelsäule annähernd so gebettet sein muss, wie es ihrer natürlichen Form entspricht. Die Unterlage sollte also gut stützen, aber in der Schulter- und Beckenregion nachgeben, sodass die Doppel-S-Form der Wirbelsäule erhalten bleibt.
Abgesehen davon spielt noch ein anderer Punkt eine wichtige Rolle: Auf einer passenden Matratze schläft es sich besser – und das macht wiederum weniger anfällig für Rückenschmerzen. Es ist nämlich ziemlich klar, dass es dem Schlaf zugutekommt, wenn man gut liegt. Vor Jahren bestätigte eine Pilotstudie der Berliner Großklinik Charité, dass das nicht bloß Einbildung ist. Dazu mussten 30 Probanden zwei Nächte im Schlaflabor verbringen. Eine davon schliefen sie auf einem Standardmodell, die andere auf einer neuartigen, speziell entwickelten Testmatratze, die sich stark dem Körper anpasst. Worauf sie jeweils lagen, wussten sie nicht. Dabei zeigte sich, dass die Testschläfer auf der Spezialmatratze mehr Tief- und Traumschlaf, dafür weniger Leichtschlaf hatten.
Um zu beurteilen, wie gut die Matratze nachgibt, braucht man normalerweise die Hilfe einer Beraterin. Es gilt zu prüfen: Ist die Wirbelsäule in Seitenlage waagrecht? Wird das Becken in Rückenlage ausreichend gestützt? Wie liegt der Kopf? Bei der Wahl eines geeigneten Modells kommt es auf Größe, Gewicht, Körperbau, Wärmebedürfnis und Schlafgewohnheiten der Kunden an. Nicht unterschätzen sollte man die Bedeutung des Kissens: „Es sollte zur Matratze passen. Sonst kann man Nackenverspannungen bekommen“, sagt Wieland. Daher ist es sinnvoll, sich auch zu diesem Punkt beraten zu lassen – oder das Lieblingskissen gleich mitzunehmen.
Und was ist mit dem Lattenrost? Wenn er in einem guten Zustand ist, gibt es keinen Grund, ihn mit auszutauschen. Wichtig ist aber, dass Rost und Matratze zusammenpassen. „Auf eine tolle, hochflexible Unterfederung eine starre Matratze zu legen, ist Quatsch“, sagt Wieland. Umgekehrt sollte man auf einen einfachen Lattenrost zum Beispiel keine Kaltschaummatratze legen, da die auf Dauer beschädigt werden könnte. „Eine gute Idee ist es deshalb, ein Foto vom Lattenrost zu machen und es dem Händler zu zeigen“, meint die Expertin.
Doch auch wenn man noch so viel Mühe und Zeit investiert: Es kann vorkommen, dass sich die neue Matratze daheim nicht bewährt. In dem Fall sollte man aber nicht vorschnell reagieren. „Wer zehn Jahre auf einer ausgeschlabberten Matratze gelegen hat, muss sich erst an die neue gewöhnen“, erklärt Wieland. „Das kann schon bis zu vier Wochen dauern.“Fühlt man sich danach immer noch nicht wohl auf der Matratze, sollte man sie zurückgeben. Bei einem Kauf übers Internet gilt ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Wer seine Matratze dagegen im Geschäft gekauft hat, hat laut Verbraucherzentrale grundsätzlich kein Rückgaberecht – es sei denn, es wurde vorab mit dem Fachhändler ausdrücklich vereinbart. Es lohnt sich also, sich vor dem Kauf genau über Umtauschund Rückgabemöglichkeiten zu informieren. Allzu leichtfertig sollte man Retouren allerdings nicht einkalkulieren: Durch das Zurückschicken entsteht viel Müll, da die benutzten Matratzen zumindest teilweise entsorgt werden. Hinzu kommen oft noch Verpackungsmaterial und zusätzliche Transportwege.
In der Regel wird empfohlen, sich spätestens nach zehn Jahren eine neue Matratze zu gönnen. Das hat vor allem hygienische Gründe, da Matratzen jede Menge Schweiß, Hautschuppen und Partikel aller Art aufnehmen – ein idealer Nährboden für Hausstaubmilben und Pilzsporen. Abgesehen davon kann eine Unterlage nach einigen Jahren aber auch an Komfort einbüßen. Gerade in Kaltschaummatratzen können sich Kuhlen bilden. „Man muss eine Matratze nach dieser Zeit nicht unbedingt rausschmeißen“, sagt Kladny. „Aber es ist sinnvoll, zu prüfen, wie es sich mit Materialeigenschaften und Hygiene verhält.“Damit die Matratze möglichst lange durchhält, sollte man sie alle zwei, drei Monate wenden und den Bezug mindestens einmal pro Jahr waschen.