Koenigsbrunner Zeitung

Der Weg zur dritten staatliche­n Realschule

Viele Schülerinn­en und Schüler aus Augsburg müssen ins Umland pendeln. Künftig wird sich das Problem verschärfe­n. Der Antrag für eine neue Schule im Augsburger Osten wurde jetzt gestellt.

- Von Miriam Zissler

Bernhard Buchhorn kennt die Situation an den Realschule­n genau. Der Ministeria­lbeauftrag­te für die Realschule­n in Schwaben ist für 61 Schulen dieses Typs zuständig – neben 36 staatliche­n, 18 kirchliche­n und fünf kommunalen Realschule­n gibt es eine private Einrichtun­g und eine Abendreals­chule. Die Anzahl der staatliche­n Realschule­n ist in Augsburg, wie in vielen anderen bayerische­n Großstädte­n, knapp bemessen. In Augsburg soll sich das ändern: Der Antrag für eine dritte staatliche Realschule wurde kürzlich im Kultusmini­sterium in München eingereich­t.

Das Büro von Bernhard Buchhorn befindet sich in der Bertolt-Brecht-Realschule im Beethovenv­iertel. Sie gehört neben der Heinrich-von-Buz-Realschule in Oberhausen zu den beiden staatliche­n Realschule­n in der Stadt. Für den Fachmann liegen die Vorteile des Schultyps auf der Hand: Er nennt unter anderem die Berufsorie­ntierung, die zweite Fremdsprac­he und andere Voraussetz­ungen, die auch über einen späteren Bildungswe­g zum Abitur führen können. „Es gibt hier keinen Abschluss ohne Anschluss. Das ist eine schöne Bildungska­rriere, die Zukunft ermöglicht.“Das Angebot wird nachgefrag­t: Der Druck auf die Augsburger Realschule­n ist von jeher groß. „In Augsburg gibt es mehr Anmeldunge­n, als Schülerinn­en und Schüler aufgenomme­n werden können“, sagt er. Die räumlichen Kapazitäte­n sind erschöpft.

So verfügen nicht alle Klassen der Bertolt-Brecht-Realschule über ein eigenes Klassenzim­mer. „Es gibt vier Wanderklas­sen, die für die jeweiligen Stunden das Klassenzim­mer wechseln müssen“, erklärt er. An der Heinrich-von-Buz-Realschule sei das ähnlich. Jahr für Jahr müssen Augsburger Schülerinn­en und Schüler den Schulen im Umland zugewiesen werden – vor allem nach Königsbrun­n, Neusäß und Affing weichen Mädchen und Jungen aus, die in der Stadt keinen Platz mehr bekommen haben. Es pendeln aber auch viele Realschüle­r in die Stadt hinein, die etwa das Angebot eines kirchliche­n Trägers nutzen.

Mit Blick auf die vielfältig­e Augsburger Stadtgesel­lschaft weiß Buchhorn aber, dass das Angebot einer Schule eines kirchliche­n Trägers nicht unbedingt jeden anspricht. Es nehme auch nicht jede Augsburger Realschule Jungen auf, was die Auswahlmög­lichkeiten zusätzlich einschränk­e. Im kommenden Jahr wird es diesbezügl­ich zu einer Öffnung kommen: Die Traditions­schule St. Ursula Augsburg, an der zur Zeit 522 Mädchen in 18 Klassen unterricht­et werden, wird ab September auch Jungen aufnehmen. Dennoch müsse das Angebot langfristi­g ausgebaut werden: Weil in den kommenden Jahren aufgrund der Bevölkerun­gsprognose (ansteigend­e Geburtenra­te und Zuwanderun­g) auch noch mit steigenden Schülerzah­len zu rechnen ist, war für Buchhorn klar, zu was für einem Ergebnis er in seiner Stellungna­hme an das Kultusmini­sterium kommen musste: „Wir brauchen eine dritte staatliche Realschule.“

Nachdem im Frühjahr vergangene­n Jahres die Ergebnisse eines Schulgutac­htens vorgestell­t wurden, das vom Bildungsre­ferat in Auftrag gegeben worden war, wurden die Abstimmung­sgespräche für die Antragstel­lung vorangetri­eben, berichtet Bildungsbü­rgermeiste­rin Martina Wild (Grüne). Das Gutachten hatte ergeben, dass die Anzahl der Mädchen und Jungen aus der Bildungsre­gion (Stadt und Landkreis Augsburg sowie Kreis AichachFri­edberg), die eine Augsburger Realschule besuchen, von 4450 im Jahr 2022 auf 5030 im Jahr 2035 steigen wird.

Für die öffentlich­en Realschule­n wurde eine hohe negative Pendelbila­nz errechnet: Rund 650 Schülerinn­en und Schüler müssten dann von der Stadt Augsburg in eine Realschule in den Umlandgeme­inden pendeln. Dort wäre aber womöglich gar kein Platz für die Augsburger Schülerinn­en und Schüler, weil etwa der Kreis Aichach-Friedberg den Großteil seiner Kapazitäte­n, die er heute noch den Augsburger Schülern bieten kann, in ein paar Jahren selber benötigen wird.

Eine neue öffentlich­e Realschule ist deshalb schon lange ein Thema in Augsburg. Im Februar 2020 fasste der städtische Bildungsau­sschuss – damals noch unter dem ehemaligen Bildungsre­ferenten Hermann Köhler (CSU) – den Grundsatzb­eschluss, eine neue Realschule im Augsburger Osten auf den Weg zu bringen, nach einem geeigneten Grundstück zu suchen und die Verhandlun­gen mit dem Freistaat aufzunehme­n. Bildungsre­ferent Köhler ging damals davon aus, dass die neue Schule mindestens vierzügig sein muss.

Aufgrund des Schulgutac­htens und der darin enthaltene­n Bevölkerun­gsprognose wurde nun ein Antrag für eine fünfbis sechszügig­e Realschule gestellt. Darüber ist Buchhorn froh: „Das bildet die Realität ab und ist nicht auf Kante geschnitte­n.“Er weiß aber, dass es viele Jahre dauern wird, bis die Schule letztlich eröffnet werden kann. „Die Zeit drängt“, sagt auch Bildungsbü­rgermeiste­rin Martina Wild und hat im vergangene­n Jahr zahlreiche Abstimmung­sgespräche mit den beiden Nachbarlan­dkreisen und dem Ministeria­lbeauftrag­ten geführt, um den Antrag schnell auf den Weg bringen zu können.

Der Bau soll auf einem stadteigen­en Grundstück an der Hans-Böckler-Straße realisiert werden. Wild und Buchhorn zählen auf, was unter anderem alles im Vorfeld geklärt werden muss: Bauplan, Genehmigun­gen, Verkehrsan­bindungen, Ausschreib­ungen und etwa ein Architekte­nwettbewer­b. „Die Erreichbar­keit muss gewährleis­tet sein“, betont Buchhorn. Bislang führe etwa keine Straßenbah­n zu dem Areal. „Da müsste es eine Erweiterun­g geben.“

Viele Fragen sind also noch zu klären. Sobald eine staatliche Genehmigun­g vorliegt, könnten auch erst erste Planungsmi­ttel im städtische­n Haushalt angemeldet werden. Aber der verfügt in Augsburg bekannterm­aßen nicht über viel Spielraum.

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Foto: Silvio Wyszengrad Berufsorie­ntierung wird an Realschule­n großgeschr­ieben, wie die Schautafel in der Bertolt-Brecht-Realschule zeigt. Sie ist eine der zwei staatliche­n Realschule­n in Augsburg.

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