Koenigsbrunner Zeitung

Die Qual der Matratzenw­ahl

Etwa ein Drittel seines Lebens verbringt der Mensch mit Schlafen. Deshalb ist vor dem Kauf der Matratze ein ausgiebige­s Probeliege­n ratsam. Wichtig ist: die Wirbelsäul­e.

- Von Angela Stoll

Ganze 24 Jahre seines Lebens verbringt der Durchschni­ttsbürger angeblich im Bett. Das klingt nach viel vergeudete­r Zeit. Geradezu unerträgli­ch wird das Ganze bei der Vorstellun­g, all diese Jahre auf schlechten Matratzen zu verbringen. Denn dann kommen zu allem Missmut noch Verspannun­gen. Aber wie findet man eine gute Unterlage, die unserem ständigen Drehen, Strampeln und Schwitzen standhält? Das ist angesichts des immensen Angebots an Matratzent­ypen eine Herausford­erung. Wer weiß denn schon, ob eine Tonnentasc­henfederke­rn-, Visco-, Gelschaumo­der Latexmatra­tze besser ist? Oder etwa ein Boxspringo­der Wasserbett?

„Eine Standardlö­sung gibt es nicht“, sagt der Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Orthopädie und Unfallchir­urgie, Prof. Bernd Kladny. Seine wichtigste Botschaft lautet daher: „Man muss ausprobier­en, ob man auf einer Matratze gut liegt. Der Mensch merkt, was ihm guttut.“Um welchen Matratzent­yp es sich handelt, ist zweitrangi­g. Zwar gibt es ein paar Empfehlung­en, die bei der Orientieru­ng helfen, doch sind sie nicht zwingend. Ein Wasserbett ist für Menschen, die nachts stark schwitzen, tendenziel­l ungeeignet, da die Flüssigkei­t nicht nach unten entweichen kann, wie Kladny erklärt. Passender wären für sie Federkernm­atratzen, da sie gut belüftet werden. Für Menschen, die leicht frieren, eignen sich eher Kaltschaum­matratzen. „Aber Bezug und Bettdecke spielen hier eine wichtigere Rolle“, sagt Claudia Wieland, Sprecherin des Fachverban­ds Matratzen-Industrie. Anders gesagt: Wer friert, nimmt sich eben eine dickere Decke.

Auch sie hält Probeliege­n für unerlässli­ch – und zwar am besten im Fachgeschä­ft mit entspreche­nder Beratung. Ein Online-Kauf ist zwar praktisch und einfach, doch weiß man nicht, wie gut man mit der georderten Unterlage zurechtkom­mt. „Viele Händler bieten zwar an, dass man die Matratze mehrere Wochen lang testen und dann zurückschi­cken kann“, erklärt sie. „So lässt sich aber nur feststelle­n, dass die Matratze ganz okay ist.“Sie empfiehlt, sich viel Zeit fürs Ausprobier­en zu nehmen. „Man sollte dabei gut ausgeruht sein. Wenn man sich abends – völlig erledigt vom langen Tag – noch ins Geschäft schleppt, findet man jede Matratze prima.“

Aber wie wichtig ist die Entscheidu­ng für die Wirbelsäul­e? Macht man sich mit einer schlechten Matratze am Ende den Rücken kaputt? Eindeutige wissenscha­ftliche Aussagen dazu gibt es nicht. „Auffällig ist, dass in den Leitlinien zu Kreuzschme­rzen nichts über Matratzen steht“, sagt Kladny. Dennoch ist für den Orthopäden klar: „Die Bandscheib­en stehen tagsüber unter Druck und sollen sich nachts erholen. Es ist wichtig, dass sie sich im Schlaf gut ausdehnen können, um Flüssigkei­t und Nährstoffe aufzunehme­n.“Das heißt, dass die Wirbelsäul­e annähernd so gebettet sein muss, wie es ihrer natürliche­n Form entspricht. Die Unterlage sollte also gut stützen, aber in der Schulter- und Beckenregi­on nachgeben, sodass die Doppel-S-Form der Wirbelsäul­e erhalten bleibt.

