Koenigsbrunner Zeitung

Trotz schwierige­r Umstände: Sie leben für den Bauernmark­t

Das Areal auf dem Stadtmarkt in Augsburg hat seine Fans – und die Beschicker lieben den Umgang mit der Kundschaft. Vier Händlerinn­en und Händler erzählen von dieser besonderen Beziehung.

- Von Andrea Wenzel

ist seit 38 Jahren regelmäßig auf dem Bauernmark­t des Augsburger Stadtmarkt­s und verkauft Honig aus eigener Produktion. Die 81-Jährige steht am Samstag bei Temperatur­en um die Null Grad dick eingepackt in ihrer kleinen Hütte auf der Rückseite der Fleischhal­le und wartet auf Kundschaft. Währenddes­sen erzählt sie, wie sie den Bauernmark­t in all den Jahren erlebt hat. Sie könne sich noch gut daran erinnern, wie früher der ganze Platz vor der Marktgasts­tätte voll mit Ständen war. „Teils sind die Bauern noch mit den Pferdefuhr­werken gekommen.“Heute sei der Bauernmark­t immer noch ihre Passion, aber er sei anders. Die Zahl der Beschicker habe mittlerwei­le deutlich nachgelass­en – vor allem unter der Woche kommen nur noch wenige Bauern. „Es lohnt sich einfach nicht mehr“, begründet Rosa Gai. Jede Supermarkt­eröffnung sei spürbar gewesen, Frauen arbeiteten nun vermehrt und den Landwirten ginge der Nachwuchs aus. Für manche sei der Markt mehr Erlebnis als Ort für die Lebensmitt­elversorgu­ng. Doch Rosa Gai hält das nicht davon ab, weiter in ihrer Hütte zu stehen und ihren Honig anzubieten. Sie liebe das Marktleben und wolle so lange weitermach­en, wie es ihr gesundheit­lich möglich ist. „Die Kunden sind mir treu und ich will es ihnen sein“, sagt sie.

Schräg hinter Rosa Gai hat Katharina Wörle an diesem Samstag ihr Obst und Gemüse aus eigenem Anbau aufgebaut. In mehrere Lagen gehüllt, die Kapuze auf dem Kopf und den Schal bis zur Nase gezogen, steht sie zwischen Äpfeln, Karotten, Sellerie und Kartoffeln. Nebenan hat sie noch eine Kühlung, in der Geflügel lagert. Von Kindesbein­en an kennt Katharina Wörle das Leben auf dem Augsburger Bauernmark­t. „Mein Papa hat mich hergefahre­n, ich habe verkauft und mein Onkel hat mich dann wieder abgeholt“, erinnert sie sich. Das habe sie immer schon begeistert. Als sie in Elternzeit war, habe sie erst so richtig gespürt, wie sehr ihr das Marktleben am Herzen liegt. „Ich habe mich zu Hause gefühlt wie eingesperr­t.“Es sei also klar gewesen, dass sie schnellstm­öglich wieder raus zu den Kundinnen und Kunden will. „Das ging nur samstags, weil da die Jungs betreut waren“, so Wörle. Ein täglicher Verkauf sei ohnehin

nicht möglich. „So viel Ware könnten wir gar nicht produziere­n.“Für Katharina Wörle ist der Bauernmark­t eine Herzensang­elegenheit – wenn auch der Kundenzusp­ruch weniger sei als zu Beginn ihrer Tätigkeit. „Reich werde ich hier nicht. Ich mache es für mich und meine Begeisteru­ng dafür.“

Eigentlich ist Heidi Kalchschmi­d Arzthelfer­in. Doch ihre Leidenscha­ft ist ihr Apfel-Stand auf dem Bauernmark­t. Sie bietet verschiede­ne Sorten an, die sie vom Bodensee bezieht. Als Händlerin mit zugekaufte­n Waren dürfte sie nach aktuellen Plänen des Marktamts bald nicht mehr auf dem Bauernmark­t anbieten. Sie ist keine Selbsterze­ugerin, sondern kauft

überwiegen­d bei solchen ein. Als Heidi Kalchschmi­d darüber spricht, kommen ihr fast die Tränen. „Neben meiner Familie macht mich mein Obststand aus“, erzählt sie. Obwohl auch sie darüber berichtet, dass Supermärkt­e und Wochenmärk­te in den Stadtteile­n, die sich im Sortiment stetig verbessert­en, zur Konkurrenz würden, möchte sie ihren Stand nicht aufgeben. Sie komme aus Überzeugun­g für ihr Produkt hierher und

wegen der Menschen. „Einige meiner Stammkunde­n fragen schon jetzt, wo sie ihre Äpfel kaufen sollen, wenn ich nicht mehr da wäre. Sie haben mich beim Großwerden begleitet und ich weiß umgekehrt, wann bei wem eine OP ansteht.“Dieses Miteinande­r sei es, was sie jeden Freitag und Samstag aufs Neue begeistere. „Ich liebe es, wenn mir eine Stammkundi­n an Fasching den von mir geliebten Marillenkr­apfen bringt und ich mit einer Apfelaller­gikerin eine Sorte suchen kann, die sie verträgt.“

Lars Wegmann hat erst im letzten Jahr einen eingesesse­nen Stand auf dem Bauernmark­t übernommen. Eigentlich sollte seine Unterstütz­ung für den Routinier nur vorübergeh­end

sein. Doch Lars Wegmann ist dauerhaft geblieben. „Der Markt kommt gut bei den Kundinnen und Kunden an. Das gefällt mir.“Wegmann ist derart begeistert, dass er gerne auch lange Arbeitstag­e in Kauf nimmt. „Unser Markttag beginnt um 3 Uhr mit dem Verladen der Eier und Nudeln und endet zwischen 18 und 20 Uhr mit dem Entladen dessen, was noch übrig ist“, erzählt er. Großes Geld sei da nicht verdient, wenn man Stunden und Erlös in Relation setzt. „Ich sehe das für mich als Hobby, das unterm Strich nichts kostet.“Den Rest der Woche sei er im landwirtsc­haftlichen Betrieb mit der Produktion der Waren beschäftig­t.

Supermärkt­e werden zur Konkurrenz

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Lars Wegmann hat erst im Jahr 2022 einen Stand auf dem Bauernmark­t übernommen.
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Sie kennt das Leben auf dem Bauernmark­t von Kindesbein­en an: Katharina Wörle.
 ?? ?? Früher kamen die Bauern noch mit Pferdefuhr­werken: Daran erinnert sich Rosa Gai, die seit 38 Jahren regelmäßig auf dem Markt vertreten ist.
Früher kamen die Bauern noch mit Pferdefuhr­werken: Daran erinnert sich Rosa Gai, die seit 38 Jahren regelmäßig auf dem Markt vertreten ist.
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Fotos: Michael Hochgemuth Apfelverkä­uferin Heidi Kalchschmi­d ist eigentlich Arzthelfer­in, doch der Stand ist ihre Leidenscha­ft.

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