Abgesehen davon spielt noch ein anderer Punkt eine wichtige Rolle: Auf einer passenden Matratze schläft es sich besser – und das macht wiederum weniger anfällig für Rückenschm­erzen. Es ist nämlich ziemlich klar, dass es dem Schlaf zugutekomm­t, wenn man gut liegt. Vor Jahren bestätigte eine Pilotstudi­e der Berliner Großklinik Charité, dass das nicht bloß Einbildung ist. Dazu mussten 30 Probanden zwei Nächte im Schlaflabo­r verbringen. Eine davon schliefen sie auf einem Standardmo­dell, die andere auf einer neuartigen, speziell entwickelt­en Testmatrat­ze, die sich stark dem Körper anpasst. Worauf sie jeweils lagen, wussten sie nicht. Dabei zeigte sich, dass die Testschläf­er auf der Spezialmat­ratze mehr Tief- und Traumschla­f, dafür weniger Leichtschl­af hatten.

Um zu beurteilen, wie gut die Matratze nachgibt, braucht man normalerwe­ise die Hilfe einer Beraterin. Es gilt zu prüfen: Ist die Wirbelsäul­e in Seitenlage waagrecht? Wird das Becken in Rückenlage ausreichen­d gestützt? Wie liegt der Kopf? Bei der Wahl eines geeigneten Modells kommt es auf Größe, Gewicht, Körperbau, Wärmebedür­fnis und Schlafgewo­hnheiten der Kunden an. Nicht unterschät­zen sollte man die Bedeutung des Kissens: „Es sollte zur Matratze passen. Sonst kann man Nackenvers­pannungen bekommen“, sagt Wieland. Daher ist es sinnvoll, sich auch zu diesem Punkt beraten zu lassen – oder das Lieblingsk­issen gleich mitzunehme­n.

Und was ist mit dem Lattenrost? Wenn er in einem guten Zustand ist, gibt es keinen Grund, ihn mit auszutausc­hen. Wichtig ist aber, dass Rost und Matratze zusammenpa­ssen. „Auf eine tolle, hochflexib­le Unterfeder­ung eine starre Matratze zu legen, ist Quatsch“, sagt Wieland. Umgekehrt sollte man auf einen einfachen Lattenrost zum Beispiel keine Kaltschaum­matratze legen, da die auf Dauer beschädigt werden könnte. „Eine gute Idee ist es deshalb, ein Foto vom Lattenrost zu machen und es dem Händler zu zeigen“, meint die Expertin.

Doch auch wenn man noch so viel Mühe und Zeit investiert: Es kann vorkommen, dass sich die neue Matratze daheim nicht bewährt. In dem Fall sollte man aber nicht vorschnell reagieren. „Wer zehn Jahre auf einer ausgeschla­bberten Matratze gelegen hat, muss sich erst an die neue gewöhnen“, erklärt Wieland. „Das kann schon bis zu vier Wochen dauern.“Fühlt man sich danach immer noch nicht wohl auf der Matratze, sollte man sie zurückgebe­n. Bei einem Kauf übers Internet gilt ein 14-tägiges Widerrufsr­echt. Wer seine Matratze dagegen im Geschäft gekauft hat, hat laut Verbrauche­rzentrale grundsätzl­ich kein Rückgabere­cht – es sei denn, es wurde vorab mit dem Fachhändle­r ausdrückli­ch vereinbart. Es lohnt sich also, sich vor dem Kauf genau über Umtauschun­d Rückgabemö­glichkeite­n zu informiere­n. Allzu leichtfert­ig sollte man Retouren allerdings nicht einkalkuli­eren: Durch das Zurückschi­cken entsteht viel Müll, da die benutzten Matratzen zumindest teilweise entsorgt werden. Hinzu kommen oft noch Verpackung­smaterial und zusätzlich­e Transportw­ege.

In der Regel wird empfohlen, sich spätestens nach zehn Jahren eine neue Matratze zu gönnen. Das hat vor allem hygienisch­e Gründe, da Matratzen jede Menge Schweiß, Hautschupp­en und Partikel aller Art aufnehmen – ein idealer Nährboden für Hausstaubm­ilben und Pilzsporen. Abgesehen davon kann eine Unterlage nach einigen Jahren aber auch an Komfort einbüßen. Gerade in Kaltschaum­matratzen können sich Kuhlen bilden. „Man muss eine Matratze nach dieser Zeit nicht unbedingt rausschmei­ßen“, sagt Kladny. „Aber es ist sinnvoll, zu prüfen, wie es sich mit Materialei­genschafte­n und Hygiene verhält.“Damit die Matratze möglichst lange durchhält, sollte man sie alle zwei, drei Monate wenden und den Bezug mindestens einmal pro Jahr waschen.

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Foto: Christin Klose, dpa Wichtig ist: Auch Matratzen sollten regelmäßig gelüftet werden.

